Fachartikel vom 09.01.2013

Für die in den Fachartikeln dargestellten Inhalte sind ausschließlich die genannten Autoren bzw. Unternehmen verantwortlich.


Technische Kunststoffe für entwicklungsorientierte Märkte

Paul Simmons, Quadrant EPP AG

Die Nachfrage nach Produkten mit hohem Leistungsniveau bei größter Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit stellt Produktentwickler in ihrer Materialwahl vor neue Herausforderungen. Zu elementaren Kriterien im Entscheidungsprozess gehören bei wachsender Anzahl gesetzlicher Vorschriften Forderungen nach Gewichtseinsparungen, weniger Emissionen und effizienterem Einsatz von Rohstoffen. Kunststoffe haben infolgedessen ausgewählte Einsatzbereiche erobert, die einst Metallen oder anderen Hochleistungsmaterialien vorbehalten waren. Vorteile, wie geringere Masse, Isolationseigenschaften und vielfältige Möglichkeiten der Verabeitung, sind bei den Designingenieuren weithin anerkannt.

Verschleißwerte für Hochleistungskunststoffe von Quadrant – je niedriger, desto besser
Verschleißwerte für Hochleistungskunststoffe von Quadrant – je niedriger, desto besser
Um das Potenzial von Kunststoffen für anspruchsvolle Anwendungen zu erweitern, muss Forschung in der Polymerchemie bestehende Lücken anwendungs- und verfahrensspezifischen Knowhows schließen sowie Schwachstellen potentieller Werkstoffe ausmerzen. Dies gilt beispielsweise für den Einsatz von Kunststoffen in aggressiver Umgebung unter extremen thermischen und mechanischen Belastungen. Insbesondere in stark entwicklungsorientierten Märkten, zum Beispiel der Lebensmittelproduktion, der Medizin- und Biowissenschaften, der chemischen Verfahrenstechnik oder Energiewirtschaft (einschließlich erneuerbarer Energien), und auch der Halbleiterindustrie stehen Entwickler permanent vor neuen Herausforderungen. Kritische Anforderungen in diesen Einsatzbereichen und Märkten sind beispielsweise Temperatur-, sowie Reibungs- und Verschleißbeständigkeit. Hier sind Fortschritte bei den Hochleistungspolymeren - oder "technischen Kunststoffen" - unerlässlich, um technischen Notwendigkeiten umfassend zu begegnen.

Solvay Specialty Polymers ist ein weltweit führender Anbieter von Hochleistungskunststoffen. Gemeinsam mit Quadrant EPP, einem weltweit führenden Hersteller von Kunststoffhalbzeugen und -lösungen, entwickelt das Unternehmen auf Basis seiner innovativen Polymere marktfähige technische Kunststoffe, die den Anforderungen entwicklungsorientierter Branchen Rechnung tragen.

pV-Grenzwerte für Hochleistungskunststoffe von Quadrant – je höher, desto besser
pV-Grenzwerte für Hochleistungskunststoffe von Quadrant – je höher, desto besser
"Es ist eine Herausforderung, das zuverlässige Eigenschaftsprofil von Hochleistungskunststoffen sicherzustellen, vor allem wenn sie extremen Einsatzbedingungen ausgesetzt werden," sagt Dr. Wolfgang Funke, Sales Development Manager bei Solvay Specialty Polymers. "Die enorme Bandbreite der Kunststoffeigenschaften für Halbzeugteile nutzbar zu machen, erfordert tiefgreifendes Materialverständnis seitens des Verarbeiters, ebenso wie ein hohes Maß an Entwicklungsarbeit. Genau aus diesem Grund haben wir Quadrant als einen qualifizierten Partner gewählt, der in der Lage ist, das Beste aus unseren Produkte herauszuholen."

"Die Grenzen technischer Kunststoffe zu erweitern ist ein Eckpfeiler unseres Geschäftsmodells," ergänzt Paul Simmons, Business Development Manager Europe bei Quadrant EPP. "Mit ihrer überlegenen Leistungsfähigkeit gegenüber Metallen und anderen Materialien können unsere technischen Spezialthermoplaste und Composites den Designingenieur dabei unterstützen, die beste Lösung unter den bestehenden Möglichkeiten zu finden. Gemeinschaftsentwicklungen versetzen uns in die Lage, einen Schritt weiter zu gehen und die Performance von Kunststoffhalbzeugen und Umformprozessen auf ein neues Niveau zu heben."

Paul Simmons und Dr. Wolfang Funke haben aktuelle Schwerpunkte der Entwicklung technischer Kunststoffe untersucht – Temperaturbeständigkeit, Reibungs- und Verschleißfestigkeit. Im Folgenden werden einige der Herausforderungen behandelt, denen Designer und die verarbeitende Industrie gegenüberstehen, und mögliche Lösungen aufgezeigt.

Wärmebeständigkeit
Anspruchsvolle Umgebungsbedingungen gehen häufig mit extremen Einsatztemperaturen einher. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Gewichtung von Informationstechnologie und einer zunehmend schnelleren und robotisierten Fertigung bzw. dem ständigen Wettlauf um branchenbeste Leistungen, steigen Anforderungen an Gerätschaften und Maschinen, ohne Abstriche an der Sicherheit zuzulassen.

Hohe Wärmebeständigkeit ist für den Einsatz und die Akzeptanz von Produkten in diesem Umfeld entscheidend.
Die Temperaturbeständigkeit gilt als wichtiges Kriterium zur Kategorisierung von Polymeren und korreliert in vielen Fällen mit deren Preis. Unterschiedliche Versagensmechanismen - wie Oxidation, Abbau der Polymerkette und abnehmende mechanische Eigenschaften oberhalb der Glasübergangs- oder Schmelztemperatur - haben zu unterschiedlichen Strategien geführt, um die Temperaturbeständigkeit von Polymeren zu steigern.
Die Familie der imidierten Polymere (IP), einschließlich Polyimide (PI), Polyamidimide (PAI), Polybenzimidazole (PBI) und Polyetherimide (PEI), enthalten aus chemischer Sicht mindestens eine Imid- (oder Imidazol-) Bindung je Einheit, die mittels heterozyklischer Ringschlussreaktion gebildet wird. Das verleiht dem Material ein hohes Maß zusätzlicher thermischer und mechanischer Widerstandsfähigkeit.

Fertigteile aus Torlon® PAI: Dichtungsringe, Rückschlagventilkugeln, Druckscheiben (v.l.n.r.)
Fertigteile aus Torlon® PAI: Dichtungsringe, Rückschlagventilkugeln, Druckscheiben (v.l.n.r.)
Torlon® PAI-Kunststoffe von Solvay Specialty Polymers vereinen synergetisch Eigenschaften von Polyamiden und Polyimiden wie Elastizität, Dehnvermögen, Zähigkeit, Schmelzbarkeit und diverse weitere Charakteristika. Sie lassen sich mittels Extrusion, Spritzguss oder im Compression Molding verarbeiten. Folien, Fasern, Coatings und Adhesives sind darstellbar.

Wie bei den meisten amorphen Polymeren bleiben ihre mechanischen Eigenschaften bis zum Bereich der Glasübergangstemperatur (Tg) relativ stabil. Die Tg von Polyamidimiden liegt bei 275 °C. Zum hohen Leistungsniveau trägt das aromatische Rückgrat in Kombination mit dem Imidring signifikant bei. Auf diesem Gerüst basiert die Glasübergangstemperatur von 275 °C nach dem Temperprozess. Die Amidbindung trägt zur guten Verarbeitbarkeit, Duktilität und Steifigkeit bei.

PAIs mit Tg bis 275 °C zählen zu den Thermoplasten mit den höchsten Festigkeits- und Steifigkeitswerten im Markt. Nicht nur glasfaserverstärkte und kohlefasergefüllte Typen behalten ihre Festigkeit und Steifigkeit auch bei erhöhten Temperaturen. Sie haben darüber hinaus eine geringe Kriechneigung und bieten ausgezeichnete Ermüdungsbeständigkeit.

PAIs zeigen eine ausgezeichnete Chemikalienbeständigkeit gegenüber Kohlenwasserstoffen, oxidierten organischen Stoffen (Ether, Ester, Alkohole etc.), sauren Gasen und Ölen. Die Beständigkeit gegenüber starken Laugen, Aminen und in der Umgebung bestimmter Hochtemperatursäuren ist begrenzt.

Halbzeuge und Fertigteile aus Duratron® PAI
Halbzeuge und Fertigteile aus Duratron® PAI
Konstrukteuren bietet Quadrant mit seiner Duratron® PAI-Produktlinie die branchenweit vielseitigste Palette an PAI-basierten Halbzeugen. Das Polymer ermöglicht die Entwicklung von Halbzeugen mit metallähnlicher Leistungsfähigkeit, geeignet für wiederholten lasttragenden Einsatz.

Zu typischen, hoch beanspruchten Anwendungen zählen Hochtemperatur-Steckverbinder und Schalter, Ventilsitze, chemische Dichtungen, Teile für Bohrausrüstung in der Erdölförderung, Buchsen, Antriebsteile für Motorsportfahrzeuge, und Halbleiterbauteile, wie Chipnester und -sockel. Mit zusätzlichen Füllstoffen, wie Graphit, Kohlefasern und/oder PTFE, ist PAI eine ausgezeichnete Wahl für Verschleißanwendungen, von Lagern, Druckscheiben und großen Labyrithdichtungen über Laufräder für Rotationsverdichter bis hin zu Ventilen und Ventilsitzen, Verschleißbelägen und sogar Kolbenringen. Der Sauerstoffindex (OI) erfüllt mit einem Wert von 45 alle Voraussetzungen für Flammwidrigkeitseinstufungen gemäß UL-94 V-0.

Der Werkstoff kann im Spritzguss, mittels Extrusion oder in Pressverfahren verarbeitet werden. Teile aus PAI müssen getempert werden. Optimale Eigenschaften, insbesondere Chemikalien- und Verschleißbeständigkeit, werden nur durch eine ausreichende Temperung erzielt. Die Parameter des Temperzyklus sind eine Funktion von Größe und Geometrie des jeweiligen Bauteils.

Reibungs- & Verschleißbeständigkeit
Übermäßiger Verschleiß und Abrieb sind offensichtliche Folgen mechanischer Beanspruchungen, denen bewegliche Teile im Umfeld von Hochleistungsanwendungen ausgesetzt sind, wie Gierlager in Windturbinen, Führungen in Abfüllanlagen, Rollen in der Fertigung von Photovoltaikzellen, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Gestützt auf langjährige Erfahrung mit anwendungsspezifischen Verschleiß- und Reibungsproblemen werden dem Basispolymer eine Reihe typischer Additive beigegeben, beispielsweise PTFE, Graphit, MoS2, BN, TiO2 und ZnS. Diese wiederum werden bisweilen in Kombination mit unterschiedlichen Fasertypen, wie PAN- und Pitch- basierten Kohlefasern, Aramidfasern oder Polymerblends eingesetzt.

Die Wahl eines PAI-Kunststoffs für verschleiß- und reibungskritische Anwendungen hängt in hohem Maß von Systemeigenschaften ab, die häufig vorgegeben sind. So hat das F&E-Team von Solvay Specialty Polymers R&D mehrere Torlon® PAI-Typen speziell für den Einsatz unter hohen Drucklasten entwickelt. Andere Formulierungen sind auf schnelllaufende Anwendungen in trockenem oder geschmiertem Zustand ausgerichtet.

Rahmen aus Duratron® PAI für ein Piezoelement in einem Abtastendoskop
Rahmen aus Duratron® PAI für ein Piezoelement in einem Abtastendoskop
Neben hoher Druckfestigkeit, hohen Moduli und ausgezeichneter Kriechbeständigkeit können sich PAI-Kunststoffe mit selbstschmierenden Eigenschaften und niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten als erste Wahl für Verschleißoberflächen in rauer Umgebung positionieren. Das schließt nicht nur Systeme ein, bei denen polymere Bauteile benötigt werden, die unter geringen Reibungskräften verschleißarm arbeiten sollen, sondern auch Umgebungen, in denen hohe Verschleißfestigkeit bei erhöhten Reibungskräften gefordert ist. Möglich macht dies die hohe Erweichungstemperatur von PAI und deren dauerhafte Festigkeit und Steifigkeit bei erhöhten Temperaturen.

Verschleißfeste PAI-Typen vereinen gute mechanische und tribologische Eigenschaften mit natürlicher Wärme- und Chemikalienbeständigkeit. Dies prädestiniert sie bei Hochtemperatur-, Reibungs- und Verschleißanwendungen selbst dort als leistungsfähige Alternative zu Metallen, wo kaum oder keine Schmierung stattfindet bzw. möglich ist. In Umgebungen mit regelmäßiger Schmierung können ausgewählte Qualitäten außergewöhnlich hohen Drücken und Oberflächengeschwindigkeiten (PV) standhalten. Die Eigenschmierfähigkeit verschleißfester Typen wird durch Additive optimiert.

Quadrant bietet ein breites Portfolio maßgeschneiderter Polymerrezepturen für Reibungs- und Verschleißanwendungen. Die Materialien werden gezielt ausgewählt und auf spezifische Einsatzkriterien abgestimmt, beispielsweise den Betrieb mit wenig oder ohne Schmierung (wie in Bereichen der Lebensmittel- und pharmazeutischen Industrie) bzw. mit begrenztem oder ohne Zugang für Wartung (wie in Offshore-Anlagen). Hinzu kommen Formulierungen mit spezifischen Eigenschaftskombinationen (wie Chemikalien- und Korrosionsbeständigkeit, elektrischer Isolierfähigkeit und/oder physiologischer Verträglichkeit neben guter Belastbarkeit und Verschleißfestigkeit), die klare wirtschaftliche Vorteile erschließen.

Desgleichen besitzt Techtron® HPV PPS ein spezielles Eigenschaftsprofil aus Verschleißfestigkeit, mechanischer Belastbarkeit und Dimensionsstabilität, mit dem sich dieses Polyphenylensulfid vor allem für diverse industrielle Maschinenanwendungen eignet, einschließlich Trocknungsvorrichtungen und Öfen in der Lebensmittelverarbeitung, Pumpen-, Ventil- und Kompressorbauteile in der chemischen Verfahrenstechnik sowie elektrisch isolierende Systeme und Gleitteile. Ein weiteres Beispiel ist Ketron® CA30 PEEK, ein kohlefaserverstärktes Material, das hohe Steifigkeit, mechanische Festigkeit und Kriechbeständigkeit in sich vereint.

pV-Grenzwertdaten für Torlon® PAI und PEEK bei konstanter Geschwindigkeit in geschmierter Umgebung
pV-Grenzwertdaten für Torlon® PAI und PEEK bei konstanter Geschwindigkeit in geschmierter Umgebung
Im Vergleich zu unverstärktem PEEK sorgen die Kohlefasern in diesem Materialtyp für eine erhebliche Reduzierung der Wärmeausdehnung und eine um 3,5-fach höhere Wärmeleitfähigkeit. Das beschleunigt die Wärmeabfuhr von Lageroberflächen, verbessert die Nutzdauer von Lagern und PV-Werte.

Duratron® T4301 PAI bietet ausgezeichnete Dimensionsstabilität über einen weiten Temperaturbereich. Das PAI hat sich vor allem als Extrudat in Verschleißanwendungen bewährt, z. B. in schmierfreien Lagern, Dichtungen, Lagerkäfigen und Hubkolbenkompressor-Bauteilen.

Ausblick
Wie im Vorstehenden ausgeführt, haben sich technische Kunststoffe in anspruchsvollen Umfeldern entwicklungsorientierter Märkte positioniert. Grundlegend für den Fortschritt derart richtungsweisender, alternativer Materiallösungen, die den Anforderungen der Kunststoffverarbeiter und Produktentwickler im Hinblick auf Umweltverträglichkeit, Endproduktleistung und wirtschaftlicher Verarbeitbarkeit entgegenkommen, ist neben der technologischen Weiterentwicklung die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen den Kunststoffherstellern und -verarbeitern. Technische Kunststoffe stellen sich den Herausforderungen.


Quadrant EPP AG

Hardstr. 5
5600 Lenzburg, Schweiz

Tel.:   +41 62 885 82 59
Fax:   +41 62 885 84 01
Email: Sigrid.dopfer@gplas.com

Internet: www.qplas.com


  zurück zur Übersicht  zurück zum Seitenanfang