Fachartikel vom 20.11.2013

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Lackiertrends für automobile Kunststoffteile

Doris Schulz für PaintExpo (FairFair GmbH)

Kunststoffe nehmen im Automobilbau heute einen Anteil zwischen 15 und 20 Gewichtsprozent ein. Dabei handelt es sich häufig um Exterieur- und Interieurteile, die ihre entsprechenden optischen, haptischen und funktionalen Eigenschaften durch eine Lackierung erhalten. Die steigenden Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit sowie Ressourceneffizienz beantwortet die Lackiertechnikindustrie mit neuen und weiterentwickelten Lösungen.

Um die Zunahme des Fahrzeuggewichts durch Elektroantrieb und kraftstoffeffiziente Motorentechnik zu kompensieren, wird der Anteil von Leichtbauteilen bis 2030 von 30 auf rund 70 Prozent steigen – dies prognostiziert eine aktuelle McKinsey-Studie. Neben hochfesten Stählen und Leichtmetallen spielen Kunststoffe dabei eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen es häufig, Bauteile mit geringerem Gewicht und/oder kostengünstiger herzustellen oder die Funktionen mehrerer Werkstücke in eine Komponente zu integrieren.

Schutz vor mechanischen, chemischen und physikalischen Einwirkungen wie Kratzer, Steinschlag, Verwitterung, UV-Strahlung sowie Bestandteilen von Kosmetik und Reinigungsmitteln erhalten Kunststoffteile durch Lackierungen. Farbe und Lack sind dabei aber deutlich mehr als technisch funktionale Hilfsmittel: Sie sorgen für Oberflächen, die an alle Sinne appellieren, Produkte emotional in Szene setzen und deren Wertigkeit erhöhen. Damit dieses Spiel mit den menschlichen Reizen funktioniert, muss die Qualität der Beschichtung höchste Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig erfordert der globale Wettbewerbsdrucks immer wirtschaftlichere, nachhaltigere und flexiblere Lackierprozesse. Dafür arbeitet die Lackiertechnikindustrie kontinuierlich an der Optimierung bestehender und der Entwicklung neuer Lösungen.


Mehr Produktivität durch weniger Lackierschritte

Das Sigma Color System, ein innovatives 2K-Lacksystem, ermöglicht die vorbehandlungsfreie und primerlose Lackierung von Komponenten aus Polypropylen (PP) und thermoplastischen Polyolefinen (TPO). Bildquelle: Coating and Industrial Technologies (CIT)
Das Sigma Color System, ein innovatives 2K-Lacksystem, ermöglicht die vorbehandlungsfreie und primerlose Lackierung von Komponenten aus Polypropylen (PP) und thermoplastischen Polyolefinen (TPO). Bildquelle: Coating and Industrial Technologies (CIT)
Der Trend zu weniger Lackierschritten durch füllerlose Lacksysteme, erfreut sich auch bei Anbauteilen aus Kunststoff immer größerer Beliebtheit. Aus gutem Grund: Reduziert sich doch durch den Wegfall der Zwischentrocknung der Energieverbrauch um 15 bis 20 Prozent. Gleichzeitig sinken Materialverbrauch und Lösemittelemissionen. Außerdem wird weniger Produktionsfläche für die Lackieranlage benötigt. Entsprechende Lacklösungen gibt es unter anderem für glänzende, spritzgegossene Interieurteile, beispielsweise Zierleisten, aus einem ABS-PC-Blend (ABS Acrylnitril-Butadien-Styrol, PC Polycarbonat). Der Lack sorgt mit einem nur einschichtigen Lackaufbau für eine edle, hochglänzende Oberfläche. Ein noch größeres Einsparpotenzial bietet innovatives 2K-Lacksystem, das die vorbehandlungsfreie und primerlose Lackierung von Komponenten aus Polypropylen (PP) und thermoplastischen Polyolefinen (TPO) ermöglicht. Die Teile weisen nach dem einschichtigen Lackauftrag eine hohe UV-Stabilität, Kratzfestigkeit und chemische Beständigkeit auf – auch gegen Sonnencreme und Mückenschutzmittel. Der 2K-Lack ist derzeit das wohl einzige Beschichtungssystem weltweit, das ohne Vorbehandlung/Beflammung und Primer die Spezifikationen von Automobilherstellern für die Lackierung von Interieurteilen aus PP und TPO erfüllt (einziges entsprechendes Produkt auf der GM MATSPC Liste und Toyota TSH 3130G - für alle Klassen). Es wurde von GM auch nach dem neuen Standard GMW 14867 für den weltweiten Einsatz freigegeben. Toyota setzt den 2K-Lack bereits seit einiger Zeit bei der Lackierung von Interieurteilen für den Aurion ein.


Neue Entwicklungen in Bereich der Anlagetechnik und bei Lacken erweitern das Anwendungsspektrum von UV-Lacken kontinuierlich. Bildquelle: Sprimag
Neue Entwicklungen in Bereich der Anlagetechnik und bei Lacken erweitern das Anwendungsspektrum von UV-Lacken kontinuierlich. Bildquelle: Sprimag
UV-Technologie auf dem Vormarsch

Unter ultravioletter Strahlung aushärtende UV-Lacke verbinden ökologische und wirtschaftliche Vorteile, zum Beispiel die Verkürzung der Prozesszeiten, kompaktere Lackieranlagen, Reduzierung von Emissionen und Energieverbrauch. Hinzu kommen qualitative Aspekte wie ein hoher Glanzgrad sowie hohe Widerstandfähigkeit und Kratzfestigkeit der Oberfläche.

Für die Beschichtung von ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol)-Kunststoffteilen im Interieurbereich steht seit kurzem ein lösemittelfreier 100-Prozent UV-Klarlack zur Verfügung, der die Werksnormen verschiedener OEM (Renault, TL 226 Volkswagen, DBL 7384 Daimler) erfüllt. Entsprechende Test haben gezeigt, dass mit diesem Monocure-100%-System eine deutlich höhere Kratzfestigkeit erzielt wird als mit wässrigen oder lösemittelhaltigen beziehungsweise Dualcure-Systemen, die hier im Serieneinsatz sind. Die Aushärtung erfolgt unter so genannter Inertgasatmosphäre bei Raumtemperatur innerhalb weniger Sekunden. Die sauerstoffreduzierte Atmosphäre verhindert, dass die für die Polymerisation erforderlichen Radikale mit dem Sauerstoff der Luft reagieren und es zu einer so genannten Sauerstoffinhibierung kommt. Dadurch kann in größeren Abständen gehärtet werden und auch Bereiche, die deutlich weniger UV-Strahlung erhalten, härten besser durch.

Dieses dreidimensionale Interieurteil aus einem ABS wird mit einem neu entwickelten lösemittelfreien 100-Prozent UV-Klarlack beschichtet und unter Intergasatmosphäre vernetzt. Bildquelle: Lankwitzer
Dieses dreidimensionale Interieurteil aus einem ABS wird mit einem neu entwickelten lösemittelfreien 100-Prozent UV-Klarlack beschichtet und unter Intergasatmosphäre vernetzt. Bildquelle: Lankwitzer
In der Automobilindustrie kommen bisher für die Beschichtung von Kunststoffen überwiegend lösemittelhaltige und wasserbasierte Lacke zum Einsatz. Lösemittelhaltige UV-Dual-Cure-Systeme werden ebenfalls seit einigen Jahren angewendet. Sie ermöglichen eine gute Mattierbarkeit sowie Metallic-Farbtöne. Allerdings lassen sich mit UV-Lacken nicht alle Metallic-Farbtöne herstellen Hochglanzoberflächen werden mit lösemittelhaltigen UV-Dual-Cure-Klarlacken im aufbau mit Basislacken erzeugt. Verstärkt zum Einsatz kommen in letzter Zeit für die Kunststofflackierung sowohl 100%-UV-Klarlacke mit Klavierlackoptik als auch 2K-Dual-Cure-Systeme, wobei Erstere deutlich höhere chemische Beständigkeitseigenschaften aufweisen. Auf vielen gängigen Kunststoffsubstraten wie ABS, SAN (Styrol-Acrylnitril), PS (Polystyrol) und ABS/PC (Polycarbonat) werden gute Haftungswerte ohne Vorbehandlung erzielt. Ansonsten lassen sich die Haftungseigenschaften in der Regel durch eine Aktivierung der Oberfläche durch Beflammen optimieren.


Lenkradspangen verchromt mit und ohne Lack: Eingefärbte Klarlacke erlauben eine individuelle Farbgestaltung, beispielsweise Blackchrome-Optik, von Kunststoffteilen im Innenraum.
Lenkradspangen verchromt mit und ohne Lack: Eingefärbte Klarlacke erlauben eine individuelle Farbgestaltung, beispielsweise Blackchrome-Optik, von Kunststoffteilen im Innenraum.
Im Trend: Kombinationsoberflächen

Kunststoffoberflächen in Chromoptik stehen nach wie vor hoch im Kurs. Die Verchromung der Kunststoffbauteile wird dabei entweder konventionell galvanisch oder durch eine PVD-Beschichtung erzeugt. Um den Metallfilm anschließend zu schützen und ihm eine individuelle Optik zu verleihen, stehen konventionelle, eingefärbte Systeme und UV-Lacke zur Verfügung.


Effektiver vorbehandeln

Entscheidend für das Lackierergebnis ist die Reinigung und Vorbehandlung der Kunststoffteile. Klassischerweise kommt dafür ein mit wässrigen Medien arbeitendes Powerwashsystem mit nachgeschaltetem Haftwassertrockner zum Einsatz. Diese kosten-, platz- und energieintensive Variante wird jedoch immer häufiger durch alternative Reinigungsverfahren wie die CO2-Schneestrahlreinigung, Plasmaverfahren oder eine neu entwickelte Dampfreinigungstechnik ersetzt.

Die CO2-Schneestrahlreinigung hat sich bei zahlreichen Anwendungen in der Automobil- und Zulieferindustrie etabliert. Der ungiftige und nicht brennbare Schnee aus recyceltem Kohlendioxid entfernt partikuläre und filmische Verunreinigungen materialschonend von Exterieur- und Interieurteilen aus unterschiedlichen Kunststoffen und Composites. Dabei wird der Schmutz auch aus sehr filigranen Bauräumen zuverlässig abgereinigt. Weiterer Vorteil des trockenen Verfahrens ist eine erhöhte Designfreiheit für die Bauteilkonstruktion, da beispielsweise schöpfende Geometrien keine Medienverschleppung in den Lackierprozess mehr verursachen können.

Neben geringem Platzbedarf spricht für die CO2-Schneestrahlreinigung, dass sie inline durchgeführt werden kann. Bildquelle: acp
Neben geringem Platzbedarf spricht für die CO2-Schneestrahlreinigung, dass sie inline durchgeführt werden kann. Bildquelle: acp
Plasmaverfahren, die in Niederdruck- und Atmosphärendurckplasmen unterschieden werden, lassen sich vor allem für die Abreinigung dünner organischer Verunreinigungen einsetzen. Während der Plasmabehandlung erfolgt eine gleichzeitige Reinigung und Aktivierung der Oberfläche. Diese Doppelfunktion basiert auf einer physikalischen und chemischen Reaktion des Verfahrens. Dadurch wird neben einer sauberen Oberfläche auch die Erhöhung der Oberflächenspannung erzielt und damit optimale Voraussetzungen für den nachfolgenden Lackierprozess.

Bei der Dampfreinigung basiert die gute Reinigungswirkung gegenüber verschiedensten Verunreinigungen wie Ölen, Fetten, Trennmitteln, Staub und Fingerabdrücken auf dem Zusammenspiel von gesättigtem Dampf mit einem Hochgeschwindigkeitsluftstrom. Die Dampferzeugung erfolgt nach dem Prinzip der Durchfluss-Wassererwärmung: Das Wasser durchläuft unter Druck ein mit Heizspiralen ausgestattetes Rohrsystem, wobei es je nach Reinigungsaufgabe auf eine Temperatur zwischen 135 und 280°C erwärmt wird. Der im Dampf enthaltene Flüssigkeitsanteil lässt sich auf die Reinigungsaufgabe beziehungsweise die Verschmutzung abstimmen. So kommt beispielsweise zur Abreinigung von Öl Nassdampf zum Einsatz, der die Viskosität des Öls so verändert, dass es sich in feinste Tröpfchen zerstäubt. Diese werden dann gemeinsam mit teilchenförmigen Verschmutzungen vom Luftstrom von der Bauteiloberfläche abgeblasen. Die Trocknung erfolgt ebenfalls durch den Hochgeschwindigkeitsluftstrom.


PaintExpo – internationale Leitmesse für industrielle Lackiertechnik

Die PaintExpo deckt die gesamte Prozesskette der Lackiertechnik ab und bietet einen umfassenden Überblick über die neuesten Entwicklungen für das Nasslackieren, Pulverbeschichten und Coil Coating von der Vorbehandlung bis zur Qualitätskontrolle. Das Ausstellungsspektrum beinhaltet Anlagen- und Applikationstechnik, Lacke, Trocknungs- und Vernetzungssysteme, Transportsysteme, Automatisierungslösungen und Lackierroboter, Vorbehandlung, Test- und Messtechnik, Qualitätskontrolle, Umwelt- und Filtrationstechnik, Zubehör, Verbrauchsmaterialien, Dienstleistungen, Entlacken und Fachliteratur. An der internationalen Leitmesse für industrielle Lackiertechnik nehmen nahezu alle führenden Anbieter teil. Das umfassende und repräsentative Angebot ermöglicht die gezielte und detaillierte Information sowie den direkten Vergleich unterschiedlicher Systeme und Verfahren an einem Ort.

Die PaintExpo findet vom 8. bis 11. April 2014 auf dem Messegelände Karlsruhe, Deutschland, statt.
www.paintexpo.de


FairFair GmbH

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72644 Oberboihingen, Deutschland

Tel.:   +49 7022 60255 0
Fax:   +49 7022 60255 77

Internet: www.fairfair.de


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