Fachartikel vom 05.08.2015

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Optimierung des Bauteilverhaltens mittels Angussmodifikation

Cristoph Hinse, Marc Kurz, SimpaTec GmbH

Seit den ersten Anfängen der Spritzgusstechnologie, erlebte die Technologie enorme Entwicklungsschritte, große Fortschritte und zahlreiche Innovationen hinsichtlich Fertigungsverfahren, geeigneter Materialien oder auch eingesetzter Kontrollmechanismen. Dennoch sind viele der Probleme, mit denen bereits die kunststoffverarbeiteten Pioniere konfrontiert wurden noch heute existent.

Bild 1: Erste Anfänge der Spritzgusstechnologie - manuell betriebene Spritzgussmaschine (1944 Model 1, Van Dorn)
Bild 1: Erste Anfänge der Spritzgusstechnologie - manuell betriebene Spritzgussmaschine (1944 Model 1, Van Dorn)
Die Gewährleistung einer konstanten, den höchsten Ansprüchen gerecht werdende Bauteilqualität unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte ist so ein Punkt. Viele der Fortschritte in der Spritzgießtechnik haben nur bewirkt, dass die Anlagen nun kontinuierlich - von „Schuss zu Schuss“ - Ausschuss produzieren. Da moderne Spritzgießmaschinen so konzipiert sind, noch schneller produzieren zu können, führt dies oft zwangsläufig zu einem stetig steigenden Ausschuss.

Im Bild ist eine der ersten manuell betriebenen Spritzgießmaschine zusehen, 1944 gefertigt von Van Dorn. Das Prinzip war einfach, aber genial, die Maschine spritzt den Kunststoff mit einem einfachen Kolben in die Kavität. Der Kolben ist mit einem Steuerrad fest verbunden. Über dieses Steuer wird die Geschwindigkeit des Kolbens, damit auch der Druck und der Prozess des Spritzgießens vom Anwender direkt beeinflusst. Naturgemäß und im Vergleich zu den heutigen Anlagen, entsteht auf diese Weise eine hohe Wahrscheinlichkeit inkonsistenter Zyklen, aufgrund der manuell bedingten Veränderungen hinsichtlich Geschwindigkeit und folgerichtig der Viskosität innerhalb eines Schusses. Bei den heutigen Spritzgießmaschinen wird der Kolben durch eine Schnecke, eine der wichtigsten Innovationen in der Anlagenkonstruktion, ersetzt. Aber trotz aller technologischer Innovationen, wie Schnecke oder auch der vollautomatischen Steuerung der Prozesse, und der damit bewirkten Reproduzierbarkeit des Gesamtprozess, sehen sich Konstrukteure und Produzenten immer noch mit Qualitätsproblemen aufgrund von unbalancierten Füllvorgängen und damit erhöhten Ausschussvolumen oder möglichen Prozesslimitierungen konfrontiert.

Bild 2: Links – Ergebnis des Spritzgießvorgang einer 8-fach-Kavität auf einer vollautomatischen Spritzgießmaschine. Die rechte Seite der Kavität enthält die MeltFlipper®-Technologie, die linke Seite nicht (Material = Polykarbonat). Rechts – Die gleiche 8-fach Kavität eingesetzt auf der 1944 manuell betriebenen Spritzgießmaschine. Auch hier rechts mit MeltFlipper®-Technologie und links ohne (Material = TPE).
Bild 2: Links – Ergebnis des Spritzgießvorgang einer 8-fach-Kavität auf einer vollautomatischen Spritzgießmaschine. Die rechte Seite der Kavität enthält die MeltFlipper®-Technologie, die linke Seite nicht (Material = Polykarbonat). Rechts – Die gleiche 8-fach Kavität eingesetzt auf der 1944 manuell betriebenen Spritzgießmaschine. Auch hier rechts mit MeltFlipper®-Technologie und links ohne (Material = TPE).
MeltFlipper® – Analyse des Fließverhaltens
Mit der MeltFlipper®-Technologie, entwickelt von Beaumont Technologies, Inc., Pionier und weltweit führender Anbieter im Bereich Anwendung und Entwicklung rheologischer Kontrollsysteme, wird das Fließverhalten der Kunststoffe im Verteilersystem genauestens analysiert. Und mittels einfacher Veränderungen des Verteilers wird das System in Richtung gleichmäßiger Füllung in der Kavität sowie auch den Kavitäten zueinander optimiert. Eine eindrucksvolle Demonstration der Möglichkeiten und des Potenziales der Technologie zeigt Bild 2. Durchgeführt wurde ein vergleichbarer Herstellungsprozess mit dem gleichen 8-fach-Werkzeug zum einen auf der manuell betriebenen Maschine von 1944 (Bild 2, links), und zum anderen, auf einer vollautomatisierten Spritzgussmaschine (Bild 2, rechts). Bei der rechten Seite der Kavität wurde die MeltFlipper®-Technologie angewandt und bei der anderen Hälfte nicht. Der Unterschied wird sofort erkennbar.

Erstaunlicher Weise zeigen beide Maschinen das gleiche typische ungleichmäßige Fließverhalten auf der linken Seite der Form - ohne die MeltFlipper®-Technologie. Die rechte Seite der Form zeigt eine gleichmäßige Füllung aller vier Kavitäten aufgrund der optimalen Ausbalancierung des Schmelzeflusses mittels der MeltFlipper®-Technologie. Es ist erstaunlich, über 60 Jahre technologischer Fortschritt der Maschinenentwicklungen hat nicht ausgereicht, diesen Einfluss maschinentechnisch zu negieren.

Bild 3: Das durch Scherung entstandene Temperaturprofil teilt sich am Unterverteiler, die einzelnen Kavitäten werden mit Schmelze von unterschiedlicher Temperatur versorgt.
Bild 3: Das durch Scherung entstandene Temperaturprofil teilt sich am Unterverteiler, die einzelnen Kavitäten werden mit Schmelze von unterschiedlicher Temperatur versorgt.


Natürlich stellt sich sofort die Frage, wenn die MeltFlipper®-Technologie schon erfolgreich bei einer 1944er, manuell betriebenen Spritzgussmaschine eingesetzt werden kann, welches Potenzial birgt die Technologie beim Einsatz in modernen hydraulischen oder elektrischen Spritzgießmaschinen. Schon jetzt ist die MeltFlipper®-Technologie das, was die Schnecke für die Standardspritzgießmaschine war – eine bedeutende und maßgebliche technologische Innovation.

Bild 4: Die Viskosität wird durch Scherrate und Temperatur beeinflusst; erhöhen sich Temperatur oder Scherrate sinkt die Viskosität
Bild 4: Die Viskosität wird durch Scherrate und Temperatur beeinflusst; erhöhen sich Temperatur oder Scherrate sinkt die Viskosität
Einflussfaktoren auf das Fließverhalten der Schmelze
Während des Füllvorganges treten in der Kavität oft sehr große Unterschiede hinsichtlich Druck-, Temperatur-, Viskositäts- und Materialeigenschaften aufgrund eines ungleichmäßigen Schmelzeflusses auf. Diese Unbalancierungen entstehen durch das Fließverhalten der Schmelze in der Kavität. Die Viskosität der Kunststoffe wird von Scherrate und Temperatur beeinflusst. Erhöht sich die Scherrate, verringert sich die Viskosität. Erhöht sich die Temperatur, verringert sich die Viskosität. Die höchste Scherrate liegt direkt an der eingefrorenen Randschicht. Die Scherviskosität und die Schererwärmung reduziert die Viskosität in diesem Bereich. Die Folge können ungleichmäßige Bauteilabmaße, Füllbilder, Einfallstellen, Verzüge oder hohe Einspritzdrücke sowie Oberflächenfehler u.v.m. sein.

Beeinflussung des Fließverhaltens von Kunststoffen
Eine kontinuierliche Kontrolle der Fließeigenschaften während des Spritzgussvorganges ist meist schwierig, mehr Erfolg hat eine Beeinflussung im Verteilersystem. Mittels einfacher Veränderungen des Verteilers können Füllvorgänge kontrolliert, beeinflusst und ein gleichmäßiges Fließverhalten erzielt werden. Ungleichmäßigkeiten des Fließverhaltens in der Kavität aber auch zwischen den einzelnen Kavitäten werden effizient optimiert und damit Ausschussvolumen und Zykluszeiten reduziert sowie die Produktivität und damit die Wirtschaftlichkeit erhöht. Ferner entfällt auch der Aufwand, dass die einzelnen Kavitäten in unterschiedlicher Art und Weise optimiert werden müssen.

Bild 5, links: Fließverhalten der Schmelze rechts mit, links ohne Meltflipper®-Technologie. Rechts: Komplette Umlenkung des Schmelzeflusses im Verteiler mittels MeltFlipper®-Technologie.
Bild 5, links: Fließverhalten der Schmelze rechts mit, links ohne Meltflipper®-Technologie. Rechts: Komplette Umlenkung des Schmelzeflusses im Verteiler mittels MeltFlipper®-Technologie.


Steigerung der Produktionsleistung einer 4-fach Kavität für die Automobilbranche
Bild 6: Automobielbauteil mit Verzugsproblemen und Oberflächenfehlern beim Einsatz einer 4-fach-Kavität
Bild 6: Automobielbauteil mit Verzugsproblemen und Oberflächenfehlern beim Einsatz einer 4-fach-Kavität
Im vorliegenden Fallbeispiel gab es Verzugsprobleme und Oberflächenfehler beim Einsatz eines anspruchsvollen Werkzeuges, einer 4-fach Kavität, für die Herstellung eines Bauteils aus dem Automobilsektor - hohe Ausschussvolumen und lange Zykluszeiten waren die Folge.

Bild 7: Verzugsprobleme und Oberflächenfehler einer 4-fach-Kavität links, Ausbalancierung des Fließverhaltens mittels MeltFlipper®-Technologie (rechts).
Bild 7: Verzugsprobleme und Oberflächenfehler einer 4-fach-Kavität links, Ausbalancierung des Fließverhaltens mittels MeltFlipper®-Technologie (rechts).
Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Werkzeuges wurde festgestellt, dass die Form nur maximal 75% ihrer Leistungsfähigkeit erreichte. Die Kosten für die Maschine, das eingesetzte Material und die Qualitätskontrolle überstiegen bei weitem ein annehmbares Maß zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Rentabilität. Die Vermutung lag nahe, dass das Problem in der Unbalanciertheit des Werkzeuges lag. Mittels einfacher Veränderungen des Verteiler mit der MeltFlipper®-Technologie konnten bei der Kavität die Füllvorgänge kontrolliert, beeinflusst und hinsichtlich eines gleichmäßigen Fließverhaltens optimiert werden (siehe Bild 7). Die rheologischen Kontrollmaßnahmen gewährleisteten gleichmäßige Materialeigenschaften in jeder Kavität und somit eine vollständige Leistungsauslastung des Werkzeuges. Gleichzeitig konnten die Kosten für die Maschine, Material, Wartung und Qualitätskontrollen erheblich gesenkt werden. Nachweislich erzielte der Kunde eine jährliche Kostenreduzierung von rund $ 32.470, bis zum Ende der Projektlaufzeit konnten somit fast $ 114.000 eingespart werden.


SimpaTec GmbH

Wurmbenden 15
52070 Aachen, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 241 565 28 28-0
Fax:   +49 (0) 241 565 28 28-9

Internet: www.simpatec.com


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