Fachartikel vom 08.08.2007

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Plasmagestützte Barrierebeschichtung von Kunststoffhohlkörpern

IKV-Fachtagung zur Oberflächentechnik:

W. Michaeli, D. Binkowski, F. v. Fragstein, Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen

Die plasmagestützte Barrierebeschichtung von Kunststoffen ist für PET-Getränkeflaschen bereits ein industriell etabliertes Verfahren. Für andere Materialien wie PP, PLA, PA u. Ä. gibt es dagegen kaum Erfahrungswerte, und eine Übertragung der Barrieretechnologie auf technische Bauteile ist bislang kaum erfolgt. Doch gerade dieser Sektor bietet ein großes Potenzial für den Einsatz der Plasmatechnologie. Die plasmagestützte Barrierebeschichtung sowie weitere Themen der Plasmatechnik werden ausführlich auf der Fachtagung "Oberflächentechnik - Kunststoffe behandeln und beschichten" am 11. und 12. September 2007 am Institut für Kunststoffverarbeitung in Aachen behandelt. Tagungsleiter und Moderator der Veranstaltung ist Dr. Hans-Georg Lotz, Applied Materials GmbH & Co. KG, Alzenau.



Das enorme Potenzial der Kunststoffe

Kunststoffe haben aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften und der zum Teil niedrigeren Produktions- und Verarbeitungskosten herkömmliche Werkstoffe in vielen Bereichen verdrängt. Dies gilt beispielsweise für die Substitution von Glas durch transparente Kunststoffe wie Polycarbonat (PC) und Polyethylenterephthalat (PET) in einer Vielzahl von Anwendungen. In jüngster Zeit findet ein weiterer Trend hin zu Kunststoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen wie z. B. Polylactid (PLA) statt. Es lassen sich aber auch für hochwertige Kunststoffe vielfältige Einsatzmöglichkeiten insbesondere im technischen Bereich aufzeigen. So wird Polyamid (PA) zunehmend im Automobilbereich zum Ersatz metallischer Werkstoffe eingesetzt. Nicht nur Zylinderkopfhauben, sondern auch temperaturbeständige und gegen verschiedene Medien resistente Leitungen können durch Kunststoffe wirtschaftlich ersetzt werden. Die Vorteile der Kunststoffe sind unter anderem die niedrige Dichte, die hohe Schlagzähigkeit und die Möglichkeit zur freien Formgebung im Produktionsverfahren.

Das Problem der Permeation

Ein Nachteil der Kunststoffe, der den Einsatzbereich bisher einschränkt, ist die unzureichende Sperrwirkung gegenüber flüssigen oder gasförmigen Medien, die im makromolekularen Aufbau des Polymers begründet ist. Der Stofftransport durch das Polymer hindurch wird als Permeation bezeichnet und folgt einem Partialdruckgefälle zwischen dem Kunststoffinneren und -äußeren. Die für die Anwendung maximal zulässige Permeation durch den Kunststoff gibt beispielsweise eine Mindestwanddicke vor, bzw. erfordert entsprechende Gegenmaßnahmen wie z. B. Barrieresysteme. Die Getränkeflasche aus Kunststoff ist ein anschauliches Beispiel für die Permeationsproblematik (Bild rechts, Quelle: SIG Plasmax GmbH). Kohlensäurehaltige Getränke, Fruchtsäfte, Biere und Tees stellen dabei unterschiedlich hohe Barriereanforderungen bezüglich Kohlensäure-, Aroma- und Wasserdampfverlust sowie bezüglich der maximal zulässigen Sauerstoffaufnahme. Insbesondere der Trend zu kleineren Flaschenvolumina, den so genannten Single-Serve-Gebinden, macht aufgrund des damit zunehmenden "Oberfläche zu Volumen"-Verhältnisses der Flaschen eine höhere Sperrwirkung gegen Permeation unabdingbar.

Plasmagestützte Beschichtung von technischen Bauteilen am IKV

Zur Erhöhung der Barriereeigenschaften bei Kunststoffen gibt es bereits vielfältige Möglichkeiten, wie z. B. Einstellung der Werkstoffeigenschaften (Kristallisation und Orientierung), Einsatz von Mehrschicht-Verbundmaterialien, Zugabe von Nanopartikeln, Spray- oder Dipcoating. Die plasmagestützte Abscheidung von Permeationssperrschichten auf Kunststoffhohlkörpern ist ein noch relativ junges Verfahren hinsichtlich ihrer industriellen Umsetzung. Das Verfahren wurde 1986 am IKV entwickelt, zum Patent angemeldet und seitdem stetig weiterentwickelt. Durch die Schichterzeugung in Niederdruckplasmen eignet sich das Verfahren der plasmagestützten Barrierebeschichtung besonders zur Ausrüstung temperaturempfindlicher Kunststoffe. Der Vielfalt von möglichen Schichten liegen einige gemeinsame Eigenschaften zugrunde. Die so genannten plasmapolymerisierten Schichten sind im Allgemeinen dreidimensional hochvernetzt. Darin liegt die hohe chemische und thermische Belastbarkeit sowie die mechanische Stabilität begründet. Schon bei geringen Schichtdicken von 0,1 µm verringern diese Schichten die Diffusion verschiedener Medien erheblich. Außerdem haften die plasmapolymerisierten Schichten gut auf unpolaren Oberflächen wie z. B. Polyethylen. Ein großer Vorteil der Schichtabscheidung im Plasma liegt darüber hinaus in der Ökonomie und Ökologie des Prozesses. Es sind nur sehr geringe Mengen an Prozessgas notwendig, die zudem in der Regel ungiftig sind und zum großen Teil im Prozess verbraucht werden. Da es sich um einen Vakuumprozess handelt, können gegebenenfalls anfallende Restgasmengen durch den notwendigerweise vorhandenen Pumpenstand ohne zusätzlichen Aufwand einer geeigneten Filteranlage zugeführt werden. Die Prozesse sind gut automatisierbar, und durch die hohen Abscheideraten in mikrowellenangeregten Plasmapolymerisationsprozessen können die Prozesszeiten sehr niedrig gehalten werden. Neben PET wurden am IKV auch weitere Materialien wie z. B. PE mit einer plasmapolymeren Barriereschicht ausgerüstet. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Technologie auch für die Barrierebeschichtung von Kunststoffkraftstoffbehältern eignet. Die Schicht ist langzeitstabil und behält über einen Prüfzeitraum von zwei Jahren ihre Sperrwirkung, die eine Permeationsreduktion bei Kraftstoffen auf unter 1,0 % ermöglicht. Die Innenbeschichtung wurde weiter optimiert, um sehr homogene Schichten auch bei komplizierten Geometrien abzuscheiden. Aus diesen Entwicklungen geht hervor, dass die Beschichtung von Kunststoffhohlkörpern durch Anregung eines Plasmas mit Mikrowellen hohe Abscheideraten und somit kurze und wirtschaftliche Zykluszeiten gewährleistet.

Ausblick

In verschiedenen bilateralen Industrieprojekten konnte am IKV die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf technische Hohlkörper und hochwertigere Kunststoffe nachgewiesen werden. So ist es durchaus üblich, Kunststoffe zur Kapselung von elektrischen Bauteilen wie beispielsweise Sensoren oder RFID-Transpondern einzusetzen. Diese Bauteile können mit der plasmagestützten Barrierebeschichtung effektiv vor Korrosion durch Feuchtigkeit oder Oxidation durch Sauerstoff geschützt werden. Die Plasmatechnologie zur Barrierebeschichtung verfügt über das entsprechende Potenzial, um den Materialeinsatz zu reduzieren oder teure Barrierewerkstoffe durch günstigere Materialien zu substituieren, ganz im Sinne der Wirtschaftlichkeit des Produkts. Die IKV-Fachtagung am 11. und 12. September 2007 gibt Antworten auf weitere Fragen.



Autoren

W. Michaeli, D. Binkowski, F. v. Fragstein
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Walter Michaeli, geb. 1946, ist Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen und Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV).

Dipl.-Ing. Dirk Binkowski, geb. 1976, ist seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Formteilauslegung/Werkstofftechnik des IKV und Gruppenleiter Plasmatechnologie/Oberflächentechnik.

Friederike v. Fragstein, M.Sc., geb. 1980, ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Formteilauslegung/Werkstofftechnik des IKV und Gruppenleiterin Plasmatechnologie/Oberflächentechnik.


Kontakt Fachtagung
Friederike v. Fragstein, M.Sc.
Tel. +49 (0) 241 80-28361
E-Mail: fragstein@ikv.rwth-aachen.de


Referenten der IKV-Fachtagung
11. - 12. September 2007, Aachen
Oberflächentechnik - Kunststoffe behandeln und beschichten

Vertreten sind neben Referenten des IKV anerkannte Experten des Fachgebiets Oberflächentechnik:

• Applied Materials GmbH & Co. KG, Alzenau
• Boehringer Ingelheim microParts GmbH, Dortmund
• Diener electronic GmbH + Co. KG, Nagold
• Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Bremen
• Freudenberg Forschungsdienste KG, Weinheim
• Institut für Niedertemperatur-Plasmaphysik (INP) e.V., Greifswald
• Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik (AEPT), Ruhr-Universität Bochum
• PLASMA ELECTRONIC GmbH, Neuenburg
• Saint-Gobain Sekurit Deutschland GmbH & Co. KG, Würselen
• SINGULUS TECHNOLOGIES AG, Kahl am Main
• TIGRES Dr. Gerstenberg GmbH, Rellingen

Details unter www.ikv-aachen.de


IKV - Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen

Seffenter Weg 201
52074 Aachen, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 241 80-93806
Fax:   +49 (0) 241 80-92262

Internet: www.ikv-aachen.de


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