Fachartikel vom 29.05.2012

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MIM Spritzgießsimulation: Hoch entwickelte Rheologie-Modelle bieten erheblich verbesserte Präzision

Dr.-Ing. Laura Florez, SIGMA Engineering GmbH

Die Ergebnisse eines industriellen Forschungsprojekts sind ein beeindruckender Beleg dafür, welche Präzision durch Spritzgießsimulationsmodelle erreichbar ist. Sie zeigen die Vorteile der hoch entwickelten Rheologie-Modelle und der durchgängigen 3D-Simulationstechnologie von SIGMASOFT®.

Die Vorteile einer Spritzgießsimulation mit Hilfe der SIGMASOFT®-Software von SIGMA Engineering GmbH sind in der MIM-Industrie bereits seit einigen Jahren bekannt, insbesondere wenn es darum geht, rheologische Vorgänge, wie Freistrahlbildung, Fließfrontausbreitung oder Fülldruck zu beschreiben. Es ist lange bekannt, dass Spritzgießsimulation während der Konstruktionsphase hilfreich ist, um Ineffizienz und technische Probleme bei der Produktentwicklung möglichst früh zu erkennen. Hierdurch verkürzt sich die Zeit bis zur Markteinführung signifikant. Darüber hinaus erlaubt der einzigartige prozessorientierte Simulationsansatz der SIGMASOFT®-Software die vollständige thermische Simulation des Spritzgießwerkzeuges und damit die detaillierte Abbildung des gesamten Spritzgieß-Prozesses. Aufgrund der hohen Temperaturempfindlichkeit des MIM-Feedstocks ist dies der entscheidende Faktor, um eine präzise Simulation für MIM und auch CIM Anwendungen zu ermöglichen. Durch die Integration erweiterter Rheologiemodelle aus einem industriellen Forschungsprojekt konnte die Genauigkeit der Fließsimulation weiter verbessert werden.

Bild 1: Vorhersage unterschiedlicher Fließprofile bei Anwendung eines Cross-WLF-Modells (oben) und eines Cross-WLF-Modells mit Herschel-Bulkley-Erweiterung (unten)
Bild 1: Vorhersage unterschiedlicher Fließprofile bei Anwendung eines Cross-WLF-Modells (oben) und eines Cross-WLF-Modells mit Herschel-Bulkley-Erweiterung (unten)
Zu Beginn setzten MIM-Anwender Simulationsmodelle ein, die für Thermoplaste entwickelt worden waren. MIM-Materialien haben jedoch ein stark abweichendes thermisches Verhalten: Im Vergleich zu einem typischen thermoplastischen Material ist ihre thermische Leitfähigkeit rund eine Größenordnung höher, und ihre Wärmekapazität erreicht häufig gerade ein Drittel. Das bedeutet, daß die MIM Materialien nur einen geringen Wärmeinhalt haben und diese geringe Wärme dann unmittelbar an das Werkzeug abgeben. Aufgrund der hohen Metallpulver-Belasdung. Die lokalen Temperaturen beeinflussen daher stark den Verarbeitungsprozess und der thermischen Werkzeugauslegung kommt eine entscheidende Bedeutung gerade auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Prozesses zu.

Spezifische MIM Richtlinien zur Formteilkonstruktion, Angusskonstruktion, und Werkzeugauslegung sind erforderlich. Die thermischen Vorgänge im Spritzgießwerkzeug müssen darüber hinaus präzise simuliert werden. „Die konventionelle Spritzgießsimulation lässt das tatsächliche Verhalten des Werkzeugs außer Acht”, erklärt Dr. Marco Thornagel, Prokurist der SIGMA Engineering GmbH. „Aufgrund des thermischen Verhaltens des MIM Feedstocks ist die Konstruktion des Spritzgießwerkzeugs ein bestimmender Faktor für die Verarbeitbarkeit, die Zykluszeiten und die Qualität des Grünlings. Die Simulation muss diesen Faktoren Rechnung tragen und die Wechselwirkung zwischen Material und den thermisch relevanten Komponenten des Werkzeugs berechnen. Anderenfalls produziert die Simulation keine relevanten Ergebnisse.“

Rheologie: MIM-Materialien sind keine Thermoplaste
Grundsätzlich ist die Rheologie die bestimmende Größe für Produktqualität und Verarbeitbarkeit. Der Schwerpunkt der Studie lag daher auf der Messung und Modellierung der Viskosität zur Eingabe in die Simulationsrechnung. Messungen mit einem Kapillarrheometer bei unterschiedlichen Schergeschwindigkeiten sowie mit einem CSS (controlled shear stress)-Rheometer haben gezeigt, dass, anders als bei konventionellen Thermoplasten, bei MIM-Materialien kein Newtonisches Plateau besteht. Die Viskosität zeigt jedoch einen Anstieg bei niedrigeren Schergeschwindigkeiten. Die rheologischen Modelle, die von standardmäßig verfügbarer Software zur Spritzgießsimulation verwendet werden, sind ungeeignet, diesen Effekt vorauszusagen.

Bild 2: Vergleich der Vorhersagen zur Temperaturverteilung in Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizienten (oben) und Validation des Fließverhaltens in Simulation und Realität (unten)
Bild 2: Vergleich der Vorhersagen zur Temperaturverteilung in Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizienten (oben) und Validation des Fließverhaltens in Simulation und Realität (unten)
Durch den Viskositätsanstieg bei niedrigen Schergeschwindigkeiten ähnelt das Verhalten des MIM Feedstocks im Bereich niedriger Schergeschwindigkeit eher dem eines Feststoffs, als dem einer Kunststoffschmelze. „Viele meinen, dass diese niedrigen Schergeschwindigkeiten letztlich im Formteil gar nicht auftreten“, erklärt Dr. Thornagel. „Bedenkt man jedoch die Verteilung der Schergeschwindigkeit über den Fließkanal, dann wird klar, dass sehr niedrige Schergeschwindigkeiten überall im Angusskanal, Anguss und in der Kavität zu finden sind. Was den Einfluss dieser Schergeschwindigkeiten auf die Simulationsergebnisse und den Werkzeugfüllvorgang betrifft, so ist dieser bei typischen Thermoplastschmelzen gering. Für MIM-Materialien ist diese Wirkung jedoch entscheidend.“ Die Unterschiede im Fließprofil zwischen konventionellen Thermoplasten und MIMMaterialien wird in Bild 1 sichtbar. Das Ergebnis bei der Anwendung von MIM-Materialien ist
ein gegenüber thermoplastischen Materialien abgeflachtes Geschwindigkeitsprofil, auch bekannt als Pfropfenströmung. Die gesamte Scherbelastung konzentriert sich auf eine sehr dünne Schicht in der Nähe der Werkzeugwand, das Material „rutscht“ an dieser niedrigviskosen Schicht, was zum typischen Phänomen der Freistrahlbildung führt.

Ein Modell auf der Basis des Cross-WLF Viskositätsmodells mit Herschel Bulkey-Erweiterung konnte präzise das Viskositätsverhalten bei Anwendung von MIM-Materialien über den gesamten Messbereich der Schergeschwindigkeit vorhersagen, und wurde in SIGMASOFT® integriert. Zur Validierung des Modells wurde ein leiterförmiges Werkzeug eingesetzt, siehe Bild 2. Das Cross-WLF-Modell mit Herschel-Bulkley-Erweiterung zeigte hier ausgezeichnete Ergebnisse bezüglich Füllverhalten und Fülldruck. Die Temperaturergebnisse werden zudem durch den Wärmeübergangskoeffizienten zwischen Feedstock und Werkzeug beeinflusst. Auch an dieser Stelle gelten andere Bedingungen als bei der Simulation von Thermoplasten.


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