Fachartikel vom 14.07.2017

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Charakterisierung der Eigenschaften additiv gefertigter Bauteile im FLM-Verfahren

Prof. Dr. Roger Weinlein, Jens Butzke, Antje Ludanek, Vivienne Franz, Thomas Birr, Jan Schuhmacher, Abid Ahmad Khan, Institut für Kunststofftechnik Darmstadt ikd

Das Forschungsprojket „FLM mit Dünnen Filamenten“ befasst sich mit der Fertigung von Prototypen mittels Fused Filament Fabrication. (FFF). Beim Fused Layer Manufacturing/Modeling, also dem FLM-Verfahren, werden Modelle aus thermoplastischem Draht (Filament) additiv gefertigt (siehe Abbildung 1). FFF Anlagen werden bereits seit über 20 Jahren im Industriebereich eingesetzt. Seit ca. 10 Jahren befasst sich eine stark wachsende DIY Community („Do It Yourself“) mit der Entwicklung und dem Bau von low-cost Anlagen im open source Bereich. Diese DIY-Technologie ist mittlerweile soweit entwickelt, dass erste plug and play Anlagen für den Haushaltsgebrauch beworben werden. Das Forschungsprojekt beinhaltet die Erforschung und Quantifizierung der Einflussgrößen auf die Bauteileigenschaften und die Steigerung der Reproduzierbarkeit dieser DIY Anlagen.

Abbildung 1: Schema FFF Verfahren [Bildquelle: additively.com]
Abbildung 1: Schema FFF Verfahren [Bildquelle: additively.com]
Zielsetzung

Ziel dieses Projektes ist es, die bestehende Gerätetechnik im open source Bereich so zu verbessern, dass ein Vergleich von low-cost Geräten mit den gängigen Industriegeräten erfolgen kann. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird die Verwendung von Stützmaterial während des Fertigungsprozesses, sowie eine Erweiterung der Materialpalette angestrebt. Darüber hinaus gilt es zu evaluieren, welche Vorteile und Möglichkeiten das FFF Verfahren in Vergleich zu spritzgegossenen Bauteilen aufweist.

Im Rahmen des Projektes werden zunächst Probekörper auf unterschiedlichen FFF Anlagen additiv gefertigt und miteinander verglichen. Das Hauptaugenmerk liegt hier in der Untersuchung der mechanischen und fertigungsrelevanten Eigenschaften wie Maßhaltigkeit und Verzug. Ziel des Forschungsprojektes ist es ebenfalls, im generativen Fertigungsverfahren hergestellte Probekörper mit spritzgegossenen Probekörpern zu vergleichen.


Methodisches Vorgehen

Das Labor für generative Fertigungsverfahren des Instituts für Kunststofftechnik in Darmstadt ist im Besitz von unterschiedlichen Fertigungsanlagen zur Herstellung von Prototypen im FFF Verfahren.

Zur Erzeugung eines realen physikalischen Modells mit den Methoden des Additive Manufacturing (AM) wird das virtuelle Computermodell mathematisch in gleich dicke (etwa 0,2 mm) Schichten zerschnitten (“Slicing“). Die Konturinformationen können dann einer generativen Fertigungsanlage in Form eines Gcode zugeführt werden. Das CAD-Modell, inklusive der exakten äußeren und inneren Umrandung, wird Schicht für Schicht (entlang der Hochachse) in ein dreidimensionales Bauteil umgesetzt.

Abbildung 2: Stranglage und Vorzugsrichtung [Bildquelle: 3D-Schilling]
Abbildung 2: Stranglage und Vorzugsrichtung [Bildquelle: 3D-Schilling]
Die Lage der abgelegten Kunststoffstränge kann schematisch in 3 Vorzugsrichtungen aufgeteilt werden (siehe Abbildung 2). Eine Grenze des Verfahrens stellt die im Bauteil darstellbare Auflösung bzw. Feinheit der Oberfläche dar. Um eine verbesserte Oberflächengüte erzielen zu können, müsste man u.a. die Strangbreite B verkleinern. Um die Strangbreite zu verkleinern kann z.B. der Düsendurchmesser reduziert werden. Eine Verkleinerung des Düsendurchmessers führt jedoch unweigerlich zu einem starken Druckanstieg in der Extrusionsdüse. Da diese Druckerhöhung nur durch die auf das Filament wirkende Vorschubkraft überwunden werden kann, ist die Wahl sehr kleiner Düsendurchmesser < 0,3 mm derzeit nur bedingt möglich. Ein Druckanstieg in der Düse führt zudem zu unkontrollierbaren Auslaufeffekten des Stranges (Strangschwellen) aus der Düse.

Um die Bauteileigenschaften quantifizieren zu können wird angestrebt genormte oder etablierte Prüfkörper zum Test der mechanischen Eigenschaften, sowie dem Schwindungsverhalten, heranzuziehen. Bei optimalen Baubedingungen sind schon heute Festigkeitswerte von ca. 80% gegenüber dem Spritzgießen realisierbar. Die erreichbaren Festigkeitswerte sind vorwiegend abhängig vom eingesetzten Material, sowie der Parametrierung des Bauprozesses.

Eine zentrale Bedeutung kommt der Reproduzierbarkeit der Fertigungsanlage zu. Nachdem die Bauteileigenschaften mit spritzgegossenen Probekörpern verglichen wurden, gilt es die Reproduzierbarkeit der erhaltenen Ergebnisse sicherzustellen. Hierbei kommt dem Fundament des additiv gefertigten Bauteils eine wesentliche Bedeutung zu. Eine FFF-Anlage bedient sich i.d.R. 3 gängiger Methoden zur Generierung des Fundamentes:
  • Verwendung eines temperierten Druckbettes
  • Verwendung von Stützmaterial und Stützstrukturen
  • Verwendung von speziellen Druckplatten

Das Erzeugen der ersten Bauteilschicht ist der Erzeugung des Fundamentes gleichzusetzen - Eine FFF Anlage kann erst dann reproduzierbare Qualitäten erstellen, sobald es gelingt ein Fundament, also mindestens die erste Bauteilschicht, immer wieder in gleicher Weise zu fertigen.


Zentrale Ergebnisse

Die Lage der einzelnen Stränge im Bauteil zueinander (X-,Y-,Z-Richtung) beeinflusst vordergründig:
  • Das Schwindungsverhalten des Bauteils während des Bauprozess und während der Abkühlphase auf Umgebungstemperatur
  • Die mechanische Festigkeit des Bauteils während des Bauprozesses und im erkalteten Zustand

Abbildung 3: Einzelne Schichten eines FFF-Bauteils
Abbildung 3: Einzelne Schichten eines FFF-Bauteils
Bei dem Schichtmodell in Abbildung 2 handelt es sich um ein theoretisches Modell, bei dem die Stränge im 90°-Winkel zueinander angeordnet sind. Die Zugkraft Fy, die entlang des Stranges aufgebracht werden kann, ist im Bauteil maximal, da die Festigkeit näherungsweise der Festigkeit des verarbeiten Filaments entspricht. Die vom Bauteil in Z-Richtung übertragbare Kraft Fz hängt im Wesentlichen von der Breite der Überlappung B sowie der Fügetemperatur der übereinanderliegenden Schichten ab. Da die Verarbeitung bei Umgebungsdruck stattfindet, sind einer Verbesserung der Fügenaht durch Aufbringung eines Fügedruckes deutlich Grenzen gesetzt. Die im Modell gezeigte Kraft Fx ist innerhalb einer Schicht minimal. Aufgrund der elliptischen Form des Stranges kann die Kontaktfläche zum nächstliegenden Strang sehr klein bemessen sein – da die Festigkeit in MPa proportional zur übertragbaren Kraft N und zur Kontaktfläche in mm² ist, ist somit die Festigkeit in Richtung Fx gering. Ebenso wie die Festigkeit ist auch die Schwindung im Bauteil, aufgrund der anisotropen Lage der einzelnen Stränge, stark unterschiedlich. Die Lage der einzelnen Schichten im finalen Bauteil kann unter dem Lichtmikroskop aufgezeigt werden (siehe Abbildung 3).

Die Forschungsarbeiten wurden über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM, Förderkennzeichen: KF2597610VT3) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.


Institut für Kunststofftechnik Darmstadt ikd

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