Fachartikel vom 06.02.2018

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Kostengünstig Leichtbauteile spritzgießen

Verfahrenskombinationen von Zwei-K-Sandwichspritzguss von Technischen Thermoplasten und leichten Schäumen

Dipl.-Ing. Annerose Hüttl, KUZ - Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH

Durch eine neue Verfahrenskombination aus Zwei-Komponenten-Sandwichspritzgießen von Metallersatzkunststoffen mit leichten Schäumen ist eine wirtschaftliche Herstellung von Leichtbauteilen in der Großserie möglich.

Abb. 1: Materialaufbau der Sandwichteile
Abb. 1: Materialaufbau der Sandwichteile
Die Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH (KUZ) entwickelte sandwichartig aufgebaute Leichtbauteile (siehe Abb. 1) als Demonstratoren für flächige, schalenförmige Anwendungen mit tragender oder lastaufnehmender Funktion. Ihre besondere Eigenschaft ist ihre höhere gewichtsspezifische Biegesteifigkeit im Vergleich zu einem Bauteil aus kompaktem Material. Dies wiederum bewirkt einen deutlichen Leichtbaueffekt. Die Leichtbauteile sind für viele neue Anwendungen interessant: Verringerung bewegter Massen bei mobilen Systemen, Anwendungen im allgemeinen Maschinenbau und technische Bauteile mit tragender Funktion.

In Abb. 1 wird der Sandwichaufbau verdeutlicht. Die Haut- und Kernschicht besteht jeweils aus zwei unterschiedlichen Thermoplasten. Die Hautschicht besteht aus verstärkten hoch festen Compounds, die dem Sandwichaufbau die nötige Festigkeit verleihen. Die Gewichtseinsparung resultiert aus der Schaumstruktur im Inneren des Bauteils. Der Schaum besteht aus einem kompatiblen unverstärkten Thermoplast und kann entweder durch chemisches Treibmittel oder durch physikalische Begasung erzeugt werden.

Abb. 2: Unten: Visualisierung der Ergebnisse aus der Spritzgießsimulation, Oben: Praxisvergleich des KUZ
Abb. 2: Unten: Visualisierung der Ergebnisse aus der Spritzgießsimulation, Oben: Praxisvergleich des KUZ

Simulation und Praxis

Eine spezielle schaumgerechte Rippengeometrie, die in einem bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt entwickelt wurde, bildet die Basis für eine auf industrielle Bauteile anwendbare flächige Rippenstruktur. Festigkeits- und Spritzgießsimulationen, jeweils im Vergleich zum kompakten ungeschäumten Bauteil, zeigen bereits im Vorfeld Vorteile bezüglich des Leichtbaus sowie die spritzgießtechnische Machbarkeit (siehe Abb. 2). Führende Anbieter von Spritzgießsimulationssoftware haben daher ihr Angebot um spezielle Module für das thermoplastische Schaumspritzgießen erweitert. Da sich die Softwaremodule der verschiedenen Anbieter noch im Aufbau bzw. in der Optimierungsphase befinden, werden am KUZ Simulationsbenchmarks mit Praxisvergleichen durchgeführt.


Passende Kombinationen für stabile Serienproduktion

Abb. 3: Mit dem am KUZ entwickelten Online-Flachschlitz-Rheometer werden Viskositätskurven der Hautschicht und der geschäumten Kernschicht ermittelt
Abb. 3: Mit dem am KUZ entwickelten Online-Flachschlitz-Rheometer werden Viskositätskurven der Hautschicht und der geschäumten Kernschicht ermittelt
Stoffliche und rheologische Kompatibilität sind Vorrausetzungen für eine stabile Serienproduktion. Die stoffliche Kompatibilität wird mit einem 2K-Zugstab bestimmt, bei dem die beiden Schmelzen von zwei getrennten Aggregaten im Prüfkörperwerkzeug zusammengeführt werden. Die Abzugskraft, die im anschließenden Zugversuch geprüft wird, sowie das Erscheinungsbild des Bruchs sind ein Maß für die Haftung der beiden Komponenten. Nur Kombinationen mit hoher Abzugskraft und Kohäsionsbruch werden für die Serienproduktion ausgewählt.

Aber nicht jede kompatible Haut-Kern-Kombination läuft problemlos in Serie. Auch die rheologische Kompatibilität entscheidet über eine problemlose Serienproduktion. Daher bestimmt das KUZ die Fließkurven sowohl des Hautmaterials als auch des geschäumten Kernmaterials unter Produktionsbedingungen. Das dafür verwendete Spritzgießrheometer ist eine Inhouse-Entwicklung und wird direkt an der Verarbeitungsmaschine angebracht (siehe Abb. 3). Die Fließkurven dienen als wichtige Grundlage für die Materialauswahl.


Werkstoff-Kombinationen für die Serienproduktion

Die Herstellung von Demonstrator-Formteilen mit unterschiedlichen Materialkombinationen veranschaulicht die Eignung der Verfahrenskombination für Leichtbauanwendungen verschiedener Anwendungsbereiche. Hier einige Praxisbeispiele:

    Abb. 4: Das Sandwichbauteil aus PA/PP-Compound mit Verstärkung aus Sekundär-Kohlefasern und 3M® Glass Bubbles hat eine Gesamtbauteildichte von 0,77 g/cm³
    Abb. 4: Das Sandwichbauteil aus PA/PP-Compound mit Verstärkung aus Sekundär-Kohlefasern und 3M® Glass Bubbles hat eine Gesamtbauteildichte von 0,77 g/cm³
  • Das PA/PP-Compound Akromid A3ICF20 4 L der Akro-Plastic GmbH ist mit Sekundär-Kohlefasern verstärkt. Durch den Anteil an PP sinkt die Neigung zur Feuchtigkeitsaufnahme und zusätzlich wird die Dichte reduziert. Durch die zusätzliche Einarbeitung von 3MTM Glass Bubbles, Glashohlkugeln aus Borosilikatglas, konnte die Dichte des Compounds auf nur noch 1,02 g/cm³ gesenkt werden und das bei einem Zug E-Modul von 10.700 MPa im trockenen Zustand und einer Bruchspannung von 112 MPa. Das Compound lässt sich unproblematisch in Kombination mit einem Schaum aus unverstärktem PP verarbeiten
    (siehe Abb. 4).
    Die Haftung zwischen Haut- und Kernschicht, ein kritischer Punkt bei der Herstellung der Sandwichbauteile, funktioniert gut - dank des PP-Anteils des Compounds. Die Verwendung von Sekundärkohlefasern in der Hautschicht sowie der leichte Schaum in Inneren führen zu einem preislich attraktiven Leichtbauteil von hoher Steifigkeit.

  • Der Metallersatzkunststoff Terez GT3 der Ter Hell Plastic GmbH wurde mit einem geschäumten PA6.6 zu einem Leichtbauteil mit einer Dichte von 1,02 g/cm³ verarbeitet. Terez GT3 hat eine hohe Festigkeit von 10.000 bis 21.500 MPa je nach Materialtyp und nimmt im Vergleich zu Standard-PA6.6-Typen weniger Feuchtigkeit auf, was die Maßhaltigkeit der Leichtbauteile positiv beeinflusst.

  • Da Metallersatzkunststoff sehr kostenintensiv sind, ist in industriellen Anwendungen der Einsatz von PP geläufig. Eine Anwendung im Bereich automotive erforderte eine lackierbare Hautschicht aus unverstärktem PP/EPDM (siehe Abb. 5). Bei dieser Anwendung übernimmt die Kernschicht die tragende Funktion. Sie besteht aus einem geschäumten langglasfaserverstärkten PP.


Industrielle Anwendungen
Abb. 5: Lackiertes Sandwichbauteil
Abb. 5: Lackiertes Sandwichbauteil

Projektbegleitend werden weitere kundenspezifische Applikationen entwickelt. Prädestiniert sind verrippte, flächige, plattenartige oder schalenförmige Bauteile mit tragender Funktion, die biegesteif sein müssen. Beispiele im Bereich Automotive sind: Front-End-Träger, Säulenverkleidung, Schwellerverkleidung, Batterieträger, Haube für Zylinderkopf, Verdeckkastendeckel, Trittstufenverkleidung, Sitzschale, Kofferboden, Heckspoiler. Beispiele für technische Anwendungen sind: Hochfeste flächige Gehäuse, Aufbauten für Roboterköpfe, bewegte Schließmechanismen, schnell rotierende Maschinenelemente.

Unter Beachtung der stofflichen und rheologischen Kompatibilität sind geometrieabhängig Haut- zu Kernschichtanteile von 30:70, maximal 20:80 erreichbar. Die Kernschichtdichten liegen bei ca. 0,5 g/cm³ oder noch darunter. Die so erzielten Gewichtsreduzierungen liegen im Bereich von 25 bis 45%, je nach Materialpaarung.

Das KUZ entwickelt technische Prozesse für Leichtbaulösungen und führt kundenspezifische Spritzgießsimulationen durch. Hierzu gehören die Entwicklung von Materialpaarungen und Rezepturen sowie Belastungssimulationen von 1K- und 2K-Bauteilen.


KUZ - Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH

Erich-Zeigner-Allee 44
04229 Leipzig, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 341 4941-500
Fax:   +49 (0) 341 4941-555
Email: huettl@kuz-leipzig.de

Internet: www.kuz-leipzig.de


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