11.10.2016, 06:00 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten |
Aus Abfällen der Papierproduktion lassen sich hochwertige Kunststoffe herstellen. Wie das geht, haben Fraunhofer-Forscher herausgefunden. Die Funktionsweise ihres umweltfreundlichen Produktionsverfahrens demonstrieren sie auf der K 2016 am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 7, Stand SC01. Verschiedene Rohstoffe als Grundbausteine für Kunststoffe Auch wenn sich die Ölpreise im Sinkflug befinden, sind fossile Grundstoffe in der Kunststoffherstellung kein zukunftsweisender Weg. Zumal es in Zeiten des Klimawandels darum gehen muss, so wenig Kohlendioxid wie möglich freizusetzen und das Wirtschaften nachhaltiger zu gestalten – etwa, indem vermehrt nachwachsende Rohstoffe genutzt werden. Dabei lassen sich aus pflanzlicher Biomasse aufgrund der Vielfalt an chemischen Strukturen auch neue Chemikalien und Polymere mit herausragenden Eigenschaften gewinnen, wie das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB zeigt. Den Straubinger Forschern geht es nicht um kompostierbare Plastiktüten, sondern um stabile High-Performance-Kunststoffe für spezielle Anwendungen, die sich umweltfreundlich herstellen lassen. An dem Straubinger Institutsteil BioCat des IGB, das Professor Volker Sieber leitet, wurden Verfahren für die Umwandlung von Terpenen, sprich Reststoffen der Cellulosegewinnung aus Holz, zu Biotensiden, biobasierten Epoxiden oder Monomeren für besonders schlagfeste, kältestabile Polyamide entwickelt "Diese Hochleistungspolyamide der terpenbasierten Monomere Campherlactam und Caranlactam weisen aufgrund ihrer amorphen Eigenschaften eine hohe Transparenz auf", erklärt Projektleiter Dr. Harald Strittmatter. "So werden neue Anwendungen, etwa für Skibrillen oder Visiere von Helmen, möglich." Aus den biobasierten Polyamiden lassen sich aber auch Produkte wie Folien, Textilien oder Klebstoffe herstellen. Enzyme und unbedenkliche Stoffe ersetzen Chemikalien Warum greifen die Fraunhofer-Forscher ausgerechnet zu Terpenen? "Sie sind ein nachwachsender Rohstoff, der als Abfallstoff der Zellstoffproduktion, aber auch in der Fruchtsaftindustrie in großen Mengen anfällt. Damit gibt es keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, wodurch sich die Teller-Tank-Diskussion erübrigt", erläutert Strittmatter. Bislang werden diese Abfälle meist verbrannt. Das sei auch insofern unbefriedigend, als die chemische Struktur von Terpenen in ihrer Komplexität äußerst interessant sei. "Entsprechende Verbindungen können aus fossilen Grundstoffen nur sehr aufwändig hergestellt werden", sagt der Projektleiter. Die besondere Terpen-Struktur ermöglicht Polyamide mit speziellen Eigenschaften, wie der hohen Durchsichtigkeit, herzustellen. Hierfür müssen die Terpene chemisch modifiziert werden. Durch Oxidation wird eine sogenannte Carbonylgruppe eingeführt, die in einer weiteren Reaktionsstufe zu einem Lactam, dem Monomerbaustein für Polyamide, umgesetzt werden kann. Auch hier zeigt das Fraunhofer-Verfahren Vorteile: Es sind weniger Syntheseschritte als üblicherweise erforderlich. Vor allem aber: "Wir verwenden statt heikler Chemikalien Enzyme und andere unbedenkliche Stoffe", betont Strittmatter. Bislang werden die biobasierten Kunststoffe noch im Labormaßstab hergestellt. Ziel ist es, das Verfahren in den Produktionsmaßstab zu überführen. Strittmatter und sein Team verfolgen aber noch eine weit größere Absicht: "Wir wollen einen Beitrag zur Biologisierung der Wirtschaft leisten." Was sind Terpene? Terpene sind Kohlenwasserstoffe. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort terpein ab, zu Deutsch »erfreuen« – ein Hinweis darauf, dass viele Terpene angenehm aromatisch duften. Man denke nur an Terpentin, das meist als Lösemittel für Harz und Lacke verwendet wird. Terpene sind in der Pflanzenwelt weit verbreitet und vor allem ein Bestandteil von harzreichem Holz. Aber auch Löwenzahn, Gummibäume und Gewürze wie Anis, Gewürznelken, Muskat, Kardamom, Zimt und Piment enthalten den Stoff. Leicht flüchtige Terpene bezeichnet man als ätherische Öle, die unter anderem aus den Schalen von Zitrusfrüchten gewonnen werden, etwa bei der Herstellung von Orangensaft oder Dosenobst. Polyamide aus 3-Caren Polyamid 6 (PA6) gilt als eines der wichtigsten Polyamide. Es wird vor allem für höherwertige Materialien eingesetzt, etwa im Fahrzeugbau. Im Gegensatz zu aus fossilen Bestandteilen hergestellten Kunststoffen ist ein aus dem Terpen 3-Caren synthetisiertes und polymerisiertes Derivat von PA6 deutlich durchsichtiger, wodurch es sich für neue und hochwertigere Anwendungen, etwa Visiere von Motorradhelmen, empfiehlt. Weitere Informationen: www.igb.fraunhofer.de K 2016, 19.–26.10.2016, Düsseldorf, Halle 7, Stand SC01 |
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart
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