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12.03.2019, 06:00 Uhr | Lesedauer: ca. 5 Minuten    

Kunststoffe für den Leichtbau

Stapelfaserhybridgarne der DITF aus recycelten KohlenstoffFasern - (Bild: IKT).
Stapelfaserhybridgarne der DITF aus recycelten KohlenstoffFasern - (Bild: IKT).
Im Sinne eines ressourcenschonenden Umgangs mit unserer Umwelt ist es insbesondere von Bedeutung, die sehr guten spezifischen mechanischen Eigenschaften und das damit einhergehende hervorragende Leichtbaupotenzial von Kunststoffen und Kunststoffverbunden zu nutzen. Kunststoffverbunde bieten vor allem im Transportwesen deutliche Möglichkeiten der Gewichts- und Energieeinsparung. An der Universität Stuttgart wird dementsprechend umfangreich an Leichtbaulösungen auf Basis von Kunststoffen geforscht.

Das Potenzial von Faserkunststoffverbunden (FKV) kann nur ausgenutzt werden, wenn die effiziente Verarbeitung gelingt. Hierfür bieten sich FKV mit thermoplastischer Matrix besonders an. Daher wird thermoplastischen FKV am Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart (IKT) besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So erforscht das IKT eine neue Methode zur Erwärmung von endlosfaserverstärkten thermoplastischen Halbzeugen (Organoblechen) durch Joule‘sche Wärme. Die Halbzeuge werden dabei direkt bestromt und elektrische Verluste in Wärme umgesetzt. Diese Vorgehensweise erlaubt ein effizientes und schnelles Aufheizen für die weitere Verarbeitung. Gegenstand aktueller Forschung sind die Bauteilkomplexität und die Gestaltung der Kontaktierung, da diese maßgeblichen Einfluss auf das Erwärmungsverhalten haben.

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Thermoplastische FKV erweisen sich in der Verarbeitung hauptsächlich durch die hohen Schmelzeviskositäten der Thermoplaste als schwierig. Deshalb wird am IKT die In-Situ-Pultrusion mit Polyamid als Verfahrensvariante erforscht. Die geringe Viskosität der Grundbausteine erlaubt eine gute Benetzung und Infiltration der Faserbänder, bevor sie zum Thermoplast Polyamid reagieren. Gleichzeitig garantiert ein Vorwärmen der Fasern eine stabile Prozessführung mit hoher Reaktionsrate und einem resultierenden geringen Monomergehalt. Das Verfahren wurde außerdem am IKT erstmals simulativ untersucht. Hierdurch kann das Prozessfenster besser bestimmt und der Versuchsaufwand deutlich reduziert werden. die Fasern werden dabei als bewegte poröse Medien mit bestimmter Permeabilität abgebildet.

Faserkunststoffverbunde werden wegen ihrer hohen spezifischen Festigkeit und Steifigkeit in lastragenden Strukturbauteilen eingesetzt. Um ein unvorhergesehenes Bauteilversagen zu verhindern, muss frühzeitig nach Defekten gesucht werden, die sich unter Last zu einem größeren Schaden ausbreiten könnten. Impactschäden sind von außen häufig nicht sichtbar, können im inneren aber große Schichtablösungen (Delaminationen u.a.) verursachen. Am IKT wird an zerstörungsfreien Prüfverfahren geforscht, um Schäden in Faserkunststoffverbunden frühzeitig zu erkennen und somit Bauteile sicherer zu machen.

Ein zerstörungsfreies Prüfverfahren, das am IKT untersucht wird, ist der luftgekoppelte Ultraschall. Delaminationen, Impactschäden oder Einschlüsse können mit diesem Verfahren gefunden werden. Über einen Prüfkopf werden akustische Wellen koppelmittelfrei durch die Luft im Bauteil angeregt. Diese werden auf der Anregungsseite oder auf der gegenüberliegenden Seite wieder an die Umgebung abgestrahlt. Ein Rückschluss auf Defekte ist anhand der Amplituden- und Phasenänderung der Schallwelle durch das Bauteil möglich. In einem Forschungsprojekt, hat das IKT zusammen mit der ACS-Solutions GmbH ein inline Prüfsystem für die Prüfung pultrudierter CFK-Tapes entwickelt. Mit einem ähnlichen Verfahren ist auch die automatisierte Prüfung von Pultrudaten in einer Pultrusionslinie möglich.

Die Thermografieprüfung ist im Gegensatz zur Ultraschallprüfung ein schnelles Prüfverfahren für großflächige, dünne Bauteile. Durch äußere Anregung wird ein Wärmefluss im Bauteil erzeugt, der bei Inhomogenitäten wie beispielsweise Delaminationen, Fremdkörpern oder Rissen zu einer inhomogenen Wärmeverteilung an der Bauteiloberfläche führt. Defekte können über eine flächige Erfassung der Wärmestrahlung durch eine Thermografiekamera erfasst werden. In einem Kooperationsprojekt mit der edevis GmbH hat das IKT ein Prüfgerät entwickelt, das ein Bauteil akustisch anregt und mittels eines Projektors die Prüfergebnisse automatisiert auf die Bauteiloberfläche projiziert.

Bei der Shearografie wird mit einem aufgeweiteten Laserstahl ein sogenanntes Specklemuster auf der Bauteiloberfläche erzeugt. Dieses Specklemuster kommt durch geringfügige Bauteilunebenheiten zustande und ist sehr empfindlich auf kleinste Längenänderungen der Bauteiloberfläche. Deformationen durch Erwärmung um wenige Kelvin können hiermit registriert werden. Durch Überlagerung eines Specklebilds vor der Erwärmung und nach der Erwärmung können Defekte sichtbar gemacht werden. Am Institut für Kunststofftechnik wird an einer Methode geforscht, um Shearografieergebnisse mit Daten aus anderen zerstörungsfreien Prüfverfahren zu fusionieren, um einen größeren Erkenntnisgewinn über Bauteildefekte zu generieren.

Da FKV ein hohes Potenzial für die Auslegung und Gestaltung von energieeffizienten Leichtbaustrukturen bergen, die Problematik ihres Recyclings jedoch bisher nicht vollständig gelöst ist, arbeiten die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) an neuen Prozesskonzepten zur Verwertung von Rezyklatfasern. Dazu werden die Fasern schonend mit hohem Orientierungsgrad zu textilen Halbzeugen wie bispielsweise Garn und Tape aufbereitet, ohne die mechanischen Eigenschaften im Vergleich zu Neuware drastisch zu beeinträchtigen. Der Faservolumenanteil der Halbzeuge ist frei einstellbar und kann bis zu 100 Prozent Kohlenstofffaser betragen.

Das Institut für Flugzeugbau (IFB) ergründet neue Wege zur automatisierten Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen. Mit dem Advanced Ply Placement wird ein Verfahren vorgestellt, welches die automatisierte Ablage breiter unidirektionaler Faserhalbzeuge ermöglicht. Durch einen innovativen Drapieransatz wird die Ablage auf komplexen mehrfachgekrümmten Oberflächen ermöglicht. Auf dem 26. Stuttgarter Kunststoffkolloquium werden aktuelle Forschungsvorhaben vorgestellt und Abgrenzungen zu bekannten Produktionsverfahren gezogen. Das weltweit patentierte TowPreg Infiltrationsverfahren erlaubt die Herstellung individueller vorimprägnierter Fasern (z.B. Kohlenstoff- oder Glasfasern). Die Auswahl des Matrixsystems kann hierbei ebenfalls in weiten Grenzen bedarfsgerecht mit den Fasern kombiniert werden. Damit ergeben sich vielfältige neue Anwendungen, welche bisher so nicht umsetzbar waren.

Das IFB beschäftigt sich außerdem mit der Integration von Kohlenstoffkurzfasern in einem stereolithografischen Flächenbelichtungsverfahren. Hierbei werden u.a. die Anpassungen der Belichtungsdosen und der Nachbehandlungsverfahren zur vollständigen Vernetzung der polymeren Matrix erörtert. Weiterhin wird an einer numerischen Permeabilitätsvorhersage von Faserkunststoffverbunden mittels OpenFOAM geforscht. Aktuell werden für Füllsimulationen fast ausschließlich planare Permeabilitätswerte verwendet, da eine endkonturnahe Bestimmung im Werkzeug nur unter hohem Aufwand und für jedes Bauteil neu bestimmt werden müsste. Am IFB wird der neue Ansatz verfolgt, den Lagenaufbau des Zielbauteils mesoskopisch abzubilden und virtuell mittels CFD-Löser zu durchströmen. Hierbei kann auch der Dual-Scale-Effekt, also das Umströmen und Durchströmen einzelner Rovings simuliert werden.

Diese und weitere aktuelle Forschungsaktivitäten und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hochleistungsextrusion werden im Rahmen des 26. Stuttgarter Kunststoff-Kolloquiums vorgestellt.

Weitere Informationen:
www.kunststoffkolloquium.de, www.ikt.uni-stuttgart.de

26. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, 27.-28. März 2019, Stuttgart

Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT), Stuttgart

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