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Vom Mikrospritzguss zum Mikrospritzprägen – Umsetzung des Verfahrens für kleine Dimensionen Steffen Jacob, KUZ - Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH Das Mikrospritzgießen stellt eines der wichtigsten Verfahren zur Herstellung von mikrostrukturierten Bauteilen und singulären Mikroteilen aus Polymerwerkstoffen dar. Jedoch treten bei der Spritzgießfertigung Nachteile vor allem durch Werkzeuginnendruckunterschiede auf, die zu Einfallstellen, Bauteilverzug, Anisotropien oder auch zur Schädigung von zu umspritzenden Einlegeteilen führen. Zur Vermeidung dieser Fehler wird bei vielen Formteilen in der klassischen Spritzgießfertigung das sogenannte Spritzprägen eingesetzt. Hier wird in einem Spritzgießprozess bei partiell geöffnetem Werkzeug ein definierter Preform innerhalb der Kavität generiert und anschließend mittels eines Kompressionsformprozesses zum fertigen Bauteil ausgeformt. Es werden kurze Zykluszeiten und lange Fließwege bei geringem Druckniveau realisiert. Für Mikrooptiken hoher Abbildungsgüte aus Kunststoff, wie z.B. für anspruchsvolle Applikationen in der Mess- und Medizintechnik, sind Bauteilspannungen häufig schwer zu beherrschen. Innere Spannungen und Molekülorientierungen in spritzgegossenen Kunststoffoptiken verursachen Doppelbrechungseffekte (Abb. 1), die zu unerwünschten Polarisations- und damit Transmissionseffekten führen und nicht immer mit Deformationen der Formteile einhergehen müssen.
Ziel eines Forschungsprojektes am Kunststoff-Zentrum in Leipzig (KUZ) war es, durch neue technische und technologische Lösungen die Möglichkeiten des Spritzprägens bei der Fertigung von Mikroformteilen zu untersuchen. Die technologische Basis der Untersuchungen zum Mikrospritzprägen bildete dabei beispielhaft die modulare Maschinenplattform mit Kolbenspritzeinheiten formicaPlast®, die am KUZ für das Mikrospritzgießen entwickelt wurde. Ein neuer vertikaler Maschinenaufbau mit entsprechenden elektrischen Antrieben stand für die Untersuchungen zur Verfügung. Abbildung möglicher Prägevarianten im Mikrospritzguss Bezug nehmend auf die Bewegungsachsen von Spritzgießmaschinen wird in der Werkzeugtechnik zwischen dem sogenannten Haupt- und Nebenachsenprägen unterschieden. Die Schließbewegung des Werkzeuges ist als Hauptachse definiert, Kernzüge und Auswerferbewegungen werden den Nebenachsen zugeordnet. Beim Hauptachsenprägen beeinflusst die Bewegung der Schließeinheit das Kavitätsvolumen. Traditionelle Werkzeuge dichten dabei die Kavität über eine sogenannte Tauchkante ab. Dabei tauchen beide Werkzeughälften über die Schließbewegung ineinander und es wird somit eine Abdichtung der Kavität nach außen ermöglicht. Bei einer weiteren Prägevariante ist das Werkzeug vollständig geschlossen. Über eine Nebenachse, in diesem Fall der Auswerferantrieb, wird das Kavitätsvolumen über bewegliche Bereiche (Prägekerne) innerhalb der Kavität verändert. Die in Abbildung 2 dargestellten Prägevarianten wurden werkzeug- und verfahrenstechnisch für die Untersuchungen zum Mikrospritzprägen umgesetzt. Abb. 2: Schemadarstellungen der realisierten Prägevarianten mit den beiden Demonstrationsformteilen A und B Spritzprägen von dünnwandigen und flächigen Mikrokavitäten Abb. 3: Vergleich der Doppelbrechungseffekte mittels Polarisationsmikroskopie von spritzgegossenen und rechts einer spritzgeprägten Rechtecklinse mit Preform aus PC Vergleichende Untersuchungen von spritzgegossenen und spritzgeprägten Chargen der Rechtecklinse ergaben eine deutliche Reduzierung der Doppelbrechungseffekte für die im Tauchkantenwerkzeug geprägten Formteile. Die geprägten Formteile wiesen auch eine höhere Formtreue in der optischen Kontur gegenüber den spritzgegossenen Formteilen auf. Qualitative Aussagen zu Eigenspannungen und Orientierungen wurden über die Betrachtung der Doppelbrechungseffekte mit vergleichender Polarisationsmikroskopie getroffen. Spritzprägen von dickwandigen Mikrokavitäten Abb. 4: Druck-Temperatur-Weg-Diagramm des Kernprägezyklus einer spritzgeprägten Zylinderlinse aus PC im Vergleich mit einer spritzgegossenen Version Bei dickwandigen Formteilen werden selbst beim Spritzgießen ohne Nachdruck durch starke Orientierungen während des Füllvorganges über eine Angussstange Doppelbrechungseffekte erzeugt (Abb. 5). Mit der Verfahrensvariante des Kernprägens können im druckbeaufschlagten Konturbereich nahezu alle Doppelbrechungseffekte vermieden werden. Dieser Effekt konnte jedoch nur bei einer zum Einspritzvorgang synchron ablaufenden Stempelbewegung nachgewiesen werden. Gut ersichtlich ist auch in Abbildung 5, dass durch eine zu hoch gewählte Prägekraft die positiven Effekte des Spritzprägens aufgehoben werden können. Fazit – Etablierung der Prägetechnologie auch für Mikroteile Abb. 5: Vergleich der Eigenspannungen mittels Polarisationsmikroskopie einer Zylinderlinse mit Stangenanguss aus PC hergestellt in verschiedenen Verfahrensvarianten Wesentliche Einflussfaktoren im Prägeprozess sind die Einstellparameter Prägegeschwindigkeit, Prägeweg und Prägekraft. Während höhere Einstellwerte für Prägeweg und –geschwindigkeit eine höhere Prägequalität (höhere Abformgenauigkeit und verminderte Eigenspannungen) mit sich brachten, konnte diese wiederum nur bei minimal möglicher Prägekraft erzielt werden. Alle aus der konventionellen Spritzgießtechnik bekannten Prägeverfahren sind auch im kleinen Maßstab umsetzbar und damit für Mikroformteile anwendbar. Dies setzt jedoch eine sehr dynamische Regelung des Prozesses seitens der Maschinentechnik voraus. Mit der vertikalen Maschinenplattform für das Mikrospritzgießen mit Prägefunktion steht im KUZ eine optimale Versuchsplattform für Abformtests von qualitativ hochwertigen und präzisen Formteilen zur Verfügung. Das verfügbare Stammwerkzeugkonzept minimiert dabei in der Prototypen- und Vorserienphase Ihre Entwicklungskosten. Die Funktionalität und Vielseitigkeit der Maschinenplattform kann beispielsweise für Machbarkeitsstudien genutzt werden. Das KUZ bietet Unterstützung von der Formteilgestaltung über die Werkzeugkonstruktion und Fertigung bis hin zur Formteilprüfung. Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Reg.-Nr.: MF120103 KUZ - Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH Erich-Zeigner-Allee 44 Tel.: +49 (0) 341 4941-500 Internet: www.kuz-leipzig.de |
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