Fachartikel vom 11.01.2013

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Das Center für High Performance Fiber Materials

Christian Wilms, Niels Vestweber, Gunnar Seide, Thomas Gries, Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen

Forschung und Entwicklung für die mittelständische Industrie

Mittels einer Förderung von des Landes NRW bzw. der EU für das Center für High Performance Fiber Materials (CFM) entsteht eine weltweit einmalige Forschungs-Infrastruktur in Aachen. Die interdisziplinäre Entwicklung neuer Hochleistungsfaser-Materialien und deren Verarbeitung ermöglichen neue Anwendungsfelder z. B. im Leichtbau, in der Medizintechnik, im Automobil- oder im Bausektor. Das CFM wird Teil der wissenschaftlich exzellenten und industrieorientierten Forschungslandschaft der RWTH Aachen. Das besondere Ziel des CMF ist, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung & Entwicklung im Bereich der High Performance Fibre Materials für die mittelständische Industrie direkt nutzbar zu machen. Vorwettbewerblich und barrierefrei: Unter dieser Prämisse werden neue Wege der kooperativen Innovationsgestaltung und des Know how-Transfers gestaltet.

Moderne Faserverbundwerkstoffe bieten äußerst vielfältige Anwendungsfelder. Ihre Einsatzgebiete finden sich in den Branchen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Life Sciences, Medizintechnik, Bau und Industrie-Anwendungen. Zwischen der Entwicklung neuer faserbasierter Werkstoffe im Labor- oder Pilotmaßstab und der Umsetzung solcher Innovationen in industrietaugliche Produkte, steht insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine „Skalierungshürde“, die es zu überwinden gilt. Der grundsätzliche Ansatz zum Know-how-Transfer von der Forschung in die Industrie besteht aus drei Schritten:

  1. Neuartige und modifizierte Polymere bzw. Faser-Precursoren und nanostrukturierte Additive bieten die Möglichkeit, funktionalisierte Faserstoffe mit vollkommen neuen Eigenschaftsprofilen zu entwickeln.

  2. Eine Kombination dieser neuartigen Faserverbundwerkstoffe mit verschiedenen Matrices ermöglicht die anforderungsspezifische Gestaltung von Verbundwerkstoffen. Dies beinhaltet die Modellierung und Herstellung komplexer 3D-Endkonturnahen textilen Preforms, deren Konsolidierung zu Probekörpern und Bauteilen und deren (zerstörungsfreie) Prüfung.

  3. Der entscheidende Schritt zur Sicherstellung einer nachhaltigen Innovationstätigkeit ist das teilweise computerunterstützte Upscaling dieser Forschungsergebnisse in industrielle Maßstäbe. Dies erfordert genaue Kenntnisse zum einen der wissenschaftlichen Grundlagen der innovativen Werkstoffe, der Herstellungsprozesse und der technologischen und ökonomischen Randbedingungen einer industriellen Produktion. Dieser Know-how-Transfer kann nur durch engste Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Unternehmen geleistet werden.
    Betrachtet man das Nordrhein-Westfälische Technologieportfolio für High Performance Fiber Materials fällt auf, dass die Infrastruktur zur Überwindung dieser „Skalierungshürde“ entscheidende Lücken aufweist. Diese Lücken sollen jetzt durch das „Zentrum für High Performance Fiber Materials (CFM)“, geleitet von Priv.-Doz. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Gunnar Seide, geschlossen werden.


Abb.1: Strategischer Ansatz des Zentrums für High Performance Fiber Materials (Quelle: ITA)
Abb.1: Strategischer Ansatz des Zentrums für High Performance Fiber Materials (Quelle: ITA)
Das CFM, angegliedert an das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA), versteht sich als Kompetenzzentrum insbesondere für KMU in NRW, das in seinen drei zentralen Arbeitsbereichen den oben genannten Ansatz zum Know-how-Transfer von der Forschung in die Industrie aufgreift:

  1. 1. Entwicklung innovativer Hochleistungsfasern und deren Herstellung im Pilotmaßstab

  2. 2. Modellierung, Herstellung und Prüfung komplexer dreidimensionaler Textilstrukturen und deren Verbünde mit anderen Werkstoffen

  3. 3. Upscaling, Know-how-Transfer, Aus- und Weiterbildung


Das CFM wird eingebunden in die wissenschaftlich exzellente, interdisziplinär aufgestellte und industrieorientierte Forschungslandschaft der RWTH Aachen. Weiterhin ist das ITA als Initiator dieses Vorhabens Mitglied der Zukunftsintitiative Textil NRW (ZITEX), des Kunststofflandes NRW und zwei Excellenzclustern ("Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer" und „Ultra High-Speed Mobile Information and Communication).

Das neue Center nimmt zum Ende dieses Jahres seine Arbeit auf, nach der Fertigstellung eines ansprechenden neuen Technikums-Gebäudes. Dieses Gebäude dient zugleich der Realisierung der ersten großflächigen Lichtbeton-Fassade, entwickelt durch die Lucem GmbH, Stolberg (ein Spinn-off des ITA). Weitere Informationen hierzu erhalten Sie unter www.lucem.de.

Das CFM unterstützt mittelständische Unternehmen durch vorwettbewerbliche und niederschwellige Angebote in den Bereichen Know-how-Transfer, Demonstratoren-Entwicklung und Optimierung von Fertigungspro¬zessen. Das neue Center nimmt zum Ende dieses Jahres seine Arbeit auf, nach der Fertigstellung eines ansprechenden neuen Technikums-Gebäudes. Dieses Gebäude dient zugleich der Realisierung der ersten großflächigen Lichtbeton-Fassade, entwickelt durch die Lucem GmbH, Stolberg.Weitere Informationen hierzu erhalten Sie unter www.lucem.de. Weiterhin ist das ITA als Initiator dieses Vorhabens Mitglied des Kunststofflandes NRW, der Zukunftsintitiative Textil NRW (ZITEX) und zwei Excellenzclustern ("Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer" und „Ultra High-Speed Mobile Information and Communication).

Abb.2: CFM-Fassade, rechts beleuchtet (Quelle: lucem GmbH)
Abb.2: CFM-Fassade, rechts beleuchtet (Quelle: lucem GmbH)



Beispiel: Lösungsmittelspinnen

Im Bereich der Faserherstellung erweitert das Lösungsspinntechnikum im CFM die darstellbaren Prozesse am ITA. Polymere, welche sich bei Temperaturerhöhung erst zersetzen bevor sie aufschmelzen, können mit Lösungsmittelspinnverfahren zu Fasern verarbeitet werden. Hierfür wird das Polymer in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst, in die Faserform überführt bevor in Koagulations- und Waschprozessen das Lösungsmittel wieder aus der Faser entfernt wird. In diesem komplexen Prozess werden Hochleistungsfasern wie die Precursoren für Carbonfasern, Aramidfasern aber auch Hohlfasermembranen für Filtrationsprozesse hergestellt.
Nur wenige Forschungsinstitute in Deutschland und auch weltweit besitzen Anlagentechnik für das Lösungsmittelspinnen. Weltweit einzigartig ist die Zusammenstellung der Anlagentechnik in einem Technikum. Im CFM am ITA kann die Prozess- und Produktentwicklung in verschiedenen Skalen durchgeführt werden. Bereits aus Kleinstmengen von ca. 50 ml Lösung können mithilfe einer beheizten Kolbenpumpe der Fa. Teledyne Isco (Lincoln NE/USA) Mono- und Multifilamente hergestellt werden. In der nächsten Skalierung werden aus ca. 1 l Lösung Fäden in einem dem industriellen Prozess vergleichbaren Verfahren hergestellt. Diese Anlage ist eine Eigenkonstruktion, gebaut, um möglichst schnell in der Entwicklung den Industrieprozess abbilden zu können.

Abb. 3: Lösungsmittelspinnanlage zur Herstellung von Multifilamenten und Hohlfasern (Quelle: ITA)
Abb. 3: Lösungsmittelspinnanlage zur Herstellung von Multifilamenten und Hohlfasern (Quelle: ITA)
Mit bis zu 8 l Spinnlösung bietet die Laborspinnanlage der Fa. Fourné Polymertechnik (Alfter, Deutschland) die Möglichkeit, ausreichende Mengen für die Weiterverarbeitung aus einem Ansatz herzustellen. Der modulare Aufbau ermöglicht schnelle Prozessveränderungen. Des Weiteren ist es hier möglich, sowohl Multifilamente als auch Hohlfasern herzustellen. Die Pilotskala, abgebildet durch eine Anlage der Fa. EPC Industrial Engineering (Rudolstadt, Deutschland) und Trützschler Nonwovens & Man-Made Fibers (Egelsbach, Deutschland), ermöglicht die kontinuierliche Herstellung von Fasern und somit die direkte Hochskalierung in die Industrie. Diese Anlage ist für die Herstellung von Polyacrylnitril-Precursoren für Carbonfasern im Rahmen des Ziel2.NRW Projektes MegaCarbon entwickelt worden.

Kontakt: PD Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Gunnar Seide, Leiter des CFM
Bereichsleiter Chemiefasertechnik
des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen University.
gunnar.seide@ita.rwth-aachen.de, Tel. 0241/ 80 23400


Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen

Otto-Blumenthal-Straße 1
52074 Aachen, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 241 80 23400
Email: gunnar.seide@ita.rwth-aachen.de

Internet: www.ita.rwth-aachen.de


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