Fachartikel vom 05.03.2015

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Warum Fasern und Schlagzähmodifikatoren gleichermaßen die Schlagzähigkeit erhöhen - aber zu unterschiedlichem Bruchverhalten führen

Dr.-Ing. Marcus Poindl, Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten, IKT - Institut für Kunststofftechnik, Universität Stuttgart

Die Ermittlung der Schlagzähigkeit ist einfach ohne aufwendige Messgeräte durchzuführen, seit Jahrzehnten genormt und weit verbreitet. Die Schlagzähigkeit hat sich zu einem wichtigen charakteristischen Kennwert entwickelt, der auf keinem Datenblatt fehlt und auch häufig bei der Wareneingangskontrolle ermittelt wird. Sie beschreibt die Menge an Energie, die ein Werkstoff bis zum Bruch aufnimmt. Neben der Schlagzähigkeit gibt es außerdem noch die Kerbschlagzähigkeit; von ihr spricht man, wenn Proben für den Schlagpendelversuch mit einer definierten Schwachstelle versehen werden, da sie sonst nicht brechen würden.

Doch auch Schlagzähigkeit ist nicht gleich Schlagzähigkeit! Beide Verfahren, sowohl die Ermittlung der Schlagzähigkeit als auch die Ermittlung der Kerbschlagzähigkeit, werden für duktile und spröde Werkstoffe gleichermaßen eingesetzt. Dabei kann es vorkommen, dass bei völlig unterschiedlichem Bruchverhalten die gleiche Schlagzähigkeit oder Kerbschlagzähigkeit ermittelt wird. Für die Bauteilauslegung ausschlaggebend ist aber oftmals das Bruchverhalten.

Zäh, duktil oder spröd?
Unglücklicherweise werden die Begriffe zäh, duktil oder spröd oftmals nicht in ihrer ursprünglichen Bedeutung verwendet. Sprödigkeit und Duktilität beziehen sich ausschließlich auf die Dehnfähigkeit einer Probe. Kann eine Probe große Verformungen bis zum Bruch aufnehmen, bricht sie duktil. Versagt eine Probe bei geringer Dehnung, bricht sie spröd. Die Zähigkeit dagegen ist kein genormter Begriff und wird oftmals fälschlicherweise mit Duktilität gleichgesetzt. Ausschließlich die Begriffe Schlagzähigkeit und Kerbschlagzähigkeit sind in der Kunststofftechnik genormt und beschreiben die von Werkstoffen aufgenommene Schlagenergie bis zum Bruch bezogen auf die Anfangsquerschnittsfläche. Oftmals wird eine hohe Schlagzähigkeit aber fälschlicherweise als hohe Duktilität interpretiert.

Fasern und Schlagzähmodifikatoren
Bild 1: Duktile und spröde Werkstoffe können die gleiche Schlagzähigkeit aufweisen.
Bild 1: Duktile und spröde Werkstoffe können die gleiche Schlagzähigkeit aufweisen.
Die aufgenommen Schlagenergie entspricht in einem Kraft-Weg-Diagramm der Fläche unterhalb der Kurve (siehe Bild 1). Sie kann allerdings sowohl durch eine hohe Festigkeit bei geringer Dehnfähigkeit als auch durch eine hohe Dehnfähigkeit bei geringer Festigkeit erreicht werden. Werden zum Beispiel Fasern zur Erhöhung von Steifigkeit und Festigkeit eingesetzt, kann wie auch beim Einsatz von Schlagzähmodifikatoren viel Arbeit bis zum Bruch aufgenommen werden. Die ermittelte Schlagzähigkeit ist dann trotz völlig unterschiedlichem Bruchverhalten gleich.

Die reine Angabe der Schlagzähigkeit lässt also keine Aussage über das tatsächliche Bruchverhalten zu. Ein gleicher Messwert kann entweder durch eine hohe Verformung (duktil) bei geringen Kräften oder durch eine hohe Kraft bei geringer Verformung (spröd) entstehen.

Schlagzähigkeit und Bruchfläche
Bild 2: Das Aussehen der Bruchfläche gibt Auffschluss über die Versagensart.
Bild 2: Das Aussehen der Bruchfläche gibt Auffschluss über die Versagensart.
Wichtig ist also neben der Ermittlung des Kennwerts auch immer die Betrachtung der Bruchfläche. Denn nur durch die Auswertung beider Informationen lässt sich auf das Werkstoffverhalten schließen. Die Kenntnis des tatsächlichen Bruchverhaltens der eingesetzten Kunststoffe ist für eine korrekte Auslegung der Bauteile unverzichtbar.

Brüche mit einem hohen Anteil an plastischer Deformation, also duktile Brüche, können über eine ausgeprägte Weißverfärbung auf der Bruchfläche erkannt werden (Bild 2). Tritt keine Weißverfärbung auf einer ebenen Bruchfläche auf, fand der Sprödbruch ohne nennenswerte plastische Deformation statt.

Für eine erste Beurteilung reicht oftmals die Betrachtung mit dem Mikroskop aus. Genauere Informationen können dann Rasterelektronenmikroskope liefern. Das IKT verfügt über langjährige Erfahrung und die nötige Ausstattung zur Bestimmung der Schlagzähigkeit und Beurteilung des Bruchverhaltens.


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