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Wittmann: Von der Sonne direkt in die Spritzgießmaschine Wie Gleichstromnetze einen wesentlichen Beitrag zur klimaneutralen Produktion leisten könnenMax Ursin, inesco AG; Mario Bruckner, Wittmann Battenfeld GmbH Photovoltaikanlagen sind auf den Dächern von Industriebetrieben längst keine Seltenheit mehr. Die hohen Energiepreise sowie Abnahmebegrenzungen und instabile Netze in manchen Ländern und Regionen machen es lukrativ, ein Stück weit unabhängig vom Strommarkt zu sein. Zumal der Einsatz regenerativer Energien auch auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlt. Dabei gibt es bei der effizienten Nutzung der Energien noch jede Menge unausgeschöpftes Potenzial. Gemeinsam mit seinem Partner inesco AG unterstützt Wittmann spritzgießverarbeitende Unternehmen dabei, dieses zu erschließen. Der Schlüssel liegt in der Nutzung von Gleichstrom als direkte Energiequelle. ![]() Wittmann macht in der Spritzgießbranche Solarenergie direkt für die Verarbeitungsmaschinen nutzbar. Auf der Fakuma 2023 präsentierte das Unternehmen eine serienreife Lösung. (Bild: Wittmann) Nur ein Jahr später auf der Fakuma 2023 präsentierte Wittmann erneut eine über Solarenergie direkt mit Gleichstrom betriebene Produktionszelle – nicht mehr als Konzeptstudie, sondern als serienreife Lösung inklusive Solarstromspeicher. Für die Industrialisierung und Vermarktung der DC-Spritzgießtechnologie hat sich Wittmann inzwischen mit einem Partner zusammengetan. Das Unternehmen, das seit Herbst 2024 unter dem Namen inesco firmiert, befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit der Frage, wie sich regenerative Energien im großen Maßstab sinnvoll nutzen und effizient speichern lassen. Die Präsentation auf der Fakuma 2023 brachte den Stein ins Rollen. Das Interesse der Spritzgießindustrie an der direkten Nutzung von Solarstrom über DC-Netze ist groß. Wittmann und inesco evaluieren und bearbeiten derzeit eine Reihe konkreter Projektanfragen. Die ersten DC-fähigen Spritzgießmaschinen sind verkauft. In der Spritzgießindustrie ist Wittmann der Pionier auf dem Gebiet der DC-Technologie. Als erster Ausrüster spritzgießverarbeitender Unternehmen bietet Wittmann Maschinen und Produktionszellen an, die Solarenergie aus einem Gleichstromnetz direkt nutzen können. Versorgungssicherheit im Fokus ![]() Aufgabe der DC-Speicherbatterie ist es, für eine konstante Spannung zu sorgen, auch wenn unterschiedliche Verbraucher mit Energie versorgt werden und die zur Verfügung gestellte Stromleistung Schwankungen unterliegt. (Bild: inesco) Neben dem Einsparen von Energie und der damit verbundenen Verringerung des CO2-Fußabdrucks gibt es weitere Motivationsfaktoren, sich mit den Möglichkeiten der DC-Technologie auseinanderzusetzen. Es geht in erster Linie um die Versorgungssicherheit. Der steigende Stromverbrauch durch unter anderem Elektroautos und Wärmepumpen sowie die voranschreitende Elektrifizierung der Industrieproduktion belasten zunehmend das vorhandene Stromnetz und der Ausbau hinkt oft hinterer. Zumal die rasant steigende Einspeisung von Solarstrom die Netze zusätzlich belastet und instabiler macht. Selbst in Ländern mit einer sehr guten Stromversorgung, wie Deutschland oder Österreich, könnte es zukünftig vermehrt zu Netzausfällen oder Verbrauchsbegrenzungen kommen, fürchten Experten. Gleichstromnetze könnten hier zu einem wichtigen Baustein der Versorgungssicherheit und Klimaneutralität werden. Hierzu trägt bei, dass sich Gleichstrom gut in Batterien speichern lässt und sich teure Stromspitzen damit effizient abdecken lassen. Ein weiteres Argument ist die größere Ressourceneffizienz beim Ausbau der Stromnetze. Drei-Leiter-Gleichstromnetze erfordern mit den heute verfügbaren Technologien deutlich weniger Kupfer als Leitermaterial als Fünf-Leiter-AC-Netze und zudem weniger elektronische Bauteile. Gleichrichter in den Geräten zum Beispiel entfallen komplett. Solarspeicherbatterie hält Leistung konstant Wie kann die direkte Nutzung von Solarenergie im Spritzgießbetrieb nun konkret aussehen? – Die Lösung von Wittmann basiert auf drei Komponenten: Einer für die DC-Technologie modifizierten Wittmann Spritzgießmaschine oder Produktionszelle, dem „DConnect“ Gleichstromnetz von inesco und einer sodistore max Speicherbatterie auf Basis von Natriumsalz. Sodistore max wurde gezielt für den nachhaltigen Einsatz in Industrieunternehmen entwickelt. DConnect bildet quasi das Rückgrat der Gleichstromversorgung im Betrieb. Es handelt sich um ein selbstregelndes DC-Microgrid, in das sich DC-Produzenten und DC-Verbraucher einfach einbinden und miteinander verbinden lassen. DConnect kommt ohne externen Controller aus und benötigt keinen Internetanschluss. Damit ist das System vor Cyberkriminalität sicher geschützt. ![]() Das DC-Microgrid ermöglicht die einfache Einbindung von DC-Produzenten und DC-Verbrauchern. Durch die Reduktion von Wandlungsverlusten steigt die Energieeffizienz. (Bild: inesco) Zur Einbindung in das DConnect Microgrid bietet Wittmann in einem ersten Schritt Spritzgießmaschinen der EcoPower Baureihe sowie Linearroboter vom Typ WX in DC-Ausführung an. Kontinuierlich werden weitere Maschinenmodelle und Peripheriegeräte für die Einbindung in Gleichstromnetze entwickelt. Neu stellte Wittmann auf seinen Competence Days im Juni 2024 beispielsweise DC-Temperiergeräte vor. Um diese sicher betreiben zu können, musste auch die Verbindungstechnik angepasst werden. Gezielt für diese Anwendung wurde von der HARTING Technologiegruppe ein Prototyp für einen elektrisch verriegelbaren Steckverbinder entwickelt. Im Betrieb schützt dieser sowohl die Anlage als auch die Mitarbeiter vor unbeabsichtigtem Ziehen und den damit verbundenen Lichtbögen. Durch die integrierte Signalanzeige ist jederzeit ersichtlich, ob am Steckverbinder Spannung anliegt oder nicht. ![]() Das Angebot an DC-fähigen Maschinen und Anlagen wächst. Auf seinen Competence Days im Juni 2024 stellte Wittmann ein neues DC-Temperiergerät vor. (Bild: Wittmann) Auch der Wittmann Roboter in DC-Ausführung, der direkt über den Gleichspannungszwischenkreis der EcoPower Maschine versorgt wird, speist beim Abbremsen überschüssige Energie zurück in den Zwischenkreis. Die auf den zuletzt stattgefundenen Messen präsentierte Produktionszelle mit einer EcoPower B8X 180/750+ Spritzgießmaschine produzierte mit der installierten Salzspeicherkapazität von 45 kWh über den gesamten Messetag von acht Stunden unterbrechungsfrei, ohne dass zwischendurch auf das AC-Netz umgeschaltet werden musste. Energiebedarf um bis zu 15 Prozent reduzieren Die ersten Praxistests zeigen, dass allein durch die Reduktion von Wandlungsverlusten der Energiebedarf einer direkt mit DC versorgten Produktionszelle um bis zu 15 Prozent sinkt. ![]() Zur sicheren Anbindung von Temperiergeräten entwickelte die Harting Technologiegruppe einen neuen Steckverbinder mit elektrischer Verriegelung und Statusanzeige. Grün bedeutet, das Temperiergerät kann von der Maschine gelöst werden. Rot bedeutet, die Steckverbindung kann aktuell nicht getrennt werden. (Bild: Harting). Auch auf lange Sicht ist es wahrscheinlich, dass AC- und DC-Netze parallel existieren werden. Dies bietet den Vorteil, dass für jede Anwendung individuell entschieden werden kann, welche Stromversorgung die größte Gesamteffizienz bietet. Technische Herausforderungen sind gelöst Wie schnell wird sich DC in der spritzgießverarbeitenden Industrie etablieren? – Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, hängt sie doch von vielen Faktoren ab. Zunächst geht es darum, die Möglichkeiten und Vorteile der DC-Technologie breiter zu kommunizieren, noch mehr Referenzanwendungen zu finden und Erfahrungen branchenübergreifend intensiver auszutauschen. Die technischen Herausforderungen jedenfalls sind gelöst. Es sind industrietaugliche Lösungen, Komponenten und Schutzmechanismen verfügbar. Was es darüber hinaus aber vor allem braucht, ist ein Mindchange. Die DC-Technologien muss in den Köpfen von Werksplanern, Architekten, Elektrikern und Energieberatern ankommen, um bei Neuinvestitionen von Beginn an evaluiert werden zu können. Gefordert sind außerdem die Politik und die Branchenverbände. Angesichts der zentralen Bedeutung regenerativer Energien für die Energiewende, startete die deutsche Bundesregierung bereits 2016 ein erstes Verbundforschungsprojekt, aus dem 2022 die Arbeitsgemeinschaft Open DC Alliance (ODCA) im Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) hervorging. Viele namhafte, global agierende Unternehmen haben sich der ODCA angeschlossen, darunter auch inesco. ROI unter Umständen schon in wenigen Sekunden Bestehende Photovoltaikanlagen lassen sich für die direkte Nutzung der DC-Energie zwar umrüsten, der Austausch sämtlicher Wechselrichter durch DC-DC-Wandler ist jedoch mit einem sehr großen Aufwand verbunden. Am schnellsten rechnet sich der Aufbau und Betrieb eines DC-Microgrids bei der Installation einer neuen DC-gekoppelten Photovoltaik-Anlage. So lässt sich das Energie- und Lastenmanagement von Beginn an optimal auslegen. Zu empfehlen ist außerdem, nicht allein die Spritzgießproduktionszellen, sondern auch die Peripherie und Teile der Infrastruktur, wie die Druckluftversorgung, die Beleuchtung und Klimatisierung, ins DC-Netz zu integrieren. Den größten Einfluss auf den ROI nimmt jedoch die Stabilität der Stromversorgung am jeweiligen Standort. Kommt es regelmäßig zu Unterbrechungen der Stromversorgung und gibt es Begrenzungen der zur Verfügung gestellten Leistung, rechnet sich ein DC-Microgrid mit DC-gekoppeltem Batteriespeicher besonders schnell. Bei sehr kritischen Bauteilen kann sich die Investition in eine Energieversorgung mit Gleichstrom schon bei einem Blackout von wenigen Sekunden amortisieren. Wittmann Battenfeld GmbH Wiener Neustädter Straße 81 Tel.: +43 2252 404-0 Internet: www.wittmann-group.com |
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