Fachartikel vom 04.11.2005

Für die in den Fachartikeln dargestellten Inhalte sind ausschließlich die genannten Autoren bzw. Unternehmen verantwortlich.


Ist Ideenklau ehrenrührig?

Müssen neue Ideen immer eigene Ideen sein?

Dr.-Ing. Dieter Boley, Unternehmensberatung Dr. Boley


Es kann vielleicht auch beklemmend sein vor Augen geführt zu bekommen, was der Wettbewerb in naher Zukunft auf den Markt bringen wird. Nur die Augen davor zu verschließen ist gleichbedeutend wie bei einer Krankheit nicht zum Arzt zu gehen. Die Entwicklungsideen des Wettbewerbs detailliert anzuschauen und daraus zu lernen darf heute im internationalen Geschäft eigentlich nicht mehr versäumt werden. Trotzdem tun es die wenigsten Unternehmen.



Die Benchmarkwelle ist schon wieder weitgehend versiegt oder vielleicht auch zum normalen Tagesgeschäft geworden. Wie aber sieht es mit dem Blick in die Zukunft aus? Was machen die anderen morgen und übermorgen? Das kann meist problemlos aus Patenten recherchiert werden.



Was hat die Einarbeitung junger Mitarbeiter mit Patenten zu tun?

Für viele technischen Fachgebiete gibt es keine Handbücher oder Nachschlagewerke in denen man Lösungen nachlesen kann. Was geben Sie einem jungen Mitarbeiter als Hilfsmittel in die Hand? Prospekte, Konstruktionszeichnungen, Projektberichte oder Messebesuche? Wo bekommt er Informationen über das Produktgebiet, Lösungen des eigenen Unternehmens, aber auch der Wettbwerber? In der Patentliteratur! Dort finden sich alle Lösungen, die irgendwann einmal neuartig waren. Einziger Nachteil: Patente sind teilweise schwer zu lesen.

Wettbewerbspatente als Ideenpool

Erfahrene Mitarbeiter haben häufig – gerade durch ihre Erfahrung – eine Denkblockade und können nicht mehr über den eigenen Tellerrand schauen. Auch hier sind Patente ein Ansatz, auf neue Gedanken zu kommen. In Patentschriften werden nicht nur Lösungen, sondern auch Problemstellungen beschrieben. Aus beiden Teilen kann ein erfahrener Mitarbeiter sehr viel Ideen schöpfen. Hier liegt das Problem, im Gegensatz zum jungen Mitarbeiter darin, dass der erfahrene Mitarbeiter zwar das Fachwissen hat, mit dem er normalerweise schnell den Knackpunkt einer Patentschrift erkennen und daraus für sich auch Denkansätze schöpfen könnte, er aber nicht Stunden dafür aufwenden kann um dann vielleicht festzustellen, dass er mit der angebotenen Lösung in seinem Fall nichts anfangen kann.

Die Wissensmenge ist riesig

- Weltweit gibt es über 50 Millionen veröffentlichte Patente
- Davon sind nur etwa 4 Millionen in Kraft, das sind knapp 10%
- Das deutsche Patentamt besitzt mehr als 36 Millionen Dokumente
- 90% des gesamten verffentlichten technischen Wissens ist in Patenten gespeichert
- Gegliedert sind die Patente in 60.000 Teilgebiete
- Jede Woche werden weltweit ber 25.000 Patentschriften publiziert

Bricht man die publizierten Patente auf den Kunststoffsektor herunter, ergeben sich allein für Deutschland folgende Zahlen:

Im Jahr 2004 wurden über 700 Patente in Deutschland veröffentlicht, die bereits durch ihren Titel auf das Wort Kunststoff verweisen. Insgesamt sind über 50.000 derartige Patentschriften in Deutschland vorhanden, in USA nochmals 40.000. Erweitert man die Suche auf all jene Patentschriften in Deutschland und USA, bei denen im Text das Wort Kunststoff oder plastic bzw. synthetic vorkommt, erhält man ca. 600.000 Treffer.

Es stellt sich damit eigentlich kaum die Frage, ob man Patentinformationen nutzen muss, sondern nur noch wie und mit welchem Aufwand. Soll die Nutzung möglichst billig sein, möglichst effektiv oder einen maximalen Nutzen für das Unternehmen bei erträglichen Kosten bringen?

Die billigste Lösung im Sinne externer Kosten ist sicher die des althergebrachten Patentumlaufes. Wahrscheinlich relevante Patente werden den Mitarbeitern geschickt, die sollen dann sehen, was sie damit anfangen können. Doch eine solche Lösung ist reine Zeitverschwendung! Durch die Menge an Text, die manchmal schwer verständliche Beschreibung und Zeichnungen, die man versteht, leider aber nicht weiß, was daran wichtig sein soll, bleibt der Patentumlauf lange auf dem Stapel "Unerledigtes" und verschwindet dann irgendwann im Papierkorb oder wird auf dem Rechner gelöscht.

Eine sehr gute Lösung für ein Unternehmen ist es, einen wirklich interessierten, erfahrenen und motivierten Mitarbeiter dafür zu gewinnen, Wettbewerbspatente zu analysieren und für die Kollegen aufzubereiten. Der Vorteil: Die kurzen Wege im Unternehmen erlauben sofortige Rückfragen, das Know-How der Analyse bleibt im Unternehmen und das Fachgebietswissen des Mitarbeiters kann genutzt werden. Nachteil dieser Lösung: Nach einem solchen Mitarbeiter sehnen sich auch andere Vorgesetzte, um Löcher in kritischen Projekten zu stopfen. Sehr schnell muss dieser Mitarbeiter die "Patentgeschichte" nebenher mit erledigen. Seine Motivation fällt steil ab, das ganze Thema stirbt einen lautlosen Tod.



Die sichere Lösung ist die auftragsbezogene externe Vergabe. Der beauftragte Patentrechercheur muss sich dann in das Gebiet so weit einarbeiten, dass er die wichtigsten Fachbegriffe, Technologien aber auch die Wettbewerber kennt. Er liefert dann Patentauswertungen die von den erfahrenen Mitarbeitern sehr schnell gelesen werden können, so dass sie sich nur noch gezielt einzelne Schriften genauer anschauen. Für neue Mitarbeiter ist es möglich sich über die angewandten Lösungen einen Überblick zu verschaffen und so schneller in das Arbeitsgebiet einzudringen.

Wissensmanagement und Patente

Wenn eine gewissen Anzahl von Patenten in aufbereiteter und verständlicher Form vorliegt, können diese in einer Datenbank zusammengefasst werden. Schlagworte, gegliedert nicht nach patentrechtlichen, sondern nach Entwicklungsgesichtspunkten ermöglichen die effektive Suche und stellen sicher, dass einmal erarbeitetes Wissen auch zukünftig nutzbar ist.

Brainstorming mit Patenten

Patente sind im technischen Bereich fast immer durch Zeichnungen dokumentiert. Eine Möglichkeit diese "fremden Zeichnungen" zweckentfremdet zur Ideenfindung zu nutzen ist es, Mitarbeitern nur die Patentzeichnungen zu zeigen und sie dabei raten zu lassen, um was für eine Erfindung es sich dabei handelt. Es ist erstaunlich, auf welche neuen Ideen man beim Betrachten kommen kann. Dies wird bisher wenig genutzt, da es doch einige Vorarbeit erfordert. Hat man jedoch eine dokumentierte Sammlung, muss man nur die Erläuterungen entfernen und schon kann es losgehen.

Zusammenfassung

Patente werden von den Entwicklungsabteilungen viel zu wenig für ihre eigenen Zwecke genutzt. Zumeist wird nur der persönliche Vorteil von eigenen Patentanmeldungen gesehen, nicht aber die Chance, von Ideen anderer einen sofortigen Nutzen zu haben. Auch bei den besten Patentanmeldungen des Wettbewerbs gilt der Satz, dass alleine schon eine richtig gestellte Frage die halbe Antwort bedeutet. Deshalb ist eine geniale Patentanmeldung des Wettbewerbs oft auch eine Chance für eigene neue Denkanstöße. Man muss von dieser genialen Patentanmeldung allerdings zuerst einmal auch erfahren haben.


Unternehmensberatung Dr. Boley

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71229 Leonberg, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 160 4702443
Fax:   +49 (0) 7152 619642
Email: dieter.boley@web.de

Internet: www.patente-recherchieren.de


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