Fachartikel vom 21.11.2007

Für die in den Fachartikeln dargestellten Inhalte sind ausschließlich die genannten Autoren bzw. Unternehmen verantwortlich.


Trotz Fachkräftemangel regiert noch immer der Jugendwahn

"Generation 50 plus" – chancenlos und abgeschrieben?

Silke Masurat, compamedia GmbH, Überlingen


Alarmierende Ergebnisse brachte jetzt die aktuelle compamedia-Umfrage zum Thema "Generation 50 plus" zu Tage. Die Erhebung unter mittelständischen Betrieben in Deutschland ergab, dass sich 76 Prozent der Befragten den Luxus erlauben, die sogenannten "Best Ager" in ihrer Personalpolitik konsequent zu ignorieren. Spezielle Förderprogramme für Mitarbeiter über 50 gibt es nicht, und die Vorurteile des kränklichen, unflexiblen und leistungsschwachen Mitarbeiters halten sich hartnäckig. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels dürfte das für die Unternehmen bald zum handfesten Problem werden. Denn qualifizierte Kräfte werden rar.


Der Alterungsprozess der Deutschen schreitet voran, und die Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2035 wird fast die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein, und 2050 wird es doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene geben. Spätestens dann wird die Demografie dem Jugendwahn ein Ende setzen. Es ist also an der Zeit, dass sich die Verantwortlichen in den Personalabteilungen auf das Potenzial der Älteren besinnen. Schon heute sind sich die befragten Unternehmen der Stärken der "Generation 50 plus" durchaus bewusst. So schreiben 67 Prozent älteren Mitarbeitern eine höhere soziale Kompetenz zu als ihren jüngeren Kollegen, auch bei Fachwissen (65 Prozent) und Urteilsvermögen (89 Prozent) überflügeln sie die Jungspunde. Welchen Grund hat es also, dass der Anteil der über 54-Jährigen in den Unternehmen bei einem guten Drittel der Befragten bei nur 6 bis 11 Prozent liegt? Die vermeintlichen Schwächen der Älteren wiegen anscheinend schwerer: Nur knapp 2 Prozent der Befragten halten ältere Mitarbeiter für flexibel, und niemand attestiert ihnen eine höhere Lernbereitschaft als den Jüngeren.

"Altersgerechte Personalpolitik ist eine Frage der unternehmerischen Weitsicht", weiß Silke Masurat, Prokuristin der compamedia GmbH. Denn Mittelständler können sich mit einfachen Instrumenten demografiefest machen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung zum Beispiel vermeidet und kompensiert so manches körperliche Handicap. Systematische Förderungen und Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Mitarbeiter halten geistig fit und auf dem neuesten Stand. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sind diese Maßnahmen bitter nötig, warnt Masurat: "Ältere Belegschaften dürfen nicht länger als Problem, sondern sollten als Erfolgsfaktor angesehen werden. Der Mangel an Fach- und Führungskräften und der prognostizierte demografische Wandel fordern von den Mittelständlern neue Strategien, damit sie im Kampf um die besten Arbeitnehmer erfolgreich sein können."

Einige Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und machen es anders. Wie zum Beispiel das Blomberger Unternehmen Phoenix Contact GmbH & Co. KG. Geschäftsführer Prof. Dr. Gunther Olesch weiß, wie wertvoll die "Generation Gold" für sein Unternehmen ist. Das Alter eines Bewerbers spielt für ihn keine Rolle, denn: "Qualifikation und Erfahrung sind entscheidend. Das ist der große Trumpf der Älteren. Und da Fachkräfte in Deutschland zur Mangelware werden, ist es sehr kurzsichtig nicht auch Menschen jenseits der 50 einzustellen." Doch nicht nur bei der Rekrutierung setzt Olesch auf die Erfahrung des Alters. Auch die gezielte Förderung älterer Mitarbeiter, nach dem Prinzip des lebenslangen Lernens, gehört bei Phoenix Contact zur Unternehmenskultur. Altersgemischte Arbeitsteams und Mentorenprogramme sorgen für den notwendigen Wissenstransfer im Unternehmen. Diese Strategie geht für den Mittelständler aus Nordrhein-Westfalen auf. Für seine Arbeitgeberqualitäten wurde er schon mehrfach mit dem "Top Job"-Gütesiegel ausgezeichnet.

Die Umfrage
Die Ergebnisse der Erhebung zum Thema "Generation 50 plus" basieren auf einer Onlineumfrage der compamedia GmbH vom September 2007. Der Erhebungszeitraum lag zwischen dem 29. August und dem 12. September 2007. Befragt wurden 526 mittelständische Unternehmen, branchenübergreifend und deutschlandweit.

Der Organisator: compamedia GmbH
Die compamedia GmbH hat sich auf die Organisation von Benchmarkingprojekten für den Mittelstand und auf den Aufbau mittelständischer Netzwerke spezialisiert. Die Überlinger Mittelstandsexperten konzentrieren sich auf die Kommunikation und Organisation, der Fokus liegt dabei auf der medienwirksamen Begleitung der Projekte. compamedia realisiert "Top 100 – Die 100 innovativsten Unternehmen im Mittelstand", "Top Job – Die 100 besten Arbeitgeber im Mittelstand" sowie "Ethics in Business – Vorreiter ethischen Handelns". Zu finden sind die aktuellen TOP 100-, TOP JOB- und ETHICS IN BUSINESS-Unternehmen unter www.top100.de, www.topjob.de beziehungsweise www.ethics.de.



Interview

mit Prof. Dr. Gunther Olesch, Geschäftsführer der Phoenix Contact GmbH & Co. KG, zum Thema „Alte Hasen und junge Hüpfer – warum Mittelständler gut daran tun, ältere Mitarbeiter einzusetzen und zu fördern“. Die Phoenix Contact GmbH & Co. KG aus Blomberg hat schon zweimal die Auszeichnung TOP JOB erhalten und zählte somit im Jahr 2003 und 2005 zu den hundert besten Arbeitgebern im Mittelstand. (www.topjob.de)

Die Phoenix Contact GmbH & Co. KG stellt gezielt ältere Menschen ein. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?

Eine große Herausforderung der deutschen Wirtschaft ist, neben dem globalisierten Markt, die demografische Entwicklung. In den nächsten Jahren werden uns die Fachkräfte ausgehen. Von 2005 bis 2010 werden wir 1,6 Mio. Menschen in Arbeit verlieren – bis 2015 werden es sogar 3,5 Mio. sein. Deutschland hat zu wenig junge Menschen, die in die Jobs nachwachsen. Aber wir brauchen dringend hoch qualifizierte Fachkräfte, um unsere Kernkompetenz in komplexen Technologien auf dem Weltmarkt zu sichern und auszubauen. Phoenix Contact stellt 50- bis 63-Jährige ein, um die Unterdeckung von Fachkräften heute schon zu kompensieren und Expertise ins Unternehmen zu holen.

Viele Arbeitgeber entscheiden sich gegen die Einstellung älterer Mitarbeiter: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ältere Mitarbeiter sind weit besser als ihr Ruf. Es gibt zahlreiche Arbeitslose über 50 Jahre, die unverschuldet, beispielsweise durch Insolvenz von Unternehmen, ihren Arbeitsplatz verloren haben. Diese sind, so haben wir es erlebt, hoch motiviert, eine neue Berufschance in einem Unternehmen zu bekommen.

Motivation allein reicht aber meist nicht: Nachlassende Leistungsfähigkeit und zunehmende gesundheitliche Probleme sind nur zwei von vielen Gründen, die gegen eine Beschäftigung Älterer angeführt werden.

Eine eindimensionale Sicht ist die falsche Perspektive. Alte Hasen haben ebenso viele Vorteile wie junge Heißsporne. Und diese haben ebenso viele Schwächen wie die erfahrenen Älteren – nur andere! Man muss die Talente eben richtig einsetzen und falsche Belastungen vermeiden. Die Generation der Älteren trumpft mit Wissen durch Erfahrung, Arbeitsdisziplin, Qualitätsbewusstsein, Loyalität, Gelassenheit, Führungskompetenz und Belastbarkeit in sozialen Fragen. Dem stehen eine verminderte Lernfähigkeit, geringere Risikobereitschaft und mangelnde körperliche Belastbarkeit gegenüber. Aber auch bei den Jungen ist nicht alles Gold: Sie sind zwar mutig, dynamisch und körperlich belastbar, dafür aber fehlt ihnen die Erfahrung, die Fähigkeit einer Risikoabschätzung und die nötige Gelassenheit. Die Liste könnte man weiterführen. Ich denke, es wird klar: Die Mischung macht das perfekte Team.

In welchen Bereichen setzen Sie gezielt ältere Mitarbeiter ein?

Sehr gerne setzen wir die älteren Mitarbeiter ein, um jüngere High Potentials zu Führungskräften zu entwickeln. So wurde ein 54-jähriger ehemaliger Werksleiter eingestellt, um seinen 32-jährigen potenziellen Nachfolger auszubilden und zu coachen. Hier greift der Senioritätsfaktor. Wenn zum Beispiel 38-Jährige 32-Jährige coachen und ihnen ihr Know-how vermitteln, scheitert das an der starken Konkurrenzsituation, die durch den geringen Altersunterschied entsteht. Eine ältere Führungskraft gibt ihr Wissen eher an eine jüngere weiter, weil diese Konkurrenzsituation nicht besteht.

Was bedeutet die Konzentration auf ältere Mitarbeiter für die Personalarbeit?

Nicht einzelne Maßnahmen, sondern durchdachte Personalstrategien sind notwendig, damit diese Herausforderung erfolgreich gemeistert werden kann. Personalverantwortliche können hier eine wichtige Leadershiprolle übernehmen. Die Rede ist vor allem von Personalbedarfsplanung, Personalentwicklung, Unternehmenskultur, Ergonomie am Arbeitsplatz, Gesundheitsmanagement und viel Führungsaufgabe.

Können Sie ein Beispiel geben?

Damit dem demografischen Wandel begegnet werden kann, müssen nicht nur ältere Mitarbeiter eingestellt, sondern auch bestehende gezielt gefördert werden. Eine gelebte Kultur des lebenslangen Lernens ist unerlässlich. Unsere "Generation Gold" – also langjährige Mitarbeiter über 50 - nimmt bei uns gerne Weiterbildungsangebote an. Sie wissen, auch sie müssen auf dem aktuellsten technischen Stand bleiben, um mit der Entwicklung Schritt zu halten und sie zu prägen. Diese "Generation Gold" kann durch ihre Qualifikation und Erfahrung dem Unternehmen enorm nutzen, weiterhin eine technologische Spitzenposition im weltweiten Wettbewerb zu halten und die Exportweltmeisterschaft der Deutschen zu festigen.

Welche Gefahren sehen Sie für Unternehmen, die bis jetzt die demografische Entwicklung ignoriert haben und ältere Arbeitnehmer nicht in ihre Personalpolitik einbeziehen?

Ambitionierte Unternehmen müssen heute schon Maßnahmen einleiten, um morgen bei einer schrumpfenden Bevölkerung über genügend Fachkräfte zu verfügen. Und morgen wird bereits 2010 sein. Dann wird die demografische Entwicklung einen Mangel an Fachkräften bewirken, der sich in den darauf folgenden Jahren noch verschlimmern wird. Wer heute nicht handelt, wird den Anschluss verpassen.


compamedia GmbH

Hofstatt 7
88662 Überlingen, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 7551 94986-30
Fax:   +49 (0) 7551 94986-39
Email: info@compamedia.de

Internet: www.compamedia.de


  zurück zur Übersicht  zurück zum Seitenanfang