Fachartikel vom 12.03.2008

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Pressenmodernisierung verbindet Produktivität und Sicherheit

"Im Prinzip kein Problem - aber die Details"

Georg Dröge, Dröge Elektrotechnik, Finnentrop

Modernste Sicherheitstechnik und hohe Leistungsfähigkeit einer Pressenanlage schließen sich nicht aus. Auch nicht bei eine alten Presse, wenn sie mit Umsicht modernisiert wird.

Produktionsleiter Christian Butschkau: "Das hier realisierte System ist für die Mitarbeiter einfacher zu handhaben als die alte Technik - auch das bietet neben dem Effizienzgewinn einen Sicherheitszuwachs."

Mechanische, hydraulische oder steuerungstechnische Mängel, zu geringe Leistung, mangelnde Bedienergonomie, neue Unfallverhütungsvorschriften - die möglichen Auslöser einer grundlegenden Maschinenmodernisierung sind vielfältig. Am Standort Schnelldorf des Kunststoffverarbeiters Chemowerk war es eine Kombination mehrerer Gründe, zwei -Pressen für das Nasspressvervahren grundlegend zu überholen: Alternativ zur Investition in neue Pressen, sollten die vorhandenen Systeme leistungsmäßig und sicherheitstechnisch auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. "Im Prinzip", so Produktionsleiter Christian Butschkau "sollte das machbar sein. Ersatz bestimmter hydraulischer Baugruppen wie der Pumpen, Austausch oder Bearbeitung der mechanisch beanspruchten Komponenten sowie die Aufrüstung mit einer modernen Steuerung sind doch eigentlich kein Kunststück. Aber die Tücke liegt im Detail, wie wir leider feststellen mussten."

Bei Chemo waren zunächst zwei Siempelkamp-Pressen, Baujahr 1971, umfassend zu modernisieren, nachdem bereits 1993 die Steuerungen überarbeitet wurden. Beide arbeiten mit einer Handbeschickung, je nach Produkt mit rückseitigem Wechseltischbetrieb. Im ersten Projekt wurde eine Presse gemäß Plan umgerüstet und bis zur Abnahme durch die Berufsgenossenschaft (BG) gemäß den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften gebracht. Und hier endete schließlich die Aktion: Trotz mehrfacher, mehrmonatiger Nachbesserungen wurde keine Freigabe erteilt - und schließlich die komplette Pressenanlage mit Nebenaggregaten sicherheitstechnisch verworfen.

Diese schlechten Erfahrungen hinderte das Unternehmen Chemowerk nicht daran, eine zweiten Versuch zu starten. Mit einer anderen Mannschaft. Schließlich ist die Modernisierung gegenüber einer leistungsmäßig vergleichbaren komplett neuen Presse um etwa 30 Prozent kostengünstiger. Wenn sie denn in überschaubarer Zeit wieder in Betrieb geht.

Neuwertige Presse zum günstigen Preis - nach der Grundüberholung kann sie es in jeder Hinsicht mit neuen Maschinen aufnehmen.

Für gesamte Modernisierung zeichnete das Unternehmen Rüster Hydraulik, Marktheidenfeld, verantwortlich. Die gesamte elektronische Steuerung und Verkabelung vergab Rüster im Unterauftrag an die Dröge Elektrotechnik, die seit längerer Zeit mit der UWG-gerechten Umrüstung älterer Produktionsanlagen beschäftigt ist.

Leistung und Sicherheit unter einem Hut

Knackpunkt der Sicherheitstechnik war in der zunächst gescheiterten Pressenumrüstung das Zusammenspiel der Bedien- und Sicherheitseinrichtungen, um höchstmögliche Effizienz in die Abläufe zu bringen - bei gleichzeitig optimaler Sicherheit für die Mitarbeiter. Wichtigste Komponenten der Pressen in diesem Zusammenhang sind eine Zweihandbedienung an der Vorderseite der Presse, eine BWS (berührungslos wirkenden Schutzeinrichtung oder kurz: Lichtgitter) an der Rückseite sowie zwei vom Pressenstempel bewegte, voneinander unabhängig arbeitende Wegesensoren und natürlich die alle Informationen verarbeitende Steuerung.

Das Herzstück bildet eine Siemens-Steuerung mit Touchscreen, alle Prozesse werden grafisch dargestellt, alle Meldungen in Klartext ausgegeben.

Der übliche Ablauf sieht vor, dass der Bediener den Arbeitszyklus durch Betätigen der Zweihandbedienung startet. Damit aktiviert die Steuerung gleichzeitig das Lichtgitter auf der Rückseite, die Presse fährt im Eilgang einen definierten Weg und schaltet dort auf Kriechgang 1, danach auf Kriechgang 2 und schließlich auf Nachdruck um. Beim Übergang von Eil- auf Kriechgang - dann besteht keine Eingriffsmöglichkeit in die Form und damit keine Verletzungsgefahr mehr - überbrückt die Steuerung das Lichtgitter, um die Arbeit am Wechseltisch auf der Rückseite zu ermöglichen. Ansonsten passiert es immer wieder, dass Mitarbeiter versehentlich mit ihrer Kleidung oder Arbeitsgeräten den Lichtvorhang stören und damit den Arbeitsgang unterbrechen, was zu Ausschuss führt. Beim Auffahren der Presse ist das Lichtgitter wieder aktiv. Nach Austausch der Wechseltische startet ein Mitarbeiter den nächsten Zyklus mit der Zweihandbedienung. Der Schulungsaufwand für die Mitarbeiter war entsprechend gering.

Auf Industriestandards gesetzt

Kernstück der neuen Steuerungstechnik ist eine Steuerung Siemens S7 der Serie 300 mit Touchscreen. In diesem Industrie-Quasi-Standard sind alle Steuerungsfunktionen in übersichtliche grafischen aufbereiteten Menüstrukturen abgebildet. Mehrere Berechtigungsebenen ermöglichen Zugangsrestriktionen für verschiedene Benutzer. Für den normalen Maschinenbediener beschränkt sich die Bedienung auf den Programmstart per Knopfdruck. Beim Rüstvorgang auf ein neues Produkt werden alle Verfahrensparameter in Abhängigkeit von der Werkzeugnummer automatisch geladen. Während des Prozesses zeigt die Steuerung ständig alle relevanten Parameter sowie Störungsmeldungen im Klartext an.

Die Umstellung von Druck- auf Wegesteuerung mit Hilfe der beiden Sensoren sorgt für verbesserte Produktqualität und kurze Einrichtezeiten.

Was auf der einen Seite die Bedienung erleichtert, verbessert auf der anderen Seite die Produktqualität. Christian Butschkau: "Veränderungen an den Prozessen, sei es aus dem guten Willen, ihn zu beschleunigen, sei es um zu mogeln, sind nun einfach nicht mehr möglich." Dabei kann der Einrichter wirklich erforderliche Anpassungen der Parameter erheblich leichter vornehmen. Die werden dann ins Programm übernommen und sind in jedem Teil reproduzierbar. Die Qualität der Teile wird erheblich gleichmäßiger.

Rund drei Monate benötigte der Steuerungsspezialist Dröge vom Steuerungskonzept über Schaltschrankbau und Verkabelung bis zur berufsgenossenschaftlichen Abnahme einschließlich einer dreiwöchigen Pause aufgrund von Arbeiten an der hydraulischen Anlage. Sofort nach der BG-Abnahme wurde als letzter Schritt die komplette Dokumentation einschließlich Stromlaufplänen geliefert. Georg Dröge: "Um keine Risiken einzugehen, haben wir vorab das Konzept von Steuerung und Sicherheitseinrichtungen mit der zuständigen Berufsgenossenschaft in Bonn abgestimmt. Die hat das Projekt auch begleitet, so dass es keine bösen Überraschungen geben konnte, wie es Chemo ja schon einmal erlebt hatte."

Getauscht wurden auch alle verschleißbehafteten Komponenten der Hydraulikanlage. Pumpen, Motoren, Ventile, Filter und Schläuche wurden gemäß Industriestandards erneuert. Die für die Steuerung benötigten Daten werden per Bussystem übertragen.

Wege- statt Drucksteuerung installiert

Der Schaltschrank entspricht nun modernen Industriestandards.

Mit der Überarbeitung einher gingen technische Verbesserungen: Die früher druckgesteuerte Anlage wird nun nur noch über den Weg gesteuert. Die Weginformationen kommen ausschließlich von den beiden unabhängig voneinander arbeitenden Wegsensoren, einem Seilzugzugsensor von TR Electronic, Trossingen, und einen Linearmessstab von MTS, Lüdenscheid. Diese Wegesensoren sind de einzigen "Informationslieferanten" hinsichtlich der Bewegungen. Weitere Sensoren oder Endschalter sind nicht vorhanden - und müssen demnach auch nicht gewartet und nicht steuerungstechnisch angebunden werden.

Die Wegesteuerung bringt nicht nur weit geringere Umrüstzeiten, weil keine Anschläge mehr mit viel Gefühl eingerichtet werden müssen. Sie bringt auch erheblich bessere und gleichmäßigere Produktqualitäten. Die verschiedenen Geschwindigkeiten im Prozess lassen das Harz gleichmäßiger fließen, es gibt weit weniger Lufteinschlüsse. Der Zyklus wird mit immer gleichen Parametern abgefahren, so wie ihn der Einrichter bzw. das Programm vorgibt. "Und wir haben einen wichtigen Nebeneffekt", merkt Christian Butschkau an. "Der Serienanlauf ist nicht nur schneller, sondern auch sicherer. Es gibt weniger Ausschuss. Bei Losgrößen von durchschnittlich nur 300 Stück ein wichtiges, die Kosten deutlich bestimmendes Kriterium."

Alle verschleißanfälligen Komponenten der Hydraulik wurden gegen standardisierte Baugruppen getauscht.

Die Technik erleichtert den Schiebetischbetrieb erheblich. Außerdem wir es einfacher, neue Automatisierungskomponenten zu ergänzen, beispielsweise eine automatisierte Dosierung des Harzes direkt in die Form. Das kann die Maschinensteuerung mit handeln.

Moderne Technik - attraktive Konditionen

Im Grunde wurde hier eine neue Presse gebaut - allerdings zu einem "attraktiven Preis", wie Christian Butschkau verrät. Nur der robuste Grundkörper und die Schiebetischanlage blieben weitgehend unverändert.

Statt die Modernisierung an den Pressenhersteller zu vergeben, hat das Unternehmen Chemowerk bei der Beitrag bewusst auf spezialisierte Dienstleister gesetzt, mit denen man sich eine schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit erhoffte. Was sich denn auch bestätigte: "Im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen ist das optimal gelaufen, wenn man bedenkt, dass ist der Planungsphase unser Technischer Leiter ausgefallen ist, sogar besser als zu erwarten", resümiert er. Schließlich sei das Projekt Pressen modernisieren, und das gelte wohl auch für andere Anwendungen, wie der Kauf eines alten Hauses, da lauere so manche Überraschung.

Übergabepunkt - per Bussystem gelangen die Informationen aus der Hydraulik in die Siemens-Steuerung.

Mit der heute installierten Technik wird jedoch neben verbesserter und gesicherter Produktqualität, hoher Leistung und kurzen Umrüstzeiten weiterer nachhaltiger Mehrwert generiert. So ist es sehr viel einfacher, eine vorbeugende Instandhaltung zu realisieren. Diagnose und Fernwartung sind aufgrund der modernen Steuerungstechnik ebenso möglich wie die externe Fehlersuche im Störungsfall. Sehr viel Sicherheitstechnik kann ohne die im Tagesbetrieb oft hinderliche und wartungsaufwendige Einrichtungen realisiert werden. An ihre Stelle treten elektronische Maßnahmen. Das funktioniert, wie die BG bestätigt - wenn man die Technik den beherrscht.

Dieses erfolgreiche Muster der Pressenmodernisierung wurde auf die im ersten Anlauf von der BG verworfene Presse übertragen, um sie schnellstmöglich wieder in den produktiven Betrieb gehen zu lassen. Da die hydraulischen und mechanischen Überholungen bereits abgeschlossen waren, war die Steuerungstechnik - auch weil bereits ein erfolgreiches Muster für die BG-Abnahme vorlag - in wenigen Wochen installiert. Und weitere Pressen werden im Laufe der nächsten Jahre folgen.




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