Fachartikel vom 07.10.2009

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Innovatives physikalisches Schäumsystem im Thermoplastspritzguss

Ulrich Stieler, Stieler Kunststoff Service GmbH


Das physikalische Schäumsystem "SmartFoam" der Stieler Kunststoff Service GmbH erreicht Schaumstrukturen ohne chemisches Treibmittel mit Top Oberfläche und geschäumtem Kern auf konventionellen 1K Thermoplast Spritzgießmaschinen mit kurzem Zyklus und geschlossenen Zellstrukturen. Eigenschaften, die bisher in der Kombination nicht verfügbar waren.

Bild 1: Funktionsprinzip

In der Extrusion ist das physikalische Schäumen von Koax Kabeln und Profilen für die Möbel- und Autoindustrie schon angewandte Technik, da man die kontinuierliche Injektion von Stickstoff oder Kohlensäure leicht regeln konnte. Die Abzugsgeschwindigkeiten waren im Vergleich zum chemischen Schäumen um ein Vielfaches erhöht worden. Den Prozess jedoch im diskontinuierlichen Prozess einer Spritzgussmaschine einzusetzen, war während der Entwicklung eine Herausforderung.

Auf der Wunschliste der Spritzgießer standen u.a. Punkte wie: Beibehaltung der vorhandenen Maschinentechnik, kürzere Zykluszeiten, keine Treibmittel oder Blasen auf der Oberfläche, geringeres Artikelgewicht, kalkulierbare, klare Patentlizenzen und geringe Modifikationen an der Werkzeugtechnik.

Nachdem die Schmelze zu einem gewissen Anteil durch die konventionelle Spritzgießeinheit in die Kavität eingespritzt wird, injiziert man das Fluid im Kaltkanal oder auch im Heißkanal in die vorbei fließende Schmelze, mischt diese im statischen Mischer unter Druck zu einem noch nicht expandierten Schaum und passiert den darauf folgenden Anspritzpunkt. In der Kavität bildet die Teilfüllung bereits die Hautkomponente und das nachfolgende Schmelze-Fluid-Gemisch kann nun in der Kavität expandieren und damit die Form komplett füllen.

Als physikalisches Treibmittel kann Stickstoff (gasförmig) als einfachstes Treibmittel genutzt werden. Als Alternative kann aber auch Wasser Verwendung finden. Wenn Zykluszeiten dramatisch reduziert werden sollen oder sich der Rohstoff nicht mit Stickstoff verbinden mag, kann auch flüssige Kohlensäure injiziert werden.

Die Expansionskälte des physikalischen Mediums ist so groß, dass der Schmelze von innen durch die Schaumbildung mehr Wärme entzogen wird, als die Form in der Lage ist von außen abzuführen.

Bild 2: Schwimmer, im SmartFoam-Verfahren hergestellt

Zykluseinsparungen von mehr als 50 % erreichbar

Allein diese Zykluseinsparung macht das System zu einem der interessantesten Spritzgießsysteme.
Ein chemisches Treibmittel muss u.U. mit der Schmelze soweit erhitzt werden, dass der Kickpunkt, also der Zündpunkt für den Schäumvorgang gestartet werden kann. Dabei wird die Schmelze oft unnötig hoch erhitzt, was danach natürlich zu einer höheren Temperaturdifferenz und längerem Abkühlvorgang führt. Das chemische Treibmittel bildet während der Blasenbildung heiße Blasen, die während der Expansion aufplatzen und zu offenen Zellstrukturen führen. Ein sehr langer Zyklus ist die Folge bei Verwendung des chemischen Treibmittels. Je nach physikalischem Treibmittel können Zykluseinsparungen von mehr als 50 % mit dem SmartFoam System erreicht werden.

Bild 3: Korken, im SmartFoam-Verfahren hergestellt

Im Jahr 2000 wurden Untersuchungen mit Wasser als Treibmittel an einem Schwimmer aus PE (Bild 2) erfolgreich durchgeführt, die ähnliche Ergebnisse hervorbrachten. Bei diesem Schwimmer kam es auf eine kompakte Oberfläche mit geschlossener Zellschaumstruktur an, damit kein Medium in den Schwimmer eindringen kann. Die kompakte Oberfläche des SmartFoam Systems mit den geschlossenen Blasen eignet sich daher hervorragend für Applikationen, die mit flüssigen Medien Kontakt haben. Offene Zellstrukturen des chemischen Schaumvorgangs verhalten sich eher wie ein Schwamm und lassen im Produkt Penetration von Medien zu, die im Laufe der Zeit ihre Dichte verändern.

Da die Schmelze erst als Hautkomponente in die Kavität gespritzt und während der weiteren Füllung das naturidentische physikalische Treibmittel zugesetzt wird, kann auch die Oberflächenqualität, wie bei einem kompakt gespritzten Prozess erreicht werden. Man kann von außen nicht erkennen, dass der Kern geschäumt ist, es sei denn transparentes Material wird verwendet.

Ein chemisches Treibmittel ist durch die Zumengung und Mischung innerhalb der Einspritzeinheit in der gesamten Schmelze enthalten, also auch an der Oberfläche. Das führt zu mehreren negativen Eigenschaften am Produkt. Die chemischen Treibmittel sind teilweise aggressiv und greifen den Werkzeugstahl an. Die an der Oberfläche befindlichen Blasen verursachen nicht nur sichtbare Schlieren, sondern vergilben auch durch Sonneneinstrahlung und verändern im Laufe der Zeit die Oberflächenqualität.
Um ein vorzeitiges Aufgasen der Blasen zu vermeiden, kann beim SmartFoam System auch ein Gasgegendruck während der Kavitätsfüllung verwendet oder mit einer Tauchkante und einem Schieber die Kavität vergrößert werden.

Recyclingfähigkeit gegeben

Bild 4: SmartFoam Einheit

Ein Recyclingvorgang ist beim chemisch geschäumten Produkt nicht für ein gleichwertiges Produkt möglich, da nicht gewährleistet werden kann, dass alle Treibmittelanteile "gezündet" wurden. Das mit dem SmartFoam System hergestellte Produkt kann bedenkenlos für den gleichen Prozess wieder verwendet werden, da die physikalischen Treibmittel vollständig aktiviert wurden und beim erneuten Aufschmelzen vollständig entgasen. Aufwendige Zulassungsprozeduren durch den Zusatz von Treibmittel sind beim SmartFoam System nicht nötig, da der Rohstoff in seiner chemischen Zusammensetzung und seinen Eigenschaften nicht verändert wird.

Durch den Zusatz von physikalischem Treibmittel wird die Fließfähigkeit der Schmelze verbessert, wodurch die Einspritzzeiten drastisch reduziert werden können. Als weiterer Vorteil kann die Schaumstruktur von innen den Nachdruck zur Schwindungskompensation bewirken, womit sich gleichmäßige Eigenspannungen im gesamten Produkt und höhere Maßhaltigkeit, als bei einem kompakt gespritzten Bauteil ergeben.
Das Artikelgewicht kann durch das SmartFoam System um ca. 10 bis 30 % im Verhältnis zum kompakten Bauteil reduziert werden.

Umbau bestehender Formen möglich

Der Umbau von bestehenden Formen für das SmartFoam System ist oft möglich. Dabei ist zu prüfen, wie weit das Angusssystem verändert und Gasgegendruck mit Abdichtungsmaßnahmen eingesetzt werden muss. Diese Umbaukosten sind schnell überschaubar.
Die Lizenzkosten für das SmartFoam Verfahren sind ausschließlich in der Stieler SmartFoam® Anlage enthalten. Stücklizenzen oder wiederkehrende Forderungen gibt es nicht, da man eine klar kalkulierbare Verfahrenstechnik erreichen möchte. Es werden allerdings auch keine Wettbewerbsanlagen lizenziert.
Jeder SmartFoam Kunde erhält für seine Form einen Formeinsatz mit einem verschlüsselten Pixelcode, dieser enthält alle notwendigen Informationen um die Lizensierung nachzuweisen. Die Patentrechte sind in den USA und Europa erteilt.

Fazit: Das SmartFoam System bietet riesiges Potential in vielfältigen Bereichen der Spritzgusstechnik, da auf jeder konventionellen Spritzgießmaschine mit lizensiertem Beistellgerät und einer Werkzeugmodifikation die Technik effektiv und kostengünstig umgesetzt werden kann.


Über Stieler

Ulrich Stieler, Autor und Erfinder des Systems, beschäftigt sich seit ca. 17 Jahren intensiv mit der Gasinjektionstechnik, seit ca. 13 Jahren mit dem physikalischen Schäumen in der Extrusion und seit 10 Jahren mit der Spritzgießtechnik. Sein Unternehmen, die Fa. Stieler Kunststoff Service GmbH aus Goslar feierte gerade Ihr 11-jähriges Bestehen und eröffnete 2008 eine Zweigniederlassung im Raum Würzburg.

Das Unternehmen ist exklusiver Vertragshändler für den Weltmarktführer in der Gasinjektionstechnik Cinpres Gas Injection Ltd. aus England. Die weltweit erste Serienapplikation in WIT, die CoolFlow Technologie (Spülen von kaltem Gas durch den GIT Kanal) und die GaNaSys Technologie mit dem GIT-Heißkanal sind weitere innovative Erfolge von Ulrich Stieler.


Stieler Kunststoff Service GmbH

Wittenstraße 12/14
38640 Goslar, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 5321 334550
Fax:   +49 (0) 5321 334559
Email: stieler@stieler.de

Internet: www.stieler.de


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