Fachartikel vom 17.11.2003

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Belastungen der Beschäftigten durch Gefahrstoffe beim Recycling von Kunststoffen

Dr. Ralph Hebisch, Dipl.-Ing. Annette Johnen, Dr. Gunter Linsel, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)


Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat in 12 Betrieben die Belastungen der Beschäftigten durch Gefahrstoffe und Endotoxine beim Kunststoffrecycling untersucht. In den Betrieben wurden Haushaltsabfälle aus den Sammlungen des Dualen Systems Deutschland (DSD), aber z. B. auch Ölkanister, PVC-Fenster und Fußbodenbeläge verwertet. Den größten Beitrag zu den Belastungen liefert die einatembare Staubfraktion. Mit Ausnahme eines Arbeitsplatzes waren die Luftgrenzwerte hier jedoch eingehalten. Belastungen durch Gase und Dämpfe spielten keine Rolle. Eine weitere Grenzwertüberschreitung wurde für Dieselmotoremissionen gefunden, da in einigen Betrieben dieselbetriebene Flurförderzeuge ohne Partikelfilter eingesetzt wurden.

Im Jahre 1999 wurden allein in Deutschland ca. 14 Mio. t Kunststoffe produziert - Tendenz steigend. Nach ihrer Nutzung sind diese Erzeugnisse dann zu entsorgen. Welchen Belastungen die Beschäftigten in den Recyclingbetrieben dabei ausgesetzt sind, wurde bisher kaum untersucht.

In 12 Betrieben des werkstofflichen Kunststoffrecyclings wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes der BAuA die Belastungen der Beschäftigten durch Gefahrstoffe und Endotoxine ermittelt. Das Untersuchungsprogramm wurde so angelegt, dass alle Verfahrensschritte untersucht wurden und eine möglichst umfangreiche Palette an Kunststoffen erfasst wurde. Im Einzelnen handelte es sich um Betriebe, die Kunststoffe aus den DSD-Sammlungen (z. T. bereits vorsortiert), PET-Flaschen, Fußbodenbeläge und Fenster aus PVC, Behältnisse für Alt- und Neuöl sowie Kunststoffe aus weitere Anwendungsgebieten verwerteten. In Tab. 1 ist eine Übersicht über die am Untersuchungsprogramm beteiligten Betriebe gegeben. Alle Betriebe haben sich freiwillig beteiligt. Bei den jeweils über mehrere Tagen laufenden Messungen konnten sich die Prüfer ungehindert in den Betrieben bewegen. Als "Gegenleistung" erhielten die Betriebe dann die Messberichte.


Technologiebeschreibung

Alle in Tab. 1 aufgeführten Betriebe führten werkstoffliches Recycling durch. Die rohstoffliche oder energetische Verwertung von Kunststoffabfällen wurde nicht untersucht.

Die Betriebe verwerteten in überwiegenden Maße die Kunststoffe Polyvinylchlorid (PVC), Polyolefine (Polyethylen - PE, Polypropylen - PP) und Polyethylenterephthalat (PET). Diese Standardkunststoffe decken etwa 80-90% des gesamten Aufkommens bei der Kunststoffverwertung ab. Die Verwertung von z. B. Polyamiden oder Polycarbonaten spielte nur eine untergeordnete Rolle.

Der Ablauf der werkstofflichen Verwertung erwies sich als relativ unabhängig von der Art des verwerteten Kunststoffs. In Abb. 1 ist ein schematischer Überblick über die Verfahrensschritte gegeben. Bei den sortenreinen Produktionsabfällen sind einige der Sortier- und Reinigungsschritte nicht erforderlich. Als Ergebnis fallen Granulate oder Mahlgüter an, die dann für die Weiterverarbeitung zur Verfügung stehen. Einige Recyclingbetriebe gehörten zu Unternehmen, die aus den Granulaten direkt vor Ort neue Gebrauchsgegenstände herstellten. Aus den Granulaten werden heutzutage teilweise wieder hochwertige Erzeugnisse hergestellt, wie z. B. PVC-Fenster oder auch PET-Flaschen für die Getränkeindustrie.

Das Untersuchungsprogramm wurde so angelegt, dass die in Abbildung 1 dargestellten Verfahrensschritte bei den durchgeführten Arbeitsplatzmessungen erfasst wurden.

Arbeitsplatzmessungen

In allen Betrieben wurden die Arbeitsplatzmessungen über eine gesamte Woche durchgeführt. Untersucht wurden dabei im Einzelnen:

  • Stäube (alveolengängige und einatembare Staubfraktion sowie als Staubinhaltsstoffe Schwermetalle und Endotoxine)
  • Gase und Dämpfe (als mögliche Zersetzungsprodukte)
  • Dieselmotoremissionen (Abgaskomponente bei Flurförderzeugen).
Mit personengetragenen und ortsfesten Messungen wurden Schichtmittelwerte und kurzzeitig erhöhte Belastungen der Beschäftigten ermittelt.

Eine Zusammenfassung der ermittelten Belastungen ist in Tab. 2 gegeben.

Belastungen durch Lösemitteldämpfe und Gase spielen gegenüber den in Tab. 2 aufgeführten Stoffen eine untergeordnete Rolle beim Kunststoffrecycling.

Für die einatembare Staubfraktion wurden 4 Grenzwertüberschreitungen für den Schichtmittelwert und für Dieselmotoremissionen eine Überschreitung des Kurzzeitwertes ermittelt. Aufgrund der Vielzahl der Messergebnisse für die einatembare Staubfraktion wurden die Messergebnisse - soweit möglich - den in Abb. 1 dargestellten Verfahrensschritten zugeordnet. Tab. 3 zeigt, dass die Grenzwertüberschreitungen nur dem Mischen zuzuordnen sind. Dabei handelte es sich um Arbeiten am offenen Mischer, wobei den gemahlenen Kunststoffen pulvrige Zuschlagstoffe zugesetzt wurden.

Dieselmotoremissionen wurden nur in den Betrieben gemessen, in denen dieselbetriebene Flurförderzeuge ohne Partikelfilter eingesetzt wurden. Das war aber immerhin in 4 Betrieben der Fall. Hier liegt ein Verstoß gegen die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 554 "Dieselmotoremissionen" [2] vor. Dieselbetriebene Flurförderzeuge dürfen in geschlossenen Arbeitsbereichen nur mit Partikelfiltern betrieben werden. Für diese Betriebe gilt somit, dass die Flurförderzeuge mit Partikelfiltern nachzurüsten sind, um die Belastungen der Beschäftigten durch krebserzeugende Dieselmotoremissionen zu minimieren.

Für die alveolengängige Staubfraktion wurden im Vergleich zur einatembaren Staubfraktion deutlich niedrigere Belastungen ermittelt. Sie betrugen maximal ein Viertel des Luftgrenzwertes.

Als Inhaltsstoffe in der einatembaren Staubfraktion spielen Blei und Cadmium eine bedeutende Rolle, für die Belastungen bis zu 27% bzw. 9% der Luftgrenzwerte gefunden wurden. Die Belastungen für Blei (fruchtschädigend der Kategorie 1 und fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 3 [3]) und Cadmium (krebserzeugend der Kategorie 2 [3]) sind auf die Additive zurückzuführen, die vielen Kunststoffen bei der Herstellung als Weichmacher, Flammschutzmittel, Farbstoff oder Stabilisatoren zugesetzt werden.

Für andere Inhaltsstoffe in der einatembaren Staubfraktion lagen die Belastungen durchweg unter 2% der jeweiligen Luftgrenzwerte.

Die Kurzzeitwerte waren mit Ausnahme der oben angeführten Dieselmotoremissionen kein Problem. Es kam diesbezüglich zu keinen Grenzwertüberschreitungen.

Endotoxine spielen eine Rolle bei der Ausprägung berufsbedingter Atemwegserkrankungen. Sie zeigen als Bestandteile gramnegativer Bakterien eine entsprechende biogene Belastung des Staubes an. Für Endotoxine existieren bisher international noch keine Luftgrenzwerte. Bei den Untersuchungen wurde daher als Referenz immer die Außenluft vermessen, um zu erkennen, ob an den Arbeitsplätzen eine höhere Endotoxinbelastung auftritt. Dabei wurde festgestellt, dass es zu Endotoxinbelastungen kommt, wenn
  • die verwertbaren Kunststoffe mit biologischen Materialien kontaminiert sind, z. B. DSD-Abfälle, und
  • diese mechanisch stark bearbeitet werden, z. B. in Schredderanlagen.

Zusammenfassung und Ausblick

In 12 Betrieben wurden Arbeitsplatzmessungen beim Kunststoffrecycling durchgeführt. Zu Grenzwertüberschreitungen kam es dabei an Mischerarbeitsplätzen für die einatembare Staubfraktion und für Dieselmotoremissionen beim Einsatz dieselbetriebener Gabelstapler ohne Partikelfilter. Für die alveolengängige Staubfraktion und einzelne Staubinhaltsstoffe sowie Gase und Dämpfe wurden die Luftgrenzwerte durchweg eingehalten. Endotoxine wiesen insbesondere bei der mechanischen Bearbeitung von mit biologischen Materialien kontaminierten Kunststoffen erhöhte Belastungen auf.

Gegenwärtig werden die Ergebnisse der Untersuchungen in einem Endbericht zusammengefasst, der 2004 in der Schriftenreihe "Gefährliche Arbeitsstoffe" der BAuA vorliegen wird [4].

Gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Chemie und den Messstellen der Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen werden auf der Grundlage der von diesen Instituten ermittelten Messergebnisse unter Einbeziehung des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) Empfehlungen für die Praxis erstellt. Diese Empfehlungen liefern den Betrieben eine Handlungsanleitung zum sicheren Umgang mit Gefahrstoffen beim Kunststoffrecycling. Bei Einhaltung der Empfehlungen können die Betriebe dann ohne eigene Arbeitsplatzmessungen von einer Einhaltung der Luftgrenzwerte ausgehen.

Literatur

[1] TRGS 900: Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz - Luftgrenzwerte, BArbBl. 10/2000, S. 34-63, zuletzt geändert BArbBl. 6/2003, S. 90

[2] TRGS 554: Dieselmotoremissionen, BArbBl. 3/2001, S. 112-129

[3] TRGS 905: Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe, BArbBl. 3/2001, S. 97-101, zuletzt geändert BArbBl. 3/2003 S. 97

[4] J. Auffarth, R. Hebisch, A. Johnen: Stoffbelastungen beim Kunststoffrecycling, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Gefährliche Arbeitsstoffe, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, in Vorbereitung


Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

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44149 Dortmund, Deutschland

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