Fachartikel vom 15.11.2005

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Europäische Gesetzgebung im Wandel - Neue Chancen im Recycling

Hetty Jongbloed, Jan Jetten and Rinus Rijk, TNO, Business Center Chemistry


Die Anwendung recycelter Kunststoffe bei Lebensmittelkontakt ist durch die lückenhafte europäische Rechtslage eingeschränkt. Das wird sich mit den bevorstehenden Anpassungen jedoch bald ändern.

Eine neue europäische Richtlinie (EC 1935/2004) für alle Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (FCM), wurde am 14. Oktober 2004 vom Ministerrat angenommen und ersetzt die Rahmenverordnung 89/109/EC. Nach dem neuen Regelwerk sollen der Umwelt zu Liebe recycelte Materialien und Produkte bevorzugt werden - unter Einführung strenger Anforderungen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes. Zu diesem Zweck werden die neuen Rahmenrichtlinien über die allgemeinen Vorschriften hinaus auch Regeln für recycelte Kunststoffe enthalten und Anwendungen im Lebensmittelbereich ermöglichen. Der Geltungsbereich umfasst nicht nur PET, dessen Einsatz gegenwärtig in diesem Zusammenhang überwiegt, sondern alle Kunststoffe, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Das neue Regularium wird Anfang 2006 erwartet.


Schlüsselanforderungen

Die konzipierte Regelung für recycelte Kunststoffe unter Lebensmittelkontakt betrifft nur Kunststoffsorten aus mechanischer Wiedergewinnung, erstreckt sich aber nicht auf chemische Verwertung und Eigenverarbeitung von Produktionsabfällen. Zu den wesentlichen Anforderungen des Richtlinienentwurfs gehören:

- Der Rückgewinnungsprozess unterliegt der Genehmigung der zuständigen europäischen Behörden;
- die zu recycelnden Kunststoffe müssen gemäß 2002/72/EC hergestellt und dürfen ausschließlich mit Lebensmitteln
   in Berührung gekommen sein;
- der Ausstoß des Recycling muss die Anforderungen 2002/72/EC erfüllen;
- für das Produkt aus Recyclat ist der Übereinstimmungsnachweis zu führen;
- das Recycling unterliegt einem geeigneten Qualitätssicherungssystem.

Die Erlangung der Genehmigung zur Produktion von lebensmittelsicheren Recyclaten ist abhängig von der Antragstellung bei der zuständigen Behörde im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat und erfordert Angaben über das Eingangsmaterial (Sammlung, Sortierung), die Einzelheiten des Recyclingverfahrens einschließlich der Analyse kritischer Faktoren, die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Recyclats sowie die beabsichtigten Anwendungen.

Der Antrag wird zur Sicherheitsprüfung an die EFSA weiter geleitet, die den gültigen Antrag innerhalb von sechs Monaten begutachtet und das Ergebnis der Kommission mit teilt, welche ihrerseits die Genehmigung für das beantragte Recyclingverfahren ausstellt und registriert. Die Genehmigung ist den geprüften technischen und Verfahrensparametern zu Folge nicht übertragbar, gilt für fünf Jahre und kann danach um jeweils zehn Jahre verlängert werden. Genehmigte Anlagen zur Wiedergewinnung von Rohstoffen unterliegen ferner der Aufsicht der entsprechenden nationalen Behörden.


Kunststoffeinsatz

Die Beschickung des Wiedergewinnungsverfahrens erfolgt ausschließlich mit lebensmittelsicheren Materialien und Artikeln aus Kunststoff gemäß Richtlinie 2002/72/EC und erfordert ein zuverlässiges System zur Einsammlung. Für offene Sammelsysteme gilt eine Sortiergenauigkeit von mindestens 95% bzw. so weit möglich darüber. Lebensmittelfremde Kunststoffe und Substanzen aus früheren lebensmittelfremden Anwendungen gelten als Verseuchung des Recyclats. Für diesen Fall ist der Übereinstimmungsnachweis gemäß Artikel 3 der Richtlinie EC 1935/2004 zu erbringen. Schwankungen in Umfang und Häufigkeit der Kontamination markieren einen kritischen Faktor im Recycling.


Recyclingergebnis

Als Recyclingausstoß werden Kunststoffe gefordert, die den Kunststoffrichtlinien entsprechen. In der Praxis muss das Verfahren also geeignet sein um chemische Verunreinigungen so weit zu entfernen, dass ein für Lebensmittel unbedenkliches Material erzeugt wird. Recyclingverfahren müssen daher mit Hilfe von Zuverlässigkeitstests überwacht werden.

Im Zuverlässigkeitstest wird das Eingangsmaterial speziellen Ersatzfremdstoffen ausgesetzt, die alle in der Praxis möglichen Verunreinigungen mit Ausnahme krebserregender und erbgutschädigender Substanzen simulieren, und in den Recyclingprozess eingebracht. Die Analyse des damit gewonnenen Kunststoffs gibt Aufschluss über die Leistungsfähigkeit des Wiedergewinnungsverfahrens.

Im Falle eines geschlossenen Recyclingkreislaufs ist ein Zuverlässigkeitstest nicht erforderlich, wenn durch die lückenlose Überwachung der Chargen eine Verunreinigung aus zu schließen ist.


Übergangsperiode

Das neue Regularium für recyclete Kunststoffe tritt zwanzig Tage nach Veröffentlichung im Official Journal of the European Union in Kraft. Die darauf folgende Übergangsperiode bietet mit einer befristeten Erlaubnis für bereits auf dem Markt angebotene Kunststoffe Gelegenheit zum Antrag auf Genehmigung, der wohl innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie zu stellen ist.

Danach müssen recycelte Kunststoffe, für die keine Genehmigung beantragt ist, unmittelbar vom Markt genommen werden.


Produktvalidierung in der Praxis

Die Anforderungen der neuen Recyclingverordnung zielen mit der Überprüfung der Recyclatqualität auf die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes. Angesichts bisher fehlender sachlicher Kriterien ist für die Recycleunternehmen der Umgang mit den Testanalysen noch unklar, etwa in Hinsicht auf die Schwankungsbreite in der Zusammensetzung des Recyclats.

Die beispielsweise in gebrauchtem PET häufig auftretenden Verunreinigungen mit Limonenen, einem Hauptbestandteil von Zitrusfrüchten, rühren nicht nur von Säften und sonstigen fruchthaltigen Getränken her, sondern auch von den verschiedensten Reinigungsmitteln. Ist eine Charge mit relativ hohem Durchsatz von Limonenen als Ausschuss zu behandeln, mit zusätzlichen Tests zu retten oder ohne Weiteres zu verwenden? Solche Fragen müssen noch beantwortet werden.


Chancen für die Recyclingbranche

Der Neuansatz in der europäischen Gesetzgebung ebnet den Weg zur Nutzung rückgewonnener Kunststoffe in Verbindung mit Lebensmitteln und erweitert die Möglichkeiten für das Recycling (u.a. geschlossene Kreisläufe).

Die TNO mit ihrer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet lebensmittelkompatibler Materialien, deren Wiedergewinnung und der gesetzlichen Vorschriften unterstützt die Recyclingindustrie bei der Durchführung von Zuverlässigkeitstests, Nachweisen, Audits und der Antragstellung zur Erlangung der notwendigen Genehmigungen.

Bearbeitung eines Artikels von Hetty Jongbloed, Jan Jetten and Rinus Rijk (TNO, Zeist, Niederlande), Übersetzung aus dem Englischen VOF meyerhold, TvM

Weitere Informationen:
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