14.05.2024, 13:08 Uhr | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
Der Flammschutz von Kunststoffen sei an sich schon eine kniffelige Sache, schließlich handele es sich um organische Materialien, erläutert der Kunststoffspezialist Lehvoss aus Hamburg. Die Anforderungen seien von Anwendung zu Anwendung unterschiedlich, aber am schwierigsten werde es bei Bauteilen, die im Eisenbahnbau eingesetzt werden sollen. Die hier relevante Brandschutznorm EN 45545 beschreibt verschiedene Gefährdungsklassen. Die höchste Klasse sei für solche Züge einzuhalten, die unterirdisch fahren. Deren Fahrgäste können nicht einfach austeigen und sich aus der Gefahrenzone entfernen. Der Brand darf sich im Ernstfall nicht schnell ausbreiten. Fahrgäste müssen die Zeit haben, sich im Tunnel am Zug vorbei in Sicherheit zu bringen. Neben Flammen und Hitze spielt hierbei das Rauchgas eine wichtige Rolle. Der Rauch darf unter diesen beengten Verhältnissen in Zug und Tunnel nicht sofort toxisch wirken. Das Angebot an derart sicheren Kunststoffen sei dünn. Sollen diese Bauteile dann noch mit 3D-Druck hergestellt werden, blieben bislang nur der Einsatz teurer Hochleistungspolymere im Filamentdruck. Materialien wie PEI, PEEK oder PEKK sind inhärent, also aus ihrer chemischen Struktur heraus flammgeschützt und halten zudem die Grenzwerte der Rauchgastoxizität ein. Im Lasersintern war dies noch schwerer umzusetzen, da hier sehr teure und seltene Hochtemperatur-Maschinen verwendet werden müssen. Die sehr hohen Temperaturen bis zu 390°C in den Druckern belasten das Pulver, was hohe Auffrischraten und viel Pulververbrauch nach sich zog. Auch gilt zu bedenken, dass Hochleistungswerkstoffe aus der obersten Spitze der Kunststoffpyramide dafür gemacht wurden, möglichst nicht zu Staub zu zerfallen - weder durch chemische noch durch mechanische Einflüsse. Dadurch ist die Herstellung von feinen Pulvern für das Lasersintern sehr aufwändig. „Es verwundert daher nicht, dass der Preis solcher Pulver dahinter eher ein lebensverlängerndes Medikament vermuten lässt als einen Werkstoff, der dem Anwender Wettbewerbsvorteile in schwierigen Märkten bietet“, sagt Dr. Marcus Rechberger als Kunststoffpulverexperte von Lehvoss. Prüflabore, beauftragt von einzelnen Akteuren des Bahnbaus, bescheinigten diesen Materialien zwar die vollständige Erfüllung der EN 45545 Kriterien, dennoch erreichten diese Ergebnisse nie als Zertifikate die Lieferkette. Ihr Einsatz sei aus rein wirtschaftlichen Aspekten unsinnig gewesen. Was diese Industrie daher benötige, seien preisgünstige, aber extrem flammgeschützte Kunststoffe mit geringer Rauchgastoxizität, die sich sicher und in hoher Qualität auf verfügbaren Lasersintermaschinen verarbeiten lassen. Siemens Mobility habe hierzu Grundlagen entwickelt, welche in enger Kooperation mit der Lehvoss Gruppe in den neuen Lasersinterwerkstoff „Luvosint PPS 9268 BK“ überführt wurden. „Luvosint PPS 9268 BK“ basiert auf einem Polyphenylensulfid (PPS). PPS ist zwar inhärent flammbeständig, erfüllt jedoch von sich aus nicht die Voraussetzungen der höchsten Gefährdungsklassen der EN 45545. Dies wurde durch eine zusätzliche Ausrüstung des Polymers erreicht. Im Lasersintern bietet das PPS-Pulver bei Bauraumtemperaturen um 250°C ein komfortables Prozessfenster. Die von sich aus hohe Fließfähigkeit des PPS unterstützt im Lasersintern das drucklose Sintern des Pulvers zu dichten Bauteilen. Diese zeigen typische PPS-Mechanik mit hoher Steifigkeit und Festigkeit. Bauteile nehmen keine Feuchtigkeit auf und sind daher dimensionsstabil. PPS ist zudem chemisch und thermisch sehr stabil, wodurch das nicht zum Druck verwendete Bauraumpulver vollständig wiederverwertet werden kann. Das Material ist schwarz eingefärbt, was neben der Verarbeitung mit CO2-Lasern auch den Einsatz von Faserlasern möglich macht. Letztere bringen Geschwindigkeit ohne Präzisionsverlust und damit hohe Produktivität für die industrielle Produktion. Alle Faktoren zusammen sollen Bauteilkosten ermöglichen, die zuvor für EN-45545-konforme Bauteile im Lasersintern nicht denkbar gewesen wären. Eine Konformitätserklärung der Siemens Mobility weist für aus „Luvosint PPS 9268 BK“ lasergesinterte Bauteile die Erfüllung der Anforderungssätze R1HL3, R7HL3 und R17HL3 nach DIN EN 45545-2 aus. Dennoch soll das Preisniveau des Materials dem konventioneller Polyamidpulver für das Lasersintern entsprechen. Der Einsatz des „Luvosint PPS 9268 BK“ beschränkt sich nicht nur auf den Bahnbau. Das Material erfüllt ebenso die Flammschutz-Anforderungen, die an Bauteile für den Einsatz in Flugzeugen und Bussen gestellt werden. Abseits von Flammschutzanwendungen ermöglicht ein HDT A von 196°C den Einsatz in hohen Temperaturen. Steht chemische Beständigkeit im Anforderungsprofil, sei PPS besonders geeignet. Bis 200°C sei kein Lösemittel bekannt, welches PPS angreifen könnte. Gedruckte Bauteile aus „Luvosint PPS 9268 BK“ würden somit sogar die chemische Beständigkeit derer aus PEEK und PEKK übertreffen. Weitere Informationen: www.lehvoss.de |
Lehmann&Voss&Co. KG, Hamburg
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