Fachartikel vom 07.09.2011

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Fachkräftemangel in der Kunststoffverarbeitung

Peter Weller, Ing.-Büro Kunststoff-Consulting Dipl.-Ing. Peter H. Weller

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die gesamte Kunststoffverarbeitung mit ihrer großen technologischen Bandbreite quasi mit einem staatlich anerkannten Beruf auskommen muss, ist die Kunststoffbranche ohnehin bzw. gerade deswegen die "Branche der Seiteneinsteiger" geworden. Das fünfteilige fachliche Splitting des "Verfahrensmechanikers für Kunststoff- und Kautschuktechnik" ändert daran auch nicht viel – denn der Ausgebildete hat schon dann schlechte Karten, wenn er nicht vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden kann und in eine andere Technologie wechseln muss. Wenn beispielsweise ein gelernter Spritzgießer mit seinem Facharbeiterbrief zu einem Windblatthersteller wechselt, hat er dort immense Schwierigkeiten.

Mit der rasanten Entwicklung der Kunststoffverarbeitung konnte die berufliche Fachausbildung leider nicht mithalten. Dabei hätten solche eigenständigen Berufsbilder, wie Spritzgießer, Presser, Extrudierer, Laminierer, Reifenmacher, Umformer usw. doch in der Kunststoffzeit durchaus ihre Berechtigung. Schließlich gibt es in der Metallbranche ca. 85 staatlich anerkannte und technologisch differenzierte Berufe. Kein Mensch käme beispielsweise auf die Idee, sich bei einem Kesselschmied einen Ring anfertigen zu lassen, nur, weil er ein Schmied ist. Und in den höheren Bildungschargen sieht es ähnlich aus, denn an den meisten Universitäten bzw. Hochschulen ist die Kunststoffverarbeitung ein „Anhängsel“ maschinenbaulicher Fakultäten.

Die ganze Misere drücken zwei kürzlich unabhängig voneinander erschienene News aus, wenn man diese mal im Zusammenhang sieht:

1. Statistisches Bundesamt Wiesbaden: "Mehr Beschäftigte in der K-Industrie"

Im Vergleich von April 2010 zu April 2011 sind in der Kunststoffverarbeitung 133.100 mehr Beschäftigte registriert worden.

2. "GKV: Fachkräftemangel – Steigende Ausbildungszahlen nur Tropfen auf dem heißen Stein"

Im Jahre 2010 wurden gerade einmal ca. 2.330 Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik ausgebildet.

Das bedeutet pauschal betrachtet, nur ca.17,5 % der Neuzugänge sind Fachkräfte bzw. ca. 82,5 % Seiteneinsteiger. Dieser Anteil entspricht erfahrungsgemäß auch dem Anteil kunststofftechnisch Ausgebildeter bei den Gesamtbeschäftigten der Branche - anlässlich der demoskopischen Entwicklung ein geradezu erschütterndes Bild.

Wie kann man diesem Zustand begegnen?

  • Aufklärung in allen Ebenen über Kunststoffe als Werkstoffe der Zukunft, weil sie sich im Gegensatz zu den endlichen Metallen in den natürlichen Kreislauf, basierend auf Sonnenenergie, einordnen lassen.
    Dazu sind Aktivitäten bei Lehrern und Schülerinnen/Schülern „vor Ort“ erforderlich, wie sie beispielsweise von der IHK Hochrhein-Bodensee in Konstanz umgesetzt werden.

  • Angesichts der Tatsache, dass das Umschulungspotenzial bei Arbeitlosen nahezu ausgeschöpft ist, sollte der berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung in allen Ebenen der betrieblichen Hierarchie mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gute Erfahrungen aus der Zeit der Kurzarbeit, aber auch permanent, liegen vor.

    Dazu ist es jedoch dringend erforderlich, dass sich die Unternehmen viel mehr um die berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung bemühen und damit auch die Fachkräfte längerfristig an sich binden.

    Bewährte Beispiele sind Nachqualifizierungen mehrjährig beschäftigter Seiteneinsteiger, die ohne notwendige praktische Prüfung in ca. 400-stündiger theoretischer Ausbildung in ihrer Freizeit auf die jährlichen Prüfungen zum "Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik" vorbereitet werden.
    Für langjährig beschäftigte Seiteneinsteiger in bereits leitenden Positionen, Meister usw. empfiehlt sich beispielweise das 2-semestrige berufsbegleitende Hochschulstudium an der FH Schmalkalden/Thüringen, das mit der Berufsbezeichnung "Produktionsmanager für Kunststofftechnik" abschließt und als öffentlich-rechtlicher Abschluss gilt.
    Seiteneinsteiger in der Kunststoffverarbeitung haben sich in ihrem jeweils spezifischen technologischen Gebiet bedeutende Erfahrungen angeeignet - sie müssen aber oft noch lernen, "über den Tellerrand hinaus zu schauen".

  • Besonders Ingenieure und Konstrukteure, die aus der Metallverarbeitung kommen und über solide Kenntnisse verfügen, müssen lernen, "in Kunststoff" zu denken und nicht mehr "in Blech".
    Hier könnte erfahrungsgemäß noch ein bedeutendes Potenzial bei derzeit arbeitslosen Ingenieuren liegen.

Bei der werkstofflichen und technologischen Dynamik der Kunststoffverarbeitung trifft ganz besonders die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens zu. Allein, wenn man bedenkt, welche neuen Felder sich beispielsweise in dieser Hinsicht mit den langfaserverstärkten Thermoplasten auftun, sollte in der Aus- und Weiterbildung alles getan werden, um „den Zug nicht zu verpassen“.


Kontakt:
IHK Konstanz: www.konstanz.ihk.de, Herr Häusler, Tel. 07531 2860-119
FH Schmalkalden: www..fh-sm.de/weiterbildung, Peggy Schütze, Tel. 03683 688-1762


Ing.-Büro Kunststoff-Consulting Dipl.-Ing. Peter H. Weller

Bundschuhstr. 13
01307 Dresden, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 351 4590418
Email: Plastconsult@web.de


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