Fachartikel vom 21.11.2011

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Klassifizierte Ähnlichkeitssuche zur Vereinfachung der Kalkulation im Werkzeug- und Formenbau

Herbert Bübel, Konstruktionsbüro Herbert Bübel

Der Werkzeug- und Formenbau hat sich als fester, spezialisierter Bestandteil zwischen der Bauteilentwicklung und der Kunststoff- / Druckguss-Technik etabliert. Als meist mittelständisches Unternehmen ist er sowohl national als auch international tätig. Im Gesamtprozess bewegt sich der Werkzeughersteller jedoch stets auf einem schmalen Pfad, da die Produktlebenszeiten und somit auch die Entwicklungszeiten ständig kürzer werden. Um hier konkurrenzfähig zu bleiben, bedarf es großer Anstrengungen. So muss eine hohe Qualität bei niedrig gehaltenen Kosten, eine exakte Termintreue bei kurzen Durchlaufzeiten sowie eine enorme Flexibilität bei Änderungen angeboten werden.

Ein Angebot der Leistungen des Werkzeug- und Formenbaus erfolgt als Antwort auf eine Kundenanfrage. Dabei hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass das Verhältnis von abgegebenen Angeboten zu erhaltenen Aufträgen unbefriedigend ist, da es weit unter 10 % liegt. Für den Werkzeughersteller heißt das, die Angebotsbearbeitung sollte mit den geringsten zeitlichen und finanziellen Mitteln durchgeführt werden. Die Kalkulation, die ja Grundlage der Preisbildung ist, erweist sich vielfach als ungenau und fehlerhaft. Bisher muss sich der Anbieter zwischen (Pest oder Cholera) einem hohen Ausarbeitungsaufwand oder einem Fehlkalkulationsrisiko entscheiden.

Wie kann der Werkzeug- und Formenbau in diesem kritischen Bereich der Preisfindung seine optimale Position finden?

Vorbereitung
Primäre Aufgabe für die weitere Bearbeitung des Angebots ist das Feststellen der Kundenaufgabe in ihrem gesamten Umfang. Das Ziel muss sein, die spezielle Problematik darzustellen und alle Wünsche und Bedingungen des Kunden aufzunehmen. Dies geschieht unter Zuhilfenahme einer Anfrage-Checkliste bzw. durch Rücksprache mit dem Kunden.

Das Ziel muss sein, bei Berücksichtigung der ex- und internen Unternehmensanforderungen ein Konzept zu entwickeln, das sowohl technischen, als auch wirtschaftlichen Kriterien Rechnung trägt. Die nötigen Grunddaten für die Kalkulation und Terminplanung sind nämlich bereits vorhanden, wenn während der Konstruktion auf bereits vorhandene Lösungen zurückgriffen wird, was den Arbeitsaufwand enorm reduziert.

Kalkulationsmethoden
a) Kalkulation per Kalkulationssoftware
b) Kalkulation per Schätzung "aus dem Bauch"
c) Kalkulation per Ähnlichkeitssuche "aus dem Gedächtnis"
d) Kalkulation per klassifizierter Ähnlichkeitssuche

Kalkulation per Kalkulationssoftware
Die Kalkulationsprogramme basieren überwiegend auf einem sogenannten Punktesystem. Für die unterschiedlichen Merkmale eines Werkzeugs (z.B. Formnest mit Toleranzen und Oberflächenqualität; Formaufbau als Normalwerkzeug der Kategorie I, II bzw. III oder als Sonderwerkzeug, den Grundfunktionen wie Anguss-, Temperier- und Auswerfersystem, den Sonderfunktionen wie Schieber, Schrägauswerfer, Hydraulikfunktion, Ausschraubeinheit usw.) werden nach einem festgelegten Schlüssel bei der Kalkulation jeweils Punkte vergeben. Die Punkte werden schließlich addiert und aus der Summe der Punkte wird ein Werkzeugpreis berechnet.

Kalkulation per Schätzung "aus dem Bauch"
Der erfahrene Mitarbeiter kalkuliert parallel per Schätzung "aus dem Bauch". Er vergleicht das Resultat des Kalkulationsprogramms mit seinem "Bauchgefühl". Tritt eine Diskrepanz der beiden Ergebnisse auf, steht er vor einem Problem.

Wie wird seine weitere Vorgehensweise aussehen?

Kalkulation per Ähnlichkeitssuche "aus dem Gedächtnis"
Der Kalkulator wird per Ähnlichkeitssuche "aus dem Gedächtnis" einige gespeicherte Angebote bzw. Aufträge finden. Diese ermöglichen ihm einen sehr eingeschränkten Ähnlichkeitsvergleich. Er ist nun gezwungen, eine Entscheidung zwischen dem Ergebnis des Kalkulationsprogramms, seinem Bauchgefühl und dem Ähnlichkeitsvergleich der gefundenen Angebote bzw. Aufträge zu treffen. Hat er mehr Vertrauen zu sich (Bauch und Kopf), dann muss er zur Findung des Angebotspreises das Punktesystem des Kalkulationsprogramms korrigieren.

Kalkulation per klassifizierter Ähnlichkeitssuche
Anhand der oben aufgeführten Thematik ist zu erkennen, dass es selbst für einem erfahrenen Mitarbeiter kein Leichtes ist, seine Arbeit gewissenhaft auszuführen. Ein unerfahrener Mitarbeiter muss sich allein auf das Resultat des Kalkulationsprogramms verlassen, da ihm zusätzliche Informationen, weder über sein Bauchgefühl, noch durch die Ähnlichkeitssuche im Kopf, zur Verfügung stehen. Dies kann bei einer Fehlentscheidung für das Unternehmen sehr kostspielig werden.

Aufgrund dieser Sachlage stellt sich die Frage: Welche Alternativen können genutzt werden, um einerseits sicher und schnell eine Anfrage bearbeiten und andererseits dem Kunden ein nachvollziehbares Angebot präsentieren zu können?

Es muss ein relativ simples System sein, das den kompletten technischen Bereich - von der Entwicklung des Artikels bis zum Entsorgen des Werkzeugs - abdeckt. Es muss als Wissensdatenbank aus allen Abteilungen des Unternehmens Informationen und bestehende Aufgaben sammeln. Zusätzlich muss eine integrierte Funktion mittels klassifizierter Ähnlichkeitssuche ein schnelles Wiederfinden bereits vorhandener Arbeitsprozesse ermöglichen und das erneute Erarbeiten schon erkannter Problemlösungen verhindern.

Durch die Struktur des Systems wird seine Einsatzmöglichkeit nicht nur auf die Kalkulation beschränkt sein. Auch von der Artikelentwicklung, über den Vertrieb, der Werkzeugkonstruktion und -fertigung bis zur Teileproduktion kann das System verwendet werden.

Dieses System, oder besser noch, Werkzeug - die Datenbank-Software "TOOL4TOOL" - ist aus der Not bzw. dem Wunsch des Konstruktionsbüros Bübel entstanden, das Rad nicht täglich neu zu erfinden.

Durch Anwender von "TOOL4TOOL" aus dem Prototypenbau, dem traditionellen Formenbau, dem Großformenbau für Stoßfänger sowie der Kunststoff- und Druckgusstechnik hat sich in den letzten Jahren der Leistungsumfang etwa verdreifacht. Trotzdem ist eine einfache Handhabung nach wie vor gewährleistet.

"TOOL4TOOL" dient bei der Bearbeitung von Anfragen als sinnvolles Hilfsmittel. In ihr sind über Klassifizierungsmerkmale sämtliche bestehende Angebote und Aufträge, inklusive aller technischen Informationen, der 3D-Daten und Zeichnungen von Artikeln und Werkzeugen sowie deren Soll- und Ist-Stunden hinterlegt. Der permanente Zugriff auf die komplette Historie, den Funktionsablauf, die Moldflow-Analysen, die Kosten der Kauf- bzw. Bestellteile usw. ist selbstverständlich. Um einen kleinen Einblick in die Handhabung der Datenbank-Software "TOOL4TOOL" zu ermöglichen, folgt eine kurze Präsentation.

Anhand eines nachfolgenden Beispiels ist nachzuvollziehen, wie mit geringem Aufwand und großer Sicherheit über Klassifizierungsmerkmale eine optimale Kalkulation durchgeführt werden kann.

Über die Suchfunktion "Formentyp" wird der Begriff "Spritzgießform mit 3 Schieber / Teil" und "4-fach" ausgewählt, über die Funktion "Artikel" wird in "Artikel-Gruppe" der Artikel-Namen "Steckverbinder" und "Artikel-Breite" mit "min. 7mm" und "max. 14mm" markiert.

In der Datenbank-Software "TOOL4TOOL" erscheint das Ergebnis mittels der Ähnlichkeitssuche. Über den Ähnlichkeitsvergleich werden die gefundenen Angebote und Aufträge nach deren Gewichtung aufgelistet. Die Stunden werden mittels der Gesamtbearbeitung des Werkzeugs, wie programmieren, fräsen, schleifen, drehen, bohren, erodieren, polieren usw. als auch anhand der Einzelbearbeitung der Werkzeugbauteile wie Aufbauplatten, Einsätze, Schieber usw. angezeigt. Das 3D-Modell des angefragten Artikels und die Funktionalität seines Werkzeugs vergleichen man nun mit dem Suchergebnis. Über eine Mittelwertberechnung erhält man somit den voraussichtlichen Stundenumfang, der für die Anfrage zuzüglich der Kosten für Kauf- bzw. Bestellteile maßgebend ist.

Die Möglichkeiten der Ähnlichkeitssuche und des Ähnlichkeitsvergleichs des Artikel- bzw. Werkzeugspektrums anhand der Klassifizierungsmerkmale sind nahezu unbegrenzt. Werden jedoch bestimmte, noch nicht hinterlegte Funktionen, benötigt, können diese kurzfristig in der Datenbank-Software "TOOL4TOOL" realisiert werden.


Konstruktionsbüro Herbert Bübel

Untere Stadtgasse 55
90427 Nürnberg, Deutschland

Tel.:   +49 (0) 911 93477-0
Fax:   +49 (0) 911 93477-20
Email: ohb@khb-buebel.de

Internet: www.khb-buebel.de


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