04.10.2022, 08:48 Uhr | Lesedauer: ca. 5 Minuten |
Qualitätssicherung: Mitarbeitende der Werkstofftechnik begutachten Materialproben aus Kunststoff nach einem Durchstoßversuch. Bei diesem Versuch wir der Werkstoff einer schlagartige Belastung ausgesetzt - (Bild: Audi). Audi will Kreisläufe zum festen Bestandteil der automobilen Wertschöpfungskette machen. Für immer mehr Materialien und Bauteile startet das Unternehmen Pilotprojekte zur Wiederaufbereitung. Es sollen Erfahrungen in möglichst vielen Aufbereitungstechniken gesammelt und daraus Ableitungen für zukünftige Einsatzzwecke einzelner Rohstoffe getroffen werden. Materialkreisläufe haben mehrere Vorteile: Zum einen wird der Bedarf an nachwachsenden und fossilen Rohstoffen reduziert. Zum anderen zeigen Werkstoffe, die auf Materialkreisläufen basieren, eine günstigere Energiebilanz. Auch die für das Recycling benötigte Energie haben die Vier Ringe dabei fest im Blick – was ökologisch nicht sinnvoll ist, soll nach der Pilotphase nicht weiterverfolgt werden. Verschiedene Recyclingmethoden für verschiedene Kunststofftypen Da sich nicht alle Kunststofftypen gleich gut oder gar auf die gleiche Weise sortieren und recyceln lassen, betrachtet Audi verschiedene Techniken parallel: Mechanisches, chemisches und seit Neuestem auch physikalisches Recycling. Die Vision von Audi ist es, immer mehr Materialien für den vielfältigen und anspruchsvollen Einsatz im Auto zu qualifizieren und die optimalen Aufbereitungs- und Recyclingtechniken zu identifizieren, um Kreisläufe schließen zu können. „Dabei liegt unser Fokus auch immer darauf, möglichst viele Kunststoffumfänge beim End of Life aus dem Auto wieder herauszubekommen, um sie erneut recyceln zu können“, sagt Mike Herbig, aus dem Polymer-Team bei Audi. Üblicherweise enthalten Fahrzeuge heutzutage mehr als 200 Kilogramm diverser Kunststoffe und Kunststoffverbundwerkstoffe. Stoßfänger, Kühlerschutzgitter, verschiedene Interieurteile, aber auch Bauteile im Antrieb und der Klimatisierung werden daraus gefertigt. Diese teilweise nicht sortenreinen Kunststoffabfälle werden zunächst mechanisch zerkleinert und von anderen Stoffen getrennt. Anschließend können sie in einem weiteren Prozess erneut zu Kunststoffgranulat verarbeitet werden. Gleiche Anforderungen für Bauteile aus Rezyklat und Neuware Die qualitativen Anforderungen an die Kunststoffe sind dabei hoch. Für Rezyklatbauteile gelten dieselben Kriterien wie für Neuware. Dazu zählen Crash-Sicherheit, Hitzebeständigkeit, Medienbeständigkeit zum Beispiel gegen organische Lösungsmittel, Öl oder Hydraulikflüssigkeiten. Dazu kommen Formstabilität und Qualität, Haptik, Optik und Geruch über die gesamte Fahrzeug-Lebensdauer. In zunehmendem Maße sind auch Umweltanforderungen zu berücksichtigen. Das mechanische Recycling von Plastik stößt dort an seine Grenzen, wo verschiedene Kunststoffe im Verbund verarbeitet werden und diverse Kleber, Lacke und Füllstoffe wie etwa Glasfasern zum Einsatz kommen. Zudem sinkt die Qualität der Kunststoffe mit jedem mechanischen Aufbereitungsschritt. Sie können in der Regel nicht mehr im Fahrzeugbau und insbesondere nicht für sicherheitsrelevante Bauteile verwendet werden. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Partnern aus der Industrie hat Audi zusätzlich eine chemische Recyclingmethode entwickelt. Dabei werden gemischte Kunststoffabfälle zu Pyrolyseöl verarbeitet. Das Pyrolyseöl kann Erdöl als Rohstoff für die Produktion von hochwertigen Kunststoffen ersetzen. Die so hergestellten Bauteile sind genauso wertig und sicher wie aus Neuware hergestellt. Machbarkeitsstudie physikalisches Recycling Ergänzend zu den Forschungsprojekten zum mechanischen und chemischen Recycling untersucht Audi in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten des physikalischen Recyclings von automobilen Kunststoffabfällen und den Wiedereinsatz im Fahrzeug. Bei dieser Methode kann mit deutlich höheren Verschmutzungsgraden der Kunststoffe gearbeitet werden, sodass eine einfache und unvollständige Vorsortierung aus dem Altfahrzeug ausreicht. Anders als beim chemischen Recycling wird der Kunststoff beim physikalischen nicht zerstört. Vielmehr wird er mit Lösemitteln aufgelöst. Es findet also keine chemische Abbaureaktion statt und die Polymerketten bleiben unbeschadet. „Als Lösemittel werden ausschließlich Stoffe eingesetzt, die absolut ungefährlich sind“, erklärt Dr. Martin Schlummer vom Fraunhofer IVV. „Andere Feststoffe, die für das neue Endprodukt störend sein könnten, werden abgetrennt.“ Auch mitgelöste Substanzen wie etwa Flammschutzmittel können bei Bedarf aus der Kunststofflösung gelöst werden. Die verwendeten Lösemittel werden schließlich verdampft und ebenfalls im Kreislauf geführt. Nach der Trocknung entsteht somit ein sehr reines Kunststoffgranulat auf dem Qualitätsniveau von Neuware. Ziel ist es nun, größere Mengen dieses Granulats herzustellen, um die technische Machbarkeit abzusichern und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Für weitere Tests sollen in einem nächsten Schritt aus dem ‚Kunststoff mit Vergangenheit‘ Anbauteile wie etwa der Sitzhöhenversteller werden. Dabei handelt es sich um ein kleines Bauteil, das jedoch hohe Ansprüche an Emissionen und Geruch erfüllen muss. In Zukunft sollen die verschiedenen Recyclingtechnologien bei Audi einander ergänzend eingesetzt werden, um Kunststoffe aus Altfahrzeugen für den hochwertigen Wiedereinsatz zurückzugewinnen. Rezyklatanteil im Fahrzeug weiter erhöhen Perspektivisch will Audi den Anteil von Rezyklaten im Fahrzeug weiter erhöhen. Bereits jetzt stecken in einem Audi Q4 e-tron bis zu 27 Bauteile mit Rezyklatanteil. Im Exterieur handelt es sich um Komponenten wie den Montageträger, ein Bauteil, das besonders hohe Anforderungen hinsichtlich mechanischer Eigenschaften erfüllen muss. Außerdem bestehen die Scheinwerferaufnahmen, die Radschlaufen, die Kotflügelabdeckungen, die Bodenverkleidung und die Radspoiler zu einem großen Anteil aus Sekundärrohstoffen. Im Interieur des Audi Q4 e-tron werden Rezyklate in Dämmungs- und Dämpfungsmaterialien eingesetzt. Darüber hinaus enthalten viele sichtbare Oberflächen wiederverwertete Materialien. Dazu gehören beispielsweise der Bodenbelag und Teile der Gepäckraumauskleidung. Im Interieur S line dient das Mikrofasermaterial „Dinamica“ im Zusammenspiel mit Kunstleder als Bezug für die Sportsitze. Dinamica besteht zu 45 Prozent aus Polyesterfasern, erinnert optisch und haptisch jedoch an Veloursleder. Die Fasern werden aus mechanisch recycelten PET-Flaschen, ehemaligen Textilien oder Faserresten gewonnen. Weitere Informationen: www.audi.de |
Audi AG, Ingolstadt
» insgesamt 5 News über "Audi" im News-Archiv gefunden
Ihre News im plasticker? Bitte senden Sie Ihre Pressemitteilungen an redaktion@plasticker.de!
» zurück zum Seitenanfang |
Top-Meldungen der letzten Tage
Engel: Neues Steuerungskonzept für mehr Ergonomie, Personalisierung und Betriebssicherheit
Sumitomo (SHI) Demag: Personalabbau und strukturelle Veränderungen an deutschen Standorten
Kunststofftechnik Wiesmayer: Hochwertige Rezyklate von RSH Polymere für den neuen Audi Q6 e-tron
Meist gelesen, 10 Tage
Sumitomo (SHI) Demag: Personalabbau und strukturelle Veränderungen an deutschen Standorten
Indaver: Kunststoffrecyclinganlage in Antwerpen ist fertiggestellt
Kunststofftechnik Wiesmayer: Hochwertige Rezyklate von RSH Polymere für den neuen Audi Q6 e-tron
Arbotrade: „Bio-Wuchshüllen“ für den Schutz junger Bäume
Engel: Neues Steuerungskonzept für mehr Ergonomie, Personalisierung und Betriebssicherheit
Meist gelesen, 30 Tage
LyondellBasell: Grundsteinlegung für Kunststoffrecyclinganlage in Wesseling
Miraplast: Österreichischer Spritzgießer hatte „Land unter“
Sumitomo (SHI) Demag: Personalabbau und strukturelle Veränderungen an deutschen Standorten
Auer Packaging: Zwei neue Hallen für Produktion und Kommissionierung in Planung
Neue und gebrauchte Maschinen & Anlagen finden Sie in der großen Maschinenbörse.
Kostenfreie Nutzung aller Börsen! Registrieren Sie sich jetzt!
Physikalischer Schaumspritzguss - Grundlagen für den industriellen Leichtbau
Analysiert man die Menge der kompakt gespritzten Kunststoffformteile, so kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass sich sicherlich mehr als die Hälfte davon kostengünstiger und mit besseren Toleranzen mittels Schaumspritzguss herstellen lassen. |