20.01.2005 | Lesedauer: ca. 7 Minuten |
Anläßlich des traditionellen bvse-Pressegesprächs zum Jahresbeginn zieht der bvse-Präsident Hans Jürgen Cierzon Bilanz über das Umwelt- und Recycling-Jahr 2004 und äußert sich zu Fakten und Trends für das Jahr 2005 (den kompletten Text finden Sie unter www.bvse.de): Das Jahr 2004 - wie noch stärker das Jahr 2005 - sind in der Recycling- und Entsorgungsbranche von strukturellen Sondereffekten geprägt. Diese Sondereffekte sind von teilweise sehr nachhaltigem Einfluss auf die künftige Struktur der Kreislaufwirtschaft in Deutschland. Über die Ihnen heute vorzustellenden Ergebnisse unserer Umfrage hinaus werden wir auf die sehr massiven Veränderungen in unserer Branche eingehen, die durch einige absehbare Marktentwicklungen sowie durch einschneidende gesetzliche Neuerungen verursacht werden. Insgesamt blickt die mittelständische Recycling- und Entsorgungswirtschaft trotz einer Stimmungseintrübung mit Zuversicht und vorsichtigem Optimismus ins Jahr 2005. Dabei haben wir sehr unterschiedliche Entwicklungen in unseren Teilmärkten zu verzeichnen, die sich in den gesammelten Daten unserer Umfrage niederschlagen. Wachstum plus 0,75%, Beschäftigung minus 1% Stimmungswandel: Verschlechterung von 71% auf 57% Als Kennziffern unserer Umfrage sind für das Jahr 2005 ein marginales Umsatzwachstum von 0,75% sowie leider ein Rückgang in der Beschäftigung von ca. 1% zu erwarten. Beachtlich für die Branche ist der starke Stimmungswechsel, der in den Erwartungen von 2004 auf 2005 eingetreten ist. Bei der Frage nach der eigenen wirtschaftlichen Lage hat sich die Waage deutlich zu Ungunsten einer optimistischen Einschätzung verlagert. War die Gewichtung im letzten Jahr noch bei 71 Prozent positiv und 29 Prozent negativ (also ausreichend bis ungenügend), so hat sich dies bei der aktuellen Umfrage auf ein 57 Prozent positiv zu 43 Prozent negativ verlagert. Für diesen Stimmungswechsel gibt es nachhaltige Gründe, wie Sie nachfolgend sehen können. Umbruchjahr 2005 Als Branche – und nicht nur als Verband - betrachten wir das Jahr 2005 als strukturelles Umbruchjahr. Es wird enorme Veränderungen im Markt geben. Als zentrale Stichworte vor allen anderen seien hier die Fusion Rethmann/RWE oder Remondis sowie die Entwicklung bei der Entsorgung von Restabfällen – Stichwort Deponien und MVA’s – sowie die große Debatte zur Zerschlagung der getrennten Erfassung von Dualen Systemen genannt. Kein Jahr des letzten Jahrzehnts hatte es so in sich wie dieses Jahr 2005 es in sich haben wird. Neuordnung bei E-Schrott Wir haben als bvse eine klare Position zur weiteren Entwicklung in der Erfassung von Elektro- und Elektronikschrott und haben diese auf einer sehr beachteten bvse-Veranstaltung in Berlin sowie in den Anhörungen des Deutschen Bundestages klar vorgetragen: wir wollen die bereits nahezu vollständig erreichte Zielvorgabe der EU – nämlich die Erfassungsquote von 4 kg je Einwohner/Jahr - in der bewährten Partnerschaft zwischen Kommunen und regionalem Mittelstand weiter verfolgen und wissen schon heute, dass diese Vorgaben sehr deutlich „übererfüllt“ werden. Allerdings warnen wir die Verantwortlichen in Politik und in der Wirtschaft davor, mit der Konstruktion neuer, marktunkonformer Modelle diese bewährten regionalen Strukturen zu zerschlagen und stattdessen ein Oligopol zu errichten. Nicht umsonst haben wir auf die Einbeziehung der Recyclingwirtschaft in die sogenannte „Gemeinsame Stelle“ gedrängt, um die Praxis – und auch den Wettbewerb - nicht außen vor zu lassen. Welche Entwicklung sich im Markt ergeben wird, bleibt abzuwarten. Der Mittelstand jedenfalls hat sich mit Kooperationen und bundesweiten wie regionalen Konzepten gut vorbereitet und ist für die kommende Entwicklung gut aufgestellt. Remondis – Rethmann-Kauf von RWE bedroht massiv den Wettbewerb in der Kreislaufwirtschaft Das wohl zentralste Thema beim strukturellen Umbruchjahr 2005 ist das Thema Rethmann. Dass Rethmann den Namen wechselt, hat in mehrfacher Hinsicht seine Bedeutung. Für uns als Mittelständler gilt – auch aus der teils harten Erfahrung mit Rethmann und RWE – die generelle Formel: aus RWE und Rethmann wird Remondis. Wir erwarten nichts weniger als einen knallharten Verdrängungswettbewerb von Remondis gegenüber kommunalen und mittelständischen Unternehmen. Wir erkennen schon heute, dass Remondis nicht so sehr in den Kategorien von Wettbewerb in der Kreislaufwirtschaft denkt, sondern an die Schaffung eigener, abgeschotteter Kreisläufe und Stoffströme. Die Steuerung der komplexen Stoffströme durch zentrale Stellschrauben macht unseren Monopol-Alarm so berechtigt. Wir haben als erste begonnen, unsere Beobachtungen auch gegenüber den Wettbewerbshütern im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens zur Fusionskontrolle vorzutragen. Wir registrieren mit großer Aufmerksamkeit, dass sich die Zahl der Interessierten wie der Besorgten sozusagen wöchentlich erhöht. Je mehr die Branche sich des Ausmaßes der Fusion auch in der Tiefe der einzelnen Teilmärkte bewusst wird, desto mehr steigt die Bereitschaft, sich auch zu Themen zu äußern, die bislang unter Rücksicht auf die eigene Marktposition nicht thematisiert wurden. Wir als Anwalt des Wettbewerbs und des Mittelstandes jedenfalls haben immer wieder dazu ermutigt, auf geeignete Art und Weise die vorhandenen Kenntnisse in diesen laufenden fusionskontrollrechtlichen Prozess einzuspeisen. Als bislang erkennbare klare Probleme zu diesem sich abzeich-nenden stärksten Konglomerat, das die Kreislaufwirtschaft bislang gesehen hat, kann für Remondis aus unserer Sicht festgestellt werden: Marktbeherrscher Remondis Remondis muss als marktbeherrschend in einer ganzen Reihe von zentralen Märkten betrachtet werden. Beispielhaft will ich einige Märkte nennen: + Marktbeherrschung Sonderabfall + Marktbeherrschung Verpackungsabfälle + Marktbeherrschung E-Schrott + Marktbeherrschung Altglas + Marktbeherrschung Altpapier Wenn Rethmann/Remondis – womit die Branche rechnet – nun auch noch in das Geschäft der Dualen Systeme stärker einsteigen sollte, dann wäre auch dieser bundesweite Markt von diesem entstehenden Konglomerat rasch beherrscht. Insofern gilt: unser Monopol-Alarm in Sachen RWE und Remondis bleibt bestehen. Wir stehen auch weiterhin in engem Austausch mit vielen Beteiligten, um der Fusionskontrolle und anderen interessierten Stellen mit unserem spezifischen Fachwissen zur Verfügung zu stehen. Einwegtonne – medialer Großangriff auf getrennte Erfassung Weniges geschieht zufällig im Bereich der Recycling- und Entsorgungswirtschaft. Und so haben wir uns auch nicht besonders gewundert, dass nach der RWE-Kampagne für die gemeinsame Erfassung und gegen die gelbe Tonne nun auch einzelne Vertreter aus der Politik und der Wirtschaft sowie mehrere Medienvertreter mit allerdings nicht vollständig nachvollziehbaren Informationen dieses Thema befördert haben. Der bvse hat sich von Anfang an fachlich und inhaltlich an dieser Debatte beteiligt. Diejenigen, die bei unserer Jahres-PK vor einem Jahr hier Bonn dabei waren, werden sich erinnern. Und wir sind so weit zufrieden, dass sich unsere Prognose wie unsere Arbeit zur Erreichung der Prognose als gerechtfertigt erwiesen haben. Die von den Befürwortern angestrebte Anhörung im Deutschen Bundestag im vergangenen Dezember hat nicht die erhoffte Adelung des RWE-Vorschlags gebracht. Vielmehr hat dieses Konzept weder ökologisch noch – und das ist für Wirtschaft nicht unwichtig – ökonomisch den Belastungstest bestanden und ist schlicht durchgefallen. Wir haben als Verband unsere klare Analyse: außer viel Marketingkosten und einigen Fehlinvestitionen hat dieses Thema den Beteiligten wohl nicht mehr gebracht. Inwiefern dieses Konzept trotz der negativen Ergebnisse weiter verfolgt wird, hängt nicht allein von den beteiligten Unternehmen, Medienvertretern und Politikern ab: es ist uns im abgelaufenen Jahr gelungen, eine sehr breite Koalition für die getrennte Erfassung zusammen zu bringen. Und diese Koalition weiß, wofür sie sich engagiert: für ein außerordentlich erfolgreiches, ökologisch und auch ökonomisch auf Sicht nicht überbietbares System eines Erfassungs-Systems, bei dem Verantwortung übernommen wird. Und dass dieses moderne System weiter entwickelt werden kann, hat es unter Beweis gestellt. In Bezug auf die RWE-Einwegtonne gilt der Satz: das Bessere ist der Feind des Guten. Die RWE-Einwegtonne und die RWE-Sondersortierung allerdings sind das Schlechtere gegenüber der Gelben Tonne. Und daher wird dieses Konzept auch richtigerweise keinen Erfolg haben. Allerdings mahnen wir die alten und neuen Dualen Systeme und ihre Gesellschafter: unterschätzen sie nicht die andere Seite und deren Entschlossenheit, sich über einzelne oder generelle Einfallstore doch den Weg zum „Rohstoff Verpackung“ als Futter für ihre Entsorgungsanlagen zu sichern. Wir als bvse und unsere Partner für Nachhaltigkeit in der Kreislaufwirtschaft werden uns weiter aktiv – und auch mit Engagement und mit Erfolgsorientierung für das erfolgreiche System getrennter Erfassung einsetzen. Und das gilt – um es salopp zu formulieren - vom Joghurtbecher bis hin zum Altpapier. |
Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Bonn
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