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06.10.2009 | Lesedauer: ca. 4 Minuten    

paragon: Automobilzulieferer strebt Planinsolvenz in Eigenverwaltung an

Mit dem bewussten Einleiten einer geordneten Insolvenz beendet der Vorstand der paragon AG (www.paragon-online.de) die achtmonatigen intensiven Gespräche mit den beteiligten Banken zur Refinanzierung. Obwohl das Unternehmen seit einigen Wochen einen deutlich erhöhten Auftragseingang zu verzeichnen hat und sogar Pilotaufträge mit neuesten Produkten vorliegen, gibt es nach wie vor kein zufrieden stellendes Ergebnis mit den Finanzierern. „Unsere Restrukturierung greift, aber die Banken werden ihrer Verantwortung für den Mittelstand nicht gerecht", kommentiert Vorstandsvorsitzender Klaus Dieter Frers die aktive Vorgehensweise von paragon.

Den eindrucksvollen Wachstumskurs seit dem Börsengang im November 2000 konnte paragon auch im Zuge der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 zunächst fortsetzen. Im Neunmonatsbericht wies der börsennotierte Automobilzulieferer noch ein Umsatzplus von 11,0 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei überproportionaler Ergebnisentwicklung (EBITDA + 16,2 %, EBIT + 27,3 %) aus. Ab der zweiten Novemberwoche 2008 kam es dann zu rapiden Auftragseinbrüchen, die sich auch auf das erste Halbjahr 2009 auswirkten. Der konzernweite Umsatzrückgang in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres belief sich auf 39,2 % gegenüber dem Vorjahr und mehr als 50 % gegenüber der vom renommierten Beratungsinstitut Oliver Wyman noch im Juli 2008 bestätigten Prognose. Allein dadurch fehlten dem Unternehmen Deckungsbeiträge in Höhe von 14,0 Mio. Euro.

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Vor diesem Hintergrund stieg Frers in intensive Gespräche mit den bei paragon engagierten Banken ein, um die Kreditlinien zu bewahren und zusätzliche Liquidität zur Überwindung der Krise zu erhalten. Parallel startete paragon ein konsequentes Programm zur Kostensenkung, das allein 2009 bereits 14,4 Mio. Euro Netto-Einsparungen gebracht hat. Trotz dieser Bemühungen gelang es jedoch bis heute nicht, den Finanziererkreis von 15 Beteiligten zu einer gemeinsamen Lösung zu bewegen. Daraus zog Frers jetzt die Konsequenzen: „Die Banken haben die Finanzkrise ausgelöst und wurden von der Politik mit der Maßgabe gerettet, den Mittelstand mit Krediten zu unterstützen. Genau dieser Aufgabe werden manche im Fall von paragon aber keineswegs gerecht".

Dabei hat paragon wie die gesamte Automobilwirtschaft die Talsohle offenbar bereits durchschritten. Seit dem zweiten Quartal 2009, das mit einem deutlichen positiven Cash-flow im Automotive-Segment abschloss, verzeichnet das Unternehmen einen signifikanten Anstieg des Auftragseingangs. Aktuell sind die paragon-Werke dreischichtig ausgelastet. Außerdem ist das Unternehmen mit Produkten, die mitten in der Krise entwickelt wurden, bereits erfolgreich. So stellte der Pilotkunde Audi auf der gerade abgelaufenen IAA 2009 das Gurtmikrofon belt-mic im R8 Spyder weltweit erstmalig vor; paragon ist einziger Anbieter dieses Produktes. Ebenfalls auf der weltgrößten Automobilmesse präsentierte paragon einen neuartigen Arretiersensor für Getriebe, der bei Start-Stopp-Systemen und Hybridfahrzeugen zum Einsatz kommt. „Allein mit neuen Produkten können wir in 2015 aus heutiger Sicht einen Umsatz von 80 Mio. Euro erzielen", nennt Frers die vorhandenen Potenziale.

Um die Abhängigkeit von dem weit verzweigten Finanziererkreis zu beseitigen, strebt der Vorstand eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit an. „In enger Zusammenarbeit mit unseren Hauptfinanzierern, der Deutschen Kreditbank AG und der Commerzbank AG sowie dem vorläufigen Insolvenzverwalter wollen wir den Schaden für Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten so gering wie möglich halten", erläutert Frers. Die beiden Banken stehen mit ausreichenden Massekrediten zur Verfügung. Im Unterschied zu einer klassischen en Insolvenz bleiben der Vorstand im Amt und die Anteile am Unternehmen werthaltig. „Ich bin davon überzeugt, dass wir die Sanierung erfolgreich bestehen und unser Aktienkurs dann wieder signifikant steigen wird", bekräftigt der Vorstandsvorsitzende.

Zur Bewältigung der Herausforderungen hat paragon seine Führung verstärkt. Frers wird zukünftig von Betriebswirt Markus Werner, der bereits seit einigen Monaten als Kaufmännischer Leiter tätig ist und über umfangreiche Erfahrungen bei Refinanzierungen verfügt, als Finanzvorstand und von Rechtsanwalt Andrew Seidl als temporärem Sanierungsvorstand unterstützt. Mit der Planinsolvenz verfolgt paragon das Ziel, die Restrukturierung des Unternehmens innerhalb der nächsten vier Monate zu bewältigen. Das Insolvenzverfahren soll bereits im Januar/Februar 2010 abgeschlossen sein.

Als zentrale Maßnahmen zur Restrukturierung hat paragon die Auslandsniederlassungen in Frankreich, Italien und Japan geschlossen sowie die Tochtergesellschaften in den USA verkauft. Insbesondere durch die Freistellung von Leiharbeitern konnte das Unternehmen die Personalstärke von 660 Mitarbeitern im Oktober 2008 auf 496 Mitarbeiter im August 2009 reduzieren. Das aktuelle Ziel ist eine nachhaltige Profitabilität bei geringerem Volumen, zu der weitere Kostensenkungen und eine Portfoliobereinigung beitragen sollen. Ab 2010 will paragon die Chancen in der Krise realisieren und sich für neues Wachstum positionieren. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf die Bereiche Sensorik & Aktorik, Anzeigeinstrumente und Bedienelemente.

Nächste unmittelbare Schritte sind die Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2008, der nach Einschätzung des Vorstandes bis Ende Oktober erstellt werden kann, und die Einladung zur Hauptversammlung, die noch im Dezember stattfinden könnte.

paragon AG, Delbrück

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