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02.12.2009 | Lesedauer: ca. 7 Minuten    

AVK: Der Composites-Markt Europa 2008/2009: Entwicklung, Herausforderungen und Chancen

„Trotz der negativen Entwicklung der europäischen Industrieproduktion und auch der Kunststoffindustrie in den Jahren 2008 und 2009 ergeben sich gute Zukunftsperspektiven und Wachstumschancen im Composites-Markt, wenn die einzelnen Unternehmen und die Verbände sich offensiv den Herausforderungen stellen“, so Dr. Elmar Witten. Der Geschäftsführer der AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V. stellte den Marktbericht und die Herausforderungen an die Branche am 26. Oktober 2009 im Rahmen der Internationalen AVK-Tagung im Internationalen Congresscenter Stuttgart vor.

Das Produktionsvolumen des europäischen Marktes für Faserverbundkunststoffe / Composites wird demnach bis Ende 2009 voraussichtlich um etwa ein Drittel niedriger sein als 2007. Der Markt ist aber sehr heterogen und somit sind nicht alle Segmente in gleicher Weise betroffen. Die Unternehmen unterscheiden sich in den Verarbeitungsver-fahren, in der Größe und Struktur sowie hinsichtlich der industriellen Anwendungen. Elmar Witten: „Die Stimmung in den Unternehmen ist daher auch keineswegs generell getrübt. Die Konsolidierung des Kerngeschäftes und vor allem das Ergreifen von Chancen für neue Produkte in bestehenden und neuen Märkten stehen auf der Agenda des Managements ganz oben.“

Marktentwicklung Faserverstärkte Kunststoffe 2008/2009
Der AVK-Geschäftsführer Elmar Witten erläutert die Erfassung für den Marktbericht: Sein Fachverband hat diesmal nicht nur die Produktionsmengen für faserverstärkte Kunststoffe für das abgeschlossene Jahr 2008 über eine Befragung erhoben. Zusätzlich wurde aufgrund der dynamischen Marktentwicklung erstmals auch eine Einschätzung für das laufende Jahr (2009) mit einbezogen. Auch aus Gründen der Vergleichbarkeit beinhaltet das hier betrachtete „Gesamt“-Europa wieder „nur“ die Länder, deren Produktion sich den befragten Rohstofflieferanten explizit erschließt. Die Erfassung beruht auf glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK), weil sie weiterhin das quantitativ dominierende Verstärkungsmaterial sind. Die Entwicklung von kohlenstoff- und naturfaserverstärkten Kunststoffen lässt sich in vergleichbarer Darstellung kaum erfassen und wird unten kurz qualitativ beschrieben.

Gesamtentwicklung GFK-Produktion

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„Die Produktionsmenge 2009 ist in Europa mit 815.000 Tonnen um etwa ein Drittel gegenüber dem Volumen von 2007 geschrumpft“, erläutert Elmar Witten die aktuellen Zahlen (s. Abb. 1). Trotz der differenzierten Darstellung der einzelnen Jahre empfiehlt es sich, den Drei-Jahres-Zeitraum zu betrachten. Die Angaben der Erzeuger von Rohstoffen im Composites-Markt (hier: Harze und Glasfasern), auf denen die Datenerfassung im Wesentlichen beruht, weichen nämlich teilweise bei der Betrachtung kürzerer Zeiträume von den tatsächlich verarbeiteten Mengen in dieser Zeit ab. Insbesondere zu Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise (2008) hat der Abbau von Lagervorräten in den Unternehmen dazu geführt, dass der Einbruch des Rohstoff-Absatzes zunächst größer war als der Rückgang der Composites-Produktion. „Insbesondere im zweiten Halbjahr 2009 gibt es aber wieder spürbare Absatzsteigerungen im Vergleich zum ersten Halbjahr“, weiß der AVK-Geschäftsführer Witten. Ein etwas höherer Produktionsrückgang gegenüber den Einbußen der gesamten europäischen Kunststoffproduktion in 2008 ist vor allem auf den niedrigeren Anteil von Composites im Konsumwarengeschäft, welches nicht so deutlich eingebrochen ist wie das Industriegeschäft, zurückzuführen. Wegen dieser Rückgänge ist das in vielen Unternehmen vorherrschende Thema die Liquiditätssicherung bzw. das „Cash Management“. Vorräte werden nicht wieder aufgebaut, Geschäftszyklen sind verkürzt worden.

Bei den Preisen zeigt sich ebenfalls ein differenziertes Bild: Für die Verarbeiter waren die Preise der eingesetzten Rohstoffe im Jahr 2009 gegenüber den Vorjahren relativ stabil. Allerdings kommen bei den vorhandenen Überkapazitäten in einzelnen Marktsegmenten die eigenen Verkaufspreise unter Druck.

Entwicklungen von Verfahren/Teilen
Die Nachfrage nach und die Produktion von duroplastischen SMC- (Sheet Moulding Compound) und BMC- (Bulk Moulding Compound) Teilen ist durch die Marktentwicklungen der Hauptanwendungsgebiete Automobil und Elektronik/Elektro stark gesunken. Rückgänge der Fahrzeugproduktion von teilweise über 50% und mehr (Lkw-Sparte), führen zu einer strukturellen Neuausrichtung in diesem Marktsegment. Am relativ stärksten von der Marktentwicklung sind die Verarbeiter der offenen Verfahren Handlaminieren und Faserspritzen betroffen. Hier ist der Anteil an der gesamten Composites-Produktion von fast einem Drittel auf unter ein Viertel gefallen. „Das wird sich auf die Marktstruktur auswirken, die durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt ist“, prognostiziert Elmar Witten. Diese arbeiten tendenziell eher mit relativ wenig automatisierten Verfahren, die niedrige Anschaffungsausgaben erfordern.

Die Produktion von den mit geschlossenen RTM- (Resin Transfer Moulding) Verfahren hergestellten Teilen ist geringer eingebrochen. Das lässt sich durch die kontinuierliche Substitution offener Verfahren bei großflächigen Kleinserienbauteilen erklären. Bei den sogenannten kontinuierlichen Verfahren behauptet sich der Markt für pultrudierte GFK-Profile relativ gut. Dafür sind besonders einzelne neue Infrastrukturprojekte verantwortlich. Der teilweise öffentlich finanzierte Baubereich und neue Absatzgebiete vor allem im osteuropäischen Raum haben auch für den GFK-Rohrleitungsbau und Tankbau zu einem nur relativ schwachen Rückgang geführt. Thermoplastische Formmassen und Halbzeuge sind wie andere Verfahren hingegen vor allem von der Entwicklung des Automobilbereichs abhängig und haben entsprechende Rückgänge zu verzeichnen.

„Trotz der schwierigen Marktlage in Teilsegmenten sollten Composites- Unternehmen versuchen, Aufträge für größere Serien zu gewinnen“, rät der AVK-Geschäftsführer. Eine damit einhergehende Automatisierung bietet noch enormes Wachstumspotenzial. Neben neuen Materialien wird an neuen Prozessen und teilweise auch an der Entwicklung von „Mischverfahren“ bzw. hybriden Fertigungsverfahren gearbeitet.

Trotz der unterschiedlichen Entwicklung der Verarbeitungsverfahren ist in der Summe kaum eine Veränderung des Anteils der einzelnen Anwendungsindustrien gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen. Leichte Verschiebungen haben sich vom Transport- zum Bausektor ergeben. „Generell hat der Rückgang in Europa nahezu alle Anwendungsbereiche in ähnlicher Form getroffen“, erläutert Elmar Witten.

Das Gesamtvolumen der GFK-Produktionsmenge verteilt sich wie in Abbildung 2 dargestellt auf die erfassten europäischen Länder bzw. Ländergruppen. Die großen Player im europäischen Markt sind weiterhin Spanien, Italien, Deutschland, Großbritannien und Frankreich, deren Anteil an der Gesamtmenge von etwa zwei Drittel auf fast drei Viertel gewachsen ist.

Entwicklung Naturfaser- und kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe
Immer noch werden in über 90% der Composites in Europa Glasfasern als Verstärkungsmaterial eingesetzt. Spezifische Eigenschaften von Kohlenstofffasern und Naturfasern bieten aber grundsätzlich die gleichen Zukunftsperspektiven. Die Wahl für das „beste“ Material hängt neben dem Preis von Kriterien wie Festigkeit, Steifigkeit, Schwingfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit oder Bruchdehnung ab. Elmar Witten von der AVK erläutert: „Ein gegenüber Glasfasern höherer Preis für Kohlenstofffasern kann sich für bestimmte Hochleistungs-Einsatzgebiete rechnen.“ Als positive Entwicklung werden die Verfügbarkeit dieser Fasern am Markt und neue Anwendungsmöglichkeiten gesehen. Mit Naturfasern lassen sich für bestimmte Anwendungen Gewichtseinsparungen gegenüber Glas realisieren. Die demgegenüber stehenden Nachteile, bei Kohlenstofffaser z.B. die Bruchdehnung, bei Naturfasern z. B. die Feuchtigkeitsaufnahme, sind individuell abzuwägen.

Ausblick
„Die Aussichten für unseren Markt sind schwierig, bieten aber auch gute Perspektiven“, weiß Elmar Witten von der Industrievereinigung AVK. Das Produktionsvolumen im GFK-Markt wird voraussichtlich erst 2013/2014 wieder das Niveau der Jahre 2007 bzw. 2008 erreicht haben. Das deckt sich mit der generellen Einschätzung der Entwicklung der Kunststoffindustrie in den nächsten Jahren. Unterschiedliche Maßnahmen zur Begegnung der Krise haben die Anpassung der Beschäftigungs-struktur in den Unternehmen an die Produktions- bzw. Auftragslage noch verhindert bzw. zeitlich verzögert. Für 2010 ist in vielen europäischen Ländern mit einem Personalabbau zu rechnen (z. B. in Deutschland nach Auslaufen der staatlich geförderten Kurzarbeit-Maßnahmen).

Geschäftsklimabefragungen übergeordneter Wirtschaftsverbände zeigen aber positive Entwicklungen. Diese treffen auch auf die Composites-Industrie zu. Die Einschätzung vieler Manager ist, dass die „Talsohle“ erreicht ist. Dazu Elmar Witten: „Wir müssen aber ehrlicherweise feststellen, dass zunächst nur zaghaftes Wachstum von niedrigem Niveau aus erreicht werden kann. Das gilt vor allem für das Stammgeschäft der Unternehmen.“ Auch hier gibt es Unterschiede: In neuen Märkten gibt es Projekte, die bei entsprechender Auftragslage sogar zu Kapazitätseng-pässen führen können.

Die AVK sieht vorrangig drei strategische Herausforderungen, „denen sich die Composites-Industrie stellen muss“, so Elmar Witten.

1. Image und Bekanntheit der Werkstoffe
Die Vorteile der Materialien und Werkstoffe sind in weiten Teilen der Anwendungsindustrien noch nicht bekannt. Gegenüber „herkömmlichen“ Materialien wie z. B. Stahl, ist der Industriezweig noch relativ jung und das Marketing ausbaufähig. Es fehlen Informationen schon während der (Ingenieurs-) Ausbildung ebenso wie eine Aufklärung der Endkunden bzw. Konsumenten über Einsatzgebiete und Produkte, die Composites-Bauteile enthalten.

2. Innovationen
Neben der Substitution anderer Werkstoffe haben Composites ein enormes und nicht ausgeschöpftes Potenzial für neue Produkte und neue Anwendungen in bestehenden und neuen Märkten. Trends und Zukunftsmärkte müssen beobachtet, das systematische Innovationsmanagement in den Unternehmen muss ausgebaut werden.

3. Nachhaltigkeit
Composites haben über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet meistens Vorteile gegenüber Konkurrenzprodukten was eine „gesamtheitliche“ Nachhaltigkeit betrifft. „Wenn Ökologie, Ökonomie und soziale Auswirkungen stimmig verglichen werden, haben Composites in vielen Fällen die Nase vorn“, sieht Elmar Witten von der AVK trotz der derzeitigen Schwierigkeiten großes Wachstumspotential der Branche in den kommenden Jahren.

Weitere Informationen: www.avk-tv.de, www.composites-europe.com

AVK Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V., Frankfurt

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