19.03.2010 | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
Aus unserem Alltag sind sie nicht mehr wegzudenken – die vielen kleinen und großen Elektro- und Elektronikgeräte, die unser Leben erleichtern oder manchmal auch einfach nur schöner machen. Doch auch die langlebigste Waschmaschine oder der beste Elektrorasierer erweist sich irgendwann einmal als nicht mehr funktionstüchtig. Zudem werden Geräte aus der Unterhaltungselektronik oder dem IT-Bereich immer häufiger bereits vor ihrem eigentlichen Lebensende ausgetauscht. Laut Bundesumweltministerium nimmt daher die Menge des Elektro- und Elektronikmülls dreimal schneller zu als der übrige Siedlungsmüll. „Geteilte Produktverantwortung“ als neuer Weg Die Sammel- und Recyclingquoten beim vielen Elektroschrott erhöhen soll das im März 2005 in Kraft getretene „Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten“. Mit der „geteilten Produktverantwortung“ ist der Gesetzgeber dabei seinerzeit vollkommen neue Wege gegangen. Während die Kommunen auf ihren Wertstoffhöfen für die Sammlung sorgen, sind die Hersteller für Abholung und die umweltverträgliche Entsorgung verantwortlich. Schließlich sind Verbraucherinnen und Verbraucher seit März 2006 verpflichtet, ihre alten Geräte getrennt von Rest- oder Sperrmüll bei den Sammelstellen abzugeben. Eine Art „Hand in Hand-Strategie“, die sich ganz offenkundig lohnt. Bereits 2008 freute sich der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel über die „hohe Bereitschaft (...) Altgeräte einer umweltverträglichen Verwertung zuzuführen“. Dass man an der kommunalen Sammelstelle beispielsweise den vielen Kabeln in und an seinen alten Waschmaschinen, Fernsehern oder Computern tatsächlich ohne schlechtes Umweltgewissen den Rücken zudrehen kann, weiß Werner Preusker, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V. (AgPU) zu berichten: „Den Kabeln kann man im wahrsten Sinne beruhigt ‚Auf Wiedersehen’ sagen, denn deren Ummantelungen aus PVC und anderen Kunststoffen werden bereits seit vielen Jahren über bewährte Systeme erfolgreich erfasst und verwertet.“ Werkstoffliche Verwertung nach Kabelzerlegung Nach einer Vorsortierung werden im ersten Schritt die alten Geräte meist per Hand zunehmend aber auch automatisiert in einzelne Bauelemente und –gruppen zerlegt. So können bereits jetzt viele wertvolle Ausgangsmaterialien zurückgewonnen werden. Das Bildröhrenglas aus alten Fernsehern kann man für neue Glasprodukte nutzten. Vor allem sind es aber Metalle und Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin, beispielsweise aus Leiterplatten, die der Wiederverwertung zugeführt werden. Bei noch funktionierenden Einzelteilen erfolgt schließlich eine Prüfung, ob die Weiterverwendung wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Einen Großteil der Gerätekabel bereiten schließlich Kabelzerlegebetriebe im werkstofflichen Verfahren auf. Dabei werden zunächst mittels klassischer mechanischer Verfahren wie zum Beispiel Zerkleinerung durch Schneidmühlen, Verkugelung der Litzendrähte und Trennung der Isolationsstoffe durch Siebung und Windsichtung, Kupfer, Aluminium sowie die Kabelummantelungen voneinander getrennt zurückgewonnen. Neues Leben als Bakenfüße, Leitschwellen etc. Die Metalle dienen in Hütten, Halbzeug- und Umschmelzwerken als wichtige Rohstoffe für neue Erzeugnisse. Auch den alten PVC-Kabeln kann man in Form von Recyclat, das zu einer Reihe von hochwertigen Produkten weiterverarbeitet wird, wieder begegnen: „Im Straßenverkehr als Bakenfuß und Leitschwelle, in der Garageneinfahrt als Rasengitterelemente oder als robuster Bodenbelag in Boutiquen, Cafés und Supermärkten, - das sind nur einige Beispiele. Im zweiten Leben gibt es eine Menge Einsatzmöglichkeiten für das PVC-Recyclat,“ so Preusker. Zum Produkt durch Extrusion Hergestellt werden diese Produkte zumeist im sog. Extrusionsverfahren. Das Recyclat wird dabei in einem überdimensionalen „Fleischwolf“ durch beheizte Förderschnecken unter Druck gefördert und bei ca. 170 °C zu einer dickflüssigen Masse aufgeschmolzen. In einem zweiten Schritt wird das plastifizierte Material schließlich in eine Form gegeben und dann mit etwa 200 Tonnen zum Beispiel zu einem Bakenfuß gepresst, der nach seiner Abkühlung und Konfektionierung sofort zum Einsatz geeignet ist. Im Gegensatz zur Extrusion wird beim Spritzgießen die erhitzte Masse in einem Schritt direkt in eine Form gespritzt und abgekühlt. So stellt beispielsweise die Nicocyl GmbH aus Castrop-Rauxel neuen Industrieboden aus alten PVC-Kabeln her. Vom Kabel zur Bodenplatte Mit einer Mischung aus Innovation gepaart mit Zuverlässigkeit sind die fünfzig mal fünfzig Zentimeter großen Bodenplatten aus Ummantelungen alter Kabel und Produktionsabfällen bei den Kunden höchst beliebt. Durch ein speziell entwickeltes Stecksystem können die Platten schnell und kinderleicht selbst verlegt werden. Auf schwierigen Untergründen kann man dabei sogar auf eine Verklebung verzichten. Einmal verlegt, erweist sich der Recyclingboden als äußerst robust gegenüber äußeren Einwirkungen und verfügt über eine enorm hohe Rutsch- und Abriebfestigkeit. Kein Wunder also, dass Nicocyl Geschäftsführer Jakob Fröhlich nicht mehr auf die alten PVC-Kabelummantelungen als Ausgangsrohstoff verzichten will: „Das Material erfüllt für uns eben genau die Ansprüche, die wir für unseren qualitativ hochwertigen und robusten Boden brauchen.“ Lösemittelverfahren nutzt Löslichkeit von PVC Ein weiterer Verwertungsweg für Kabelummantelungen ist das Lösemittelverfahren, beispielsweise das Vinyloop Verfahren des Unternehmens Solvay. Dieser Recyclingweg macht sich die vollständige Löslichkeit von PVC in bestimmten Lösemitteln zunutze und ist vor allem für Verbunde sehr gut geeignet. Die Qualität des so gewonnenen Recyclats sei sehr hoch, so dass das Compound keiner zusätzlichen Aufbereitung mehr bedarf und sofort wieder eingesetzt werden kann, heißt es abschließend in einer AgPU-Mitteilung. Weitere Informationen: www.agpu.com |
Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V., Bonn
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