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26.01.2007 | Lesedauer: ca. 7 Minuten    

China: Binnenabsatz und Exportwirtschaft beflügeln Geschäft mit Kunststoffen

Deutsche Unternehmen gut positioniert / Produktpiraterie aber ständiges Thema

Jahr für Jahr verzeichnet die chinesische Chemiebranche neue Umsatzrekorde. In vielen Sparten ist die VR China bereits weltgrößter Hersteller und/oder Verbraucher. Wo dies noch nicht der Fall ist, drängt das Land in absehbarer Zeit an die Weltspitze. Allein die lokale Nachfrage nach Kunststoffen soll bis 2015 etwa ein Viertel des Weltabsatzes ausmachen. Während der Commodity-Sektor überwiegend von chinesischen Lieferanten abgedeckt wird, dominieren auslandsinvestierte Anbieter die Premium-Segmente.

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In keinem Land ziehen die Entwicklungen des Chemiesektors von Seiten der Branche derzeit mehr Aufmerksamkeit auf sich als die in der VR China. Angesichts boomender Exporte und eines immer größer werdenden Binnenmarktes prägt Optimismus das Bild. Dabei reichen die Einsatzmöglichkeiten für chemische Produkte in alle Bereiche des täglichen Lebens - vom Turnschuh bis zur PET-Flasche, von Kosmetik bis zur CD, von Kraftstoffzusätzen bis hin zu Stoßdämpfern für die Automobilindustrie sowie Spezialsegmente wie etwa Papierchemikalien.

Eher exportorientiert sind dabei die Absatzbereiche Textil, Elektronik und Spielsachen, eher auf den Binnenmarkt ausgerichtet Bauwirtschaft und Automobilindustrie. Mit einem Außenhandelsvolumen von über 1.422 Mrd. US$ (2005) ist die VR China mittlerweile zur drittgrößten Handelsnation weltweit avanciert - entsprechend groß ist die Nachfrage nach entsprechenden Inputs.

Kein namhaftes Chemieunternehmen kann es sich deshalb leisten, nicht vor Ort präsent zu sein. Wer auch in Zukunft als Global Player gelten will, muss, um seinen Anteil am Weltmarkt zu halten, mit dem chinesischen Markt mitwachsen. Zu den größten Investitionen ausländischer Unternehmen überhaupt zählen deshalb das Engagement der BASF und der Bayer AG.

Doch nicht nur die großen Konzerne versprechen sich in China gute Geschäfte. Auch mittelständische Unternehmen sind aktiv. Viele - und dies gilt nicht nur für die Mittelständler - folgen dabei ihren Kunden, schwerpunktmäßig aus der Textil-, der Automobil- und der IT-Industrie, welche ihrerseits ihre Fertigung aus Deutschland oder Europa nach China verlagern. Nicht selten ist es für sie der einzige Weg, um im Geschäft zu bleiben. Dabei werden nicht mehr nur einfache Fertigungen, sondern zunehmend Prozesse mit hoher Wertschöpfung aufgebaut. Sogar Forschungs- und Entwicklungsabteilungen werden eingerichtet, um den Kunden näher zu sein und besser auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren zu können.

Auch wenn die VR China in vielen Bereichen mittelfristig weiterhin auf Bezüge aus dem Ausland angewiesen sein wird, substituieren deshalb lokal hergestellte Produkte zunehmend die in der Vergangenheit stark gestiegenen Importe - zumal die chinesischen Anbieter ihre Produktionskapazitäten ebenfalls in hohem Tempo ausweiten.

Eine möglichst hohe Selbstversorgungsrate liegt auch im Interesse der chinesischen Politik. Diese begnügt sich allerdings nicht damit, dass die Produkte durch auslandsinvestierte Unternehmen vor Ort hergestellt werden, sondern fördert den Aufbau einer eigenen wettbewerbsfähigen Chemieindustrie. Bislang bestehen oft erhebliche Defizite in Qualität und Menge. Abgesehen von den gewaltigen Staatskonglomeraten wie der China National Petroleum Corporation (CNPC oder PetroChina), der China Petroleum & Chemical Corporation (Sinopec), der China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) sowie der neu gebildeten China National Chemical Corp (ChemChina) ist nämlich das Gros der chinesischen Chemiehersteller nach wie vor eher klein. Ihre Zahl geht, je nach Sparte, in die Tausende.

Die meisten lokalen Firmen zielen darauf, über einen rigiden Preiskampf Marktanteile zu gewinnen. Dabei liegen ihre Kosten um ein Vielfaches niedriger als diejenigen ihrer ausländischen Wettbewerber. Dies liegt nicht allein daran, dass sie verwaltungstechnisch enorm "schlank" sind; viele finden überdies "rentable" Wege, die strengen chinesischen Arbeitsschutz- und Umweltauflagen zu umgehen, an die sich die westlichen Investoren sehr genau halten. Weil sich der Großteil ihrer Abnehmer bislang vorwiegend preisorientiert verhalten hat, arbeiten die meisten überdies mit veralteten Technologien und investieren kaum in Forschung und Entwicklung. Auch werden in erster Linie die billigsten Inhaltsstoffe verwendet.

In der Folge liegt der Schwerpunkt der meisten einheimischen Hersteller bislang auf weniger anspruchsvoller Massenware. Da in diesem Commodity-Bereich häufig das günstigste Angebot das Rennen macht, kommen zumeist chinesische Anbieter zum Zuge. Vor allem hier, wenn auch nicht ausschließlich, klagt die Branche deshalb über einen kontinuierlichen Preisverfall. Trotzdem können auch internationale Konzerne im Commodity-Segment noch zum Zuge kommen - dann nämlich, wenn es sich bei den Kunden um internationale Player handelt, die zentral für den ganzen Konzern einkaufen und hierfür statt eines chinesischen Produzenten einen ebenfalls weltweit agierenden Partner bevorzugen.

Allerdings dürfte sich die Struktur der heimischen Unternehmen in den nächsten zehn Jahren kontinuierlich konsolidieren. Viele kleinere werden sich zu schlagkräftigeren Einheiten zusammenschließen müssen. Dies wird auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der Branche verbessern.

Bereits heute stoßen lokale Firmen zunehmend in qualitativ höherwertige Segmente vor. Tatsächlich geht es in vielen Sparten - etwa bei Kunststofferzeugnissen - nicht mehr allein um große Stückzahlen. Impulse für mehr Qualität kommen nicht nur aus der Exportindustrie. Auch die Abnehmer im Inland werden anspruchsvoller. Vor allem die chinesische Mittelschicht verlangt bessere Kosmetika, Textilien, Waschpulver und sogar Autos, um nur wenige Beispiele zu nennen. Dies erschließt insbesondere der Spezialitätenchemie mit Produkten wie Elektro-, Bau- und Automobilchemikalien, Adhäsiven, Wasser- und Biochemikalien neue Märkte.

Um ihre Position gegenüber den lokalen Wettbewerbern zu halten, fahren internationale respektive die technologie-starken deutschen Unternehmen zwei Strategien. Zum einen nutzen sie ihren Know-how-Vorteil für an den chinesischen Markt angepasste Produkte im qualitativ hochwertigen Bereich. Je anspruchsvoller die Kunden (beispielsweise OEM-Hersteller in der Automobilindustrie), umso mehr kommen dabei ihre Stärken wie hohe und konstante Qualität sowie Anwendungsorientierung zum Tragen.

Ein typisches Beispiel ist Halbzeug. Wenn bei Profilen oder (Hohl-)Stäben Form- und Thermobeständigkeit, chemische Widerstandsfähigkeit und Reinheit des Werkstoffes gefragt sind, haben deutsche Anbieter ihre Chance. Insbesondere letzteres ist eine Schwäche vieler chinesischer Hersteller, die ihre Artikel nach Gewicht verkaufen und den Kunststoffen deshalb schwerere Partikel beimischen. Erfolgsvoraussetzung ist allerdings speziell bei hoch technischen Produkten nachhaltige Aufklärungsarbeit und intensive Kundenbetreuung.

Darüber hinaus bilden ausländische Unternehmen, um auch die preiswerteren Segmente abzudecken, Kooperationen mit gut aufgestellten lokalen Partnern beziehungsweise kaufen sie auf, soweit dies der chinesische Gesetzgeber zulässt. Denn je nach Sparte sind die Bewegungsspielräume für ausländische Unternehmen eingeschränkt. So ist etwa der chinesische Düngemittelsektor quasi komplett verschlossen, und im Petrochemiebereich werden nur Joint Venture mit maximal 50%iger Beteiligung zugelassen. Da die chinesische Seite sehr am ausländischen Know-how interessiert ist und die internationalen Konzerne angesichts der hohen Attraktivität des Marktes nicht Außen vor bleiben wollen, wird sich an dieser Situation auf absehbare Zeit kaum etwas ändern.

Entsprechend zählt - neben nicht ausreichend zuverlässigen Rohmaterial-Lieferungen - die mangelhafte Beachtung geistiger Eigentumsrechte zu den wichtigsten Problemen, mit denen ausländische Branchenunternehmen in China konfrontiert sind. Gegen besonders dreiste Produktpiraten werden vereinzelt Prozesse angestrengt und von Seiten der Kläger auch gewonnen. Solche Siege haben wichtigen Symbolcharakter, kosten aber auch viel Zeit und Geld. Nicht selten bleiben die Geschädigten allerdings machtlos dem Geschehen ausgeliefert.

Bei aller Euphorie gilt es deshalb genau abzuwägen, ob und mit welchen Produkten eine Fertigung vor Ort Sinn macht. Abhängig vom Produkt-Portfolio - beispielsweise "wie wichtig sind Kundennähe, welche Bedeutung haben Kostenkurveneffekte?" - fallen die Entscheidungen unterschiedlich aus. Insbesondere bei kleinen Mengen, bei denen Transport- und Lohnkosten nur marginale Bedeutung zukommt, wie zum Beispiel bei hochgradig reinen Reagenzien oder Katalysatoren, empfiehlt es sich eher, die VR China von außen zu beliefern.

Angesichts der Vielzahl der zusätzlich geplanten Projekte ist schon heute absehbar, dass mancher Hersteller über das Ziel hinausschießt und letztlich Angebotsüberhänge zu erwarten sind. Nach Fehlentwicklungen in der Vergangenheit, zum Beispiel mit Blick auf Überproduktion in Bereichen wie Düngemittel, Chemiefasern oder PVC, aber auch aufgrund von Defiziten in Sachen Sicherheit (Chemieunglücke) und Umweltschutz, hat sich die chinesische Regierung für den aktuellen Fünfjahresplan (2006 bis 2010) eine nachhaltigere Entwicklung der petrochemischen/chemischen Industrie auf ihre Fahnen geschrieben.

Es wird deshalb erwartet, dass die chinesische Umweltbehörde, die State Environmental Protection Agency (SEPA), den Genehmigungsprozess für chemische Anlagen verschärfen wird. In der Tat beschreiben die regelmäßigen Berichte über verheerende Chemieunglücke in der VR China nur die Spitze des Eisbergs. Nach einer 2006 veröffentlichten Untersuchung der SEPA stellt fast die Hälfte aller chinesischen Chemiefabriken ein größeres Umweltrisiko dar.

Zwar existieren relativ strenge Sicherheits- und Umweltauflagen. An der Umsetzung indessen hapert es vielfach - und dies oft mit Rückendeckung lokaler Behördenvertreter sowie in zunehmendem Umfang je weiter man von den Metropolen Beijing oder Shanghai entfernt ist. Mittlerweile wird sogar von Wanderungsbewegungen berichtet. Beispielsweise heißt es, dass Färbemittelhersteller in Guangdong ihre Zelte abbrechen, weil die verantwortlichen Stellen dort im Abwassersegment härter durchgreifen. Stattdessen siedeln sie sich an weniger kontrollierten Standorten an. Bis hier wirklich landesweit nachgerüstet wird, ist es noch ein weiter Weg. (G.S.)

Weiterführende Informationen

bfai Bundesagentur für Außenwirtschaft, Köln

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