17.02.2021, 06:00 Uhr | Lesedauer: ca. 5 Minuten |
Werden Verpackungen vom Verbraucher ordnungsgemäß gesammelt, so können sie anschließend verwertet und zu Wertstoffen werden. Dadurch wird die Umweltbelastung minimiert. Leider wird Müll jedoch oft achtlos weggeworfen, sodass Kunststoffabfälle in die Umwelt gelangen und vom Land aus über die Flüsse in die Meere eingetragen werden. Durch äußere Umwelteinflüsse beginnt der Kunststoff zu altern und schließlich zu fragmentieren. Es entstehen Mikrokunststoffpartikel, das sogenannte Mikroplastik. Weitere Quellen für den Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt sind der Abrieb von Reifen sowie der Faserabrieb von Textilien bei der Wäsche sowie Partikel in Kosmetikprodukten. Die Mikropartikel gelangen in die Kläranlagen und zum Teil mit dem Klärschlamm auf die Felder. Dort verbleiben sie je nach Kunststoffart Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Mikroplastik in der Umwelt ist ein Problem, dessen Ausmaße und Auswirkungen noch unzureichend untersucht sind. Alle bisher eingesetzten analytischen Verfahren für die Detektion von Mikrokunststoffen haben eine Partikelgrößengrenze von wenigen Mikrometern. Für kleinere Partikelgrößen, etwa im Nanobereich, müssen erst neue Methoden entwickelt werden. Nanokunststoffpartikel detektieren und chemisch identifizieren Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sehr kleine Kunststoffpartikel zellgängig sind und so möglicherweise ein größeres Risiko für Menschen und Umwelt sein könnten, ist es wichtig, die Dimensionen und das Verhalten des Partikeleintrags untersuchen und abschätzen zu können. Mit einem neuen Verfahren, dem Nano-AFM-IR, bei welchem Rasterkraftelektronenmikroskopie mit Infrarot-Spektroskopie gekoppelt wird, ist eine chemische Bildgebung mit einer Auflösung von wenigen Nanometern möglich. In einem Forschungsprojekt zum Thema Mikroplastik konnte am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart gezeigt werden, dass es möglich ist, Nanokunststoffpartikel zu detektieren und chemisch zu identifizieren. Gleichzeitig können Partikelgröße und -form eindeutig abgebildet werden. Erste Ergebnisse der Untersuchung werden auf dem in diesem Jahr erstmals digital stattfindenden Stuttgarter Kunststoffkolloquium präsentiert. Biologisch abbaubare Kunststoffe Die Vermeidung von Mikroplastik geht auch damit einher, umweltgerechte Alternativen zu konventionellen Kunststoffen zu entwickeln. Ins Bewusstsein treten dabei verstärkt die biologisch abbaubaren Kunststoffe, insbesondere für Anwendungen, die zwangsläufig in der Umwelt verbleiben. Für biobasierte Kunststoffe kommen viele verschiedene Polymere infrage. Eines dieser Polymere ist das biobasierte Polyethylenfuranoat (PEF). Ein dem PET ähnliches Polymer, das aufgrund seiner besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften dem PET in einigen Anwendungen sogar überlegen ist. Besonders zu nennen sind bessere mechanische Eigenschaften bei der Faserherstellung oder eine höhere Gasdichtigkeit gegenüber Kohlenstoffdioxid, Sauerstoff und Wasserdampf, was bei der Anwendung als Lebensmittelverpackungsmaterial von großem Vorteil ist. Das Polymer und darauf basierende Kunststoffe werden an der Universität Stuttgart umfangreich erforscht, sodass ihm einige Beiträge auf dem Kolloquium gewidmet werden. Ersatz für Standardkunststoffe Die Herstellung der Ausgangschemikalie aus landwirtschaftlichen Abfallströmen ist der erste Schritt zur Herstellung von PEF. Die Entwicklung eines Umwandlungsprozesses mit insulinhaltigen Pflanzen (Polymer der Fruktose) als Ressource ist ein neuer Ansatz für eine Quelle. In Forschungsarbeiten an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) konnte die Synthese von PEF aus 2,5-Furandicarbonsäure (FDCA) oder dessen Methylester, Dimethyl-2,5-Furandicarboxylat (FDME), mit Ethylenglykol durchgeführt und so eine neue Route für diesen vielversprechenden Biokunststoff entwickelt werden. Bei der Synthese von PEF werden bislang Makomoleküle mit uneinheitlichen Molekulargewichten bzw. Viskositäten erhalten, sodass PEF noch nicht die Anforderungen an eine industrielle kunststofftechnische Verarbeitung erfüllt. Aufgrund des ähnlichen molekularen Aufbaus von PEF und PET wird daher am IKT untersucht, inwiefern sich übliche Additive für PET auf die Modifizierung von PEF übertragen lassen. Eine Aufbereitung im Doppelschneckenextruder mit einem Epoxid sowie mit einem Isocyanat konnte bereits erfolgreich durchgeführt werden. Die rheologische Analyse zeigt, dass sich die Viskosität von PEF steigern lässt, jedoch aufgrund von parallel auftretenden Abbaueffekten Thermostabilisatoren ergänzt werden müssen. Durch weitere Forschungsaktivitäten soll PEF in Zukunft als vollwertige Alternative zu PET weiterentwickelt werden. Neben seinen auffälligen Eigenschaften als Kunststoff stellt PEF außerdem ein mögliches Faserpolymer dar. Im Zuge laufender Forschungsarbeiten an den DITF konnte gezeigt werden, dass PEF mit geringfügigen Modifikationen auf bestehenden Reaktoren synthetisiert werden kann. Darüber weist es ähnliche textile Verarbeitungseigenschaften wie PET auf. PEF kann auf konventionellen Spinnanlagen verarbeitet werden, sodass Multifilamentgarne ausgesponnen werden konnten, die auf textile Eigenschaften und darüber hinaus zu Hochfestgarnen nachverstreckt werden konnten. Weiterhin konnten Garne zu Stapelfasern und diese zu Gestricken weiterverarbeitet werden, die gute Reibeigenschaften aufweisen. Das IKT verfolgt außerdem mehrere Aktivitäten in Bezug auf andere biobasierte Kunststoffe, um auf lange Sicht Standardkunststoffe zu ersetzen. Heutzutage dominieren beispielsweise immer noch Partikelschäume aus Polystyrol (PS) den Markt. Aufgrund von Restriktionen in einigen Ländern gegen Verpackungen aus PS, ist eine Alternative zu dem auf fossilen Ressourcen basierenden PS unabdingbar. Polylactid (PLA) ist einer der bedeutendsten Biokunststoffe weltweit und stellt somit einen guten Substituenten für PS dar, auch wegen der hiermit vergleichbaren Eigenschaften. Ein Nachteil von kommerziell erhältlichem PLA ist jedoch die geringe Schmelzefestigkeit und Dehnfähigkeit, die beim Schäumen eine wichtige Rolle spielt. Eine Variante, um dies zu verbessern, ist der Einsatz von Modifikatoren. Durch reaktive Extrusion auf einem Doppelschneckenextruder können die Polymerketten vernetzt oder verzweigt werden. Am IKT wurde in Anlehnung an das amorphe PS ein amorphes PLA mit einem organischen Peroxid modifiziert. Es wurde untersucht, inwieweit sich die Modifizierung auf die Schmelzeeigenschaften von PLA auswirkt und ob sich das amorphe PLA nach dem gleichen Herstellungsprozess wie PS-Partikelschäume schäumen und schweißen lässt. Durch die Modifizierung konnten das Molekulargewicht und die Viskosität von PLA erhöht werden. Zudem konnte am IKT ein Partikelschaum aus amorphem PLA hergestellt werden. Diese und weitere aktuelle Forschungsaktivitäten und Erkenntnisse auf dem Gebiet „Nachhaltigkeit mit Kunststoffen“ werden im Rahmen des 27. Stuttgarter Kunststoff-Kolloquiums vorgestellt. 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, 01.-04. März 2021, Stuttgart Weitere Informationen: |
Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT), Stuttgart
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