plasticker-News

Anzeige

29.09.2014, 05:55 Uhr | Lesedauer: ca. 8 Minuten    

VDMA: „Funktionsintegration senkt Kosten und sichert Standort“ - Interview mit Ralf Simon, Geschäftsführer der Nordson BKG, und Heiko Weber, Leiter Projektabwicklung bei Herbold Meckesheim

Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Die Steigerung von Energie- und Ressourceneffizienz zählt ebenso dazu wie bessere Ausbildung und gute Unternehmensführung. Auch die Funktionsintegration gehört dazu, also die Verdichtung verschiedener Aufgaben in einem Bauteil oder einem Produktionsprozess.

Der VDMA bietet im Vorfeld der Fakuma 2014 ein Interview zu diesem Thema mit Ralf Simon, Geschäftsführer der Nordson BKG und Heiko Weber, Leiter Projektabwicklung bei Herbold Meckesheim.

Das Unternehmen aus Meckesheim bei Heidelberg stellt Maschinen und Anlagen zum Kunststoffrecycling sowie für die Zerkleinerung von Produktionsabfällen her. Nordson BGK aus Münster ist auf Unterwasser-Granuliersysteme für Kunststoffe spezialisiert. Beide Firmen sind somit Anbieter von Peripherie-Maschinen in der Kunststoffverarbeitung.

Anzeige

Was bedeutet Funktionsintegration für Sie als Recycler?

Ralf Simon, Geschäftsführer der Nordson BKG
Ralf Simon, Geschäftsführer der Nordson BKG
Simon: Für uns bedeutet Funktionsintegration immer, einen Prozess zu optimieren. Wir sind zum Beispiel gerade dabei, für unsere Wassersysteme eine Energierückgewinnung zu entwickeln. Die Kühlenergie, die wir bei unserer Unterwassergranulierung in hohem Maße brauchen, können wir in Wärmenergie verwandeln und die dann beispielsweise dazu nutzen, Granulat wieder aufzuwärmen. Damit erreichen wird eine Energiereduzierung bei der Extrusion. Das bedeutet für uns eine nachhaltige Funktionsintegration.

Weber: Auch bei uns geht es immer um das Verfahren, wenn wir von Funktionsintegration sprechen. Das Verfahren steht im Vordergrund. Ob wir es sinnvoll finden, Prozesse zu integrieren, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht immer ist das der richtige Weg. Wenn wir sehr komplexe Bauteile zerkleinern müssen, die vielleicht noch Verbundwerkstoffe enthalten, dann haben wir einen sehr hohen Verschleiß in unseren Maschinen. Da macht es mehr Sinn, in einem Mühlengehäuse eine Verschleißplatte zu haben, die man einfach ausschrauben und auswechseln kann. Funktionsintegration würde ja bedeuten, dass das Mahlgehäuse den Verschleißschutz gleich mitübernimmt. Das ist bei den ganz einfachen und robusten Anwendungen schwierig. Natürlich ist Vereinfachung der Produktion grundsätzlich wünschenswert, etwa indem das Mahlgehäuse gleichzeitig auch den Verschleißschutz übernimmt. Das ist zum Beispiel bei sauberen Abfällen gut möglich.

Sind funktionsintegrierte Bauteile, die unterschiedliche Materialien enthalten, schwieriger zu recyceln als Ein-Stoff-Bauteile?

Heiko Weber, Leiter Projektabwicklung bei Herbold Meckesheim
Heiko Weber, Leiter Projektabwicklung bei Herbold Meckesheim
Weber: Die Komplexität des Trennens wird auf jeden Fall größer. Wenn man zum Beispiel Metall in einem Kunststoffbauteil hat, kann man sich damit die Schneidwerkzeuge beschädigen. Auch Verbundmaterialien zu trennen ist schwierig. Aber das ist eben auch die Herausforderung, die sich einem auf Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmen wie unserem stellt: mit neuen Verfahrensschritten neue Aufgaben erledigen. Im Zuge der Neuentwicklungen kommen wir auch zu funktionsintegrativen Verfahrensschritten. Ein Beispiel ist unsere Schneidmühle mit Schneckenzuführung, die zwangsbeschickt wird. In nur einer Maschine haben wir dort eine Kombination von Funktionen. Die Schneidmühle kann mit der entsprechenden Schnecke Bunkerfunktionen übernehmen.

Simon: Wir sind kein klassischer Recycler. Wir filtrieren und granulieren die Teile, die nach dem Recycling wieder zu Schmelze geworden sind. Wenn aber das Recycling nicht perfekt gelungen ist, eben weil funktionsintegrierte Bauteile mit vielen unterschiedlichen Materialien getrennt werden mussten, dann kann es passieren, dass noch Reste in der Schmelze sind. Diese Reste müssen wir dann wieder herausfiltern. Das ist ein zusätzlicher Aufwand.

Bei Funktionsintegration in Bauteilen ist es meistens so, dass damit eine höhere Automatisierung einhergeht. Ist das bei funktionsintegrierten Prozessen auch so?

Simon: Das geht nicht zwingend Hand in Hand. Man kann Prozesse optimieren ohne den Grad der Automation zu steigern. Ein Beispiel ist unser Crystall-Cut-Verfahren. Dort haben wir in einen Prozess eine Funktionsintegration realisiert. In diesem Verfahren lassen wir die Schmelze so kurz wie nur möglich in der Unterwassergranulierung. Nach dem Trockner hat das Granulat bereits die zur Kristallisation nötige Temperatur. Das PET wird also in einem einzigen Schritt granuliert und kristallisiert. Die Einsparung resultiert daraus, dass das Granulat nicht abkühlt und danach nicht wieder aufgeheizt werden muss. Wir haben das Verfahren so optimiert, dass wir die Eigenenergie, die im Produkt ist, benutzen und damit den aufwändigen Schritt des Nachkristallisierens eliminieren. Dass ist ein Beispiel für Prozessoptimierung, bei dem wir den Grad der Automatisierung nicht erhöht haben. Wir haben Funktionsintegration betrieben, weil wir das Verfahren auf einen Schritt verdichtet haben.

Weber: Wenn wir verschiedene Funktionen in eine Einzelmaschine integrieren oder schon aus Platzgründen versuchen, eine anstelle von drei Maschinen zu benötigen, bedingt dies schon einen höheren Automatisierungsgrad. Dies veranschaulicht das eben genannte Beispiel der Schneidmühle mit Zwangsbeschickung. Wenn sich die Schnecken in der Scheidemühle einfach nur drehen, wird der Mahlraum nie ganz ausgelastet. Deshalb muss man gleichzeitig eine Automatisierung vornehmen: Der Rotor muss sich drehen, die Stromaufnahme muss gemessen werden, entsprechend muss die Drehzahl der Schnecken angepasst werden. Außerdem haben wir noch einen Vibrationssensor eingeführt, der verhindert, dass zu viel Material in den Mahlraum kommt und die Messer dadurch beschädigt werden. Es sind also verschiedene Prozesse nötig, um das Ziel zu erreichen, den Mahlraum immer gefüllt zu halten. Mit dieser Funktionsintegration ist auch ein höherer Automatisierungsgrad verbunden.

Ist Funktionsintegration ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit oder eher nicht?

Simon: Das ist abhängig vom jeweiligen Prozess. In manchen Fällen bringt Funktionsintegration bei Prozessen auch in puncto Nachhaltigkeit Vorteile. Immer dann, zum Beispiel, wenn Ressourcen geschont werden. Deshalb ist unser Crystall-Cut-Verfahren nachhaltig. Dadurch wird Energie eingespart. Entsprechend verringern sich die Emissionen in der Stromproduktion.

Weber: Bei uns haben die Prozess-Veränderungen fast immer einen nachhaltigen Effekt. Die Zwangsbeschickung der Mühle ist wieder ein gutes Beispiel. Denn damit wird sichergestellt, dass der Mahlraum immer optimal gefüllt ist. Fehlt Material, kann die Maschine herunter gefahren werden. Das führt zu Energieeinsparungen zwischen 30 und 50 Prozent. Die Mehrkosten, die sich dadurch ergeben, dass die Maschinen komplexer geworden sind, werden allein schon durch diese Energieeinsparung wettgemacht. Der Nutzen ist also deutlich größer als das, was ich reingesteckt habe. Das ist für mich nachhaltig.

Ist es immer sinnvoll, Prozesse zu verdichten?

Simon: In der Regel werden die Prozesse komplexer und komplizierter. Es stellt sich ist durchaus die Frage, ob das immer sinnvoll ist. Ein Kunststoffbauteil, in das Verbundkunststoffe integriert sind, ist schwieriger zu recyceln. Gelingt die Trennung der einzelnen Stoffe nicht perfekt, gelangen diese Fasern in die Schmelze, die wir zu Granulat aufarbeiten. Die Folge ist höherer Verschleiß. Dem kann man nur entgegen wirken, indem man die Bauteile, die sonst komplex als ein Teil vorhanden sind, in mehrere Einzelteile aufspaltet. Das bedingt natürlich auch mehr Wartung, also mehr Aufwand.

Macht das Sinn, wenn man nicht das geschulte Personal hat?

Simon: In Ländern, wo das Personal nicht den Bildungsstand hat wie bei uns in Europa, lassen sich solche komplexen Anlagen schwer verkaufen. Dort hätte man sicherlich Probleme beim Betreiben der Anlage, weil der Ausbildungsstand nicht für das richtige Bedienen ausreicht. Vor diesem Hintergrund hat ein höherer Automatisierungsgrad meistens einen negativen Effekt. Wir fahren immer gut dabei, in Ländern mit niedrigerem Bildungsstand einfachere Systeme zu liefern. Man darf auch nicht vergessen, dass die Lohnkosten in diesen Ländern viel niedriger sind, und sich Investitionen in automatisierte Prozesse gar nicht lohnen.

Weber: Das sehen wir auch so. Zumal wir in den Schwellenländern einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind. Unsere Wettbewerber dort, viele kommen aus Asien, bieten meist einfache Anwendungen an. Viele fragen sich dann, warum soll man in eine recht teure Anlage investieren, wenn ich die einzelnen Vorteile gar nicht ausspielen kann. Wenn ich die Anlagen nur gnadenlos auf Verschließ fahre, wenn ich keine Sicherheitsstandards einhalte. Das ist vielerorts noch der Fall, Sicherheitsfragen spielen oft keine Rolle. Für solche Anwendungen ist es für uns schwer, im Wettbewerb zu bestehen.

Sichert Funktionsintegration den Standort Deutschland?

Weber: Wenn die Ansprüche an den Verarbeitungsprozess in der Recyclingtechnologie größer werden, kann man diese höheren Anforderungen nur durch höher automatisierte Maschinen und Anlagen erfüllen. Wir haben in Deutschland den großen Vorteil, dass wir innovativ sind und das Personal gut ausgebildet ist. Deshalb können wir die Anforderungen des Marktes durch funktionsintegrierte Bauteile und Prozesse erfüllen. Das ist natürlich ein großer Vorteil. Und das sichert auch den Standort Deutschland als Produktionsstandort.

Simon: Funktionsintegration wird helfen, Kosten zu senken. Das ist in einem Hochkostenland wie Deutschland sehr wichtig. Man darf nicht vergessen: Der Slogan „Made in Germany“ zieht noch immer. Speziell in China oder auch in Indien kommt immer wieder die Frage: Ist denn die Anlage auch komplett in Deutschland hergestellt? Wenn gewährleistet ist, dass die Maschinen komplett in einem hochtechnisierten Land mit hohen Standards und Qualitätsnormen hergestellt worden sind, ist man manchmal auch bereit, mehr zu bezahlen. Zehn bis 15 Prozent zahlt der Kunde dann vielleicht mehr. Aber nicht 20 oder 30 Prozent. Deshalb muss man zusehen, dass man in Deutschland durch Funktionsintegration und auch durch Automatisierung die Kosten in Grenzen hält.

Über Nordson BKG
Das lange Zeit eigentümergeführte Münsteraner Unternehmen gehört seit 2013 zur US-amerikanischen Maschinenbaugruppe Nordson. Nordson BKG – ehemals BKG Bruckmann & Kreyenborg Granuliertechnik GmbH – beschäftigt 110 Mitarbeiter und setzte 2013 rund 34 Millionen Euro um.

Über Herbold Meckesheim
Herbold Meckesheim ist spezialisiert auf die Aufbereitung von Abfällen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Das Unternehmen beschäftigt 120 Mitarbeiter. Der Umsatz liegt in der Größenordnung von 25 Millionen Euro. Alle Maschinen und Anlagen werden am Standort Meckesheim gefertigt. Wichtige Märkte sind neben Deutschland und Europa auch Nordamerika, Nordafrika, der Nahe und der Ferne Osten.

Weitere Informationen: www.herbold.com, www.vdma.org/kunststoffmaschinen-gummimaschinen

Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA, Frankfurt

» insgesamt 114 News über "VDMA" im News-Archiv gefunden

Anzeige

Ihre News im plasticker? Bitte senden Sie Ihre Pressemitteilungen an redaktion@plasticker.de!


» zurück zum Seitenanfang


Aktuelle Geschäftskontakte
Top News / Meist gelesen
plasticker Newsletter
Wir informieren Sie schnell, umfassend und kostenlos über das, was in der Branche passiert.

» Jetzt anmelden!

» Weiterempfehlen

Machen Sie Ihre Reste zu Geld!
Sie haben Neuware-Restmengen, Mahlgüter oder Produktionsabfälle?

Dann veräußern Sie diese kostenlos
in der Rohstoffbörse.

Für Ihre ausrangierten Maschinen und Anlagen finden Sie Abnehmer in der Maschinenbörse.
Aktuelle Rohstoffpreise
Neue Fachbücher
Kunststoffe in der Medizintechnik

Das Fachbuch "Kunststoffe in der Medizintechnik - Vorschriften und Regularien, Produktrealisierung, Herstellungsprozesse, Qualifizierungs- und Validierungsstrategien" ist als Leitfaden für die Anwendung von Kunststoffen in Medizinprodukten konzipiert.