21.02.2017, 06:00 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten |
Der Begriff „Biokunststoff“ umfasst die völlig unterschiedlichen Eigenschaften biologische Abbaubarkeit und biologischer Ursprung. Allerdings müssen nicht immer beide Eigenschaften zugleich in einem Biokunststoff vorliegen. Während die Eigenschaft „biologischer Ursprung“ durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe dazu beiträgt, den Umwelteintrag fossilen CO2s zu reduzieren und eine Unabhängigkeit der Kunststoffbranche von Erdöl voranzutreiben, stellt die biologische Abbaubarkeit einen alternativen Entsorgungsweg dar. Eine Gemeinsamkeit aller unmodifizierten Biopolymere ist, dass diese nicht ohne vorherige Aufbereitung einsetzbar sind. So sind sie meist spröde, steif oder weisen eine zu geringe Langzeitbeständigkeit auf. Um maßgeschneiderte Biokunststoffe mit optimierten Verarbeitungs- bzw. Eigenschaftsprofil realisieren zu können, müssen die Biopolymere zu Biokunststoffe aufbereitet werden. Zur Verbesserung der Eigenschaften von Biokunststoffen werden am Institut für Kunststofftechnik (IKT) verschiedene Biopolymere betrachtet. In einem von der DFG-gefördertem Projekt wird das Biopolymer Polylactid (PLA) über einen reaktiven Extrusionsprozess chemisch modifiziert. Ziel ist es, die niedrige Schmelzefestigkeit und Dehnfähigkeit der Schmelze zu erhöhen, um das Schäumen zu ermöglichen. Hierzu wurden unterschiedliche Modifikatoren verwendet, um die rheologischen Eigenschaften, durch Einbringen von Seitenkettenverzweigungen, Erhöhung des Molekulargewichts und der Molekulargewichtsverteilung sowie durch chemische und physikalische Vernetzungen zu verbessern. Die Wahl der richtigen Additive erlaubt dann ein Schäumen des PLA unter Ausbildung einer stabilen und homogenen Struktur. Neben der Schmelzefestigkeit wurde auch das Kristallisationsverhalten verbessert. Die Kristallisationsgeschwindigkeit des modifizierten PLA ist signifikant höher als die des unmodifizierten PLA, was zusätzlich die Viskosität und Schmelzefestigkeit während der Abkühlung erhöht und damit ebenfalls zur Stabilisierung der gebildeten Schaumstruktur beiträgt. Ein weiteres Thema im Bereich der Aufbereitung von Biokunststoffen, das am IKT verfolgt wird, ist die Eigenschaftsveränderung des Biokunststoffs Polyhydroxyalkanoat (PHB). Er ist biobasiert und weist z.B. eine gute Sperrwirkung gegen Wasserdampf auf und ist sogar in Meerwasser biologisch abbaubar, worin wegen des Salzgehaltes, nur wenige Biokunststoffe bioabbaubar sind. Wie andere Biokunststoffe auch, hat PHB die Eigenschaft, dass es spröde und daher z.B. für Folienanwendungen nicht geeignet ist. Am IKT ist es gelungen ein PHB-Blockcopolymer mit Hilfe eines zweistufigen Compoundierprozesses herzustellen. Dabei wird PHB im ersten Schritt gezielt molekular abgebaut, bevor es im zweiten Aufbereitungsschritt mit einer geeigneten Weichphase zu einem Blockcopolymer reaktiv aufbereitet wird. Durch die Synthese zu einem Blockcopolymer wird die Dehnfähigkeit des Werkstoffs verbessert, ohne dabei die thermischen oder chemischen Eigenschaften zu verändern. So konnte die Bruchdehnung im Zugversuch von unter einem Prozent des unmodifizierten PHB auf über 35 Prozent gesteigert werden. Das IKT forscht zusammen mit dem Institut für Biochemie der Universität Stuttgart (ITB) zudem an der Modifizierung von Cellulose, die ebenfalls ein Biopolymer ist. Damit Cellulose thermoplastisch verarbeitbar wird, müssen die drei zur Verfügung stehenden Hydroxygruppen an einer Celluloseeinheit substituiert werden. Bei dem handelsüblichen Cellulosederivat Celluloseacetat (CA) werden beispielsweise zwei der OH-Gruppen mit Acetylgruppen ersetzt. Für eine erfolgreiche Verarbeitung muss CA allerdings noch mit geeigneten Weichmachern aufbereitet werden. Die Herausforderung bei der Modifizierung von Cellulose ist die durch sterische Hinderung schwierige Substitution der OH-Gruppen. Dem ITB ist es gelungen, mit Hilfe von ionischen Flüssigkeiten die OH-Gruppen beliebig zu substituieren und einen definierten Substitutionsgrad einzustellen. Durch diese neuartige Modifizierung kann Cellulose nun schonender zu einem Thermoplast modifiziert werden. Durch die richtige Wahl des Substitutionspartners, dem Substitutions- sowie dem Polymerisationsgrades kann zudem die Notwendigkeit vom späteren Zufügen von Weichmachern vermieden werden. Diese und weitere aktuelle Forschungsaktivitäten und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Eigenschaftsverbesserungen von Biokunststoffen werden im Rahmen des 25. Stuttgarter Kunststoffkolloquiums vorgestellt. Weitere Informationen: www.stuttgarter-kunststoffkolloquium.de, www.ikt.uni-stuttgart.de 25. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, 22.-23. März 2017, Stuttgart |
Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT), Stuttgart
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