17.02.2021, 05:58 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten |
Um die Nachhaltigkeit in der Kunststoffindustrie zu fördern, sind die Bestrebungen derzeit groß, einen möglichst hohen Anteil an Kunststoffkomponenten werkstofflich zu recyceln. Eine Herausforderung liegt dabei in der Trennung der verschiedenen Kunststoffbestandteile. Airbags, die primär aus Fasern aus Polyamid 6.6 bestehen, weisen z.B. eine zusätzliche Silikonbeschichtung auf, die im Falle einer Wiederaufbereitung nicht mechanisch von der Kunststoffmatrix getrennt werden kann. Die damit im Rezyklat enthaltenen Silikonkautschukpartikel und deren geringe Anbindung an das PA66 führen zu schlechten mechanischen Kennwerten bzw. frühem Werkstoffversagen aufgrund von Grenzflächenablösung. Am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart wird deshalb eine neue Recyclingstrategie für Airbag-Abfälle aufgezeigt. Über die reaktive Aufbereitung der Airbagabfälle mit einem Silan-Haftvermittler im Doppelschneckenextruder wird eine chemische Kopplung zwischen den verbliebenen Silikonkautschuk-Partikeln und der PA66-Matrix erzeugt. Rheologische Untersuchungen bestätigen die Ausbildung einer vernetzten Struktur unter Ergänzung des Haftvermittlers. Die mechanische Analyse zeigt eine Erhöhung der Kerbschlagzähigkeit und der Bruchdehnung, weil der Silikonkautschuk nun als Schlagzähmodifikator wirkt. Eine vertiefende Analyse des Prozesses an einem aufklappbaren Doppelschneckenextruder verdeutlicht die Notwendigkeit einer Anpassung der Maschinenparameter sowie des Schneckenkonzepts, um den Reaktionsbereich in der Verfahrenszone optimal auszunutzen sowie um Nachreaktionen und Abbaueffekte zu unterbinden. Die reaktive Extrusion auf Doppelschneckenextrudern hat am IKT eine lange Tradition und wird auch für die Modifikation von Biokunststoffen, zum Beispiel zur Verbesserung der Schlagzähigkeit erforscht. Das Biopolymer Polyhydroxybutyrat (PHB) ist aufgrund seiner ressourcenschonenden Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen und seiner guten biologischen Abbaubarkeit auch unter widrigen Umgebungsbedingungen ein vielversprechendes Ausgangsmaterial für neue, umweltschonende Kunststoffe. Für den erfolgreichen industriellen Einsatz von PHB ist jedoch eine deutliche Erhöhung der Dehnfähigkeit und Schlagzähigkeit nötig. PHB kann mittels einer Reaktivextrusion modifiziert werden, um so die Copolymerisation mit einer geeigneten Weichphase zu nutzen. So werden nicht nur die mechanischen Eigenschaften verbessert, sondern insbesondere die thermische Beständigkeit des Werkstoffes erhöht. Ein weiteres wichtiges Themenfeld der Kunststoffaufbereitung bzw. der gesamten Kunststoffverarbeitung ist die Erwärmung. Die Verwendung von Mikrowellenenergie stellt hier eine vielversprechende Alternative als effiziente Erwärmungsmethode dar. Am Beispiel des Streckblasformens wird diese Technologie am IKT untersucht. Bei der Verwendung der im industriellen Streckblasprozess üblichen Infrarotstrahlung sind der geringe Wirkungsgrad und die inhomogenen Erwärmungen der Preforms deutliche Nachteile und bieten Potenzial zur ökologischen und effizienteren Verarbeitung. Die Verwendung von Mikrowellenenergie bietet die Möglichkeit einer energieeffizienten, schnellen und homogenen volumetrischen Erwärmung. Diese und weitere aktuelle Forschungsaktivitäten und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Spritzgießtechnik sowie viele weitere Themen der Kunststofftechnik werden im Rahmen des 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquiums vorgestellt. 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, 01.-04. März 2021, Stuttgart Weitere Informationen: |
Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT), Stuttgart
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