21.09.2017, 06:02 Uhr | Lesedauer: ca. 7 Minuten |
Die AVK Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe hat den diesjährigen Marktbericht zu Glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) herausgegeben. In den darin analysierten Ländern Europas wächst der GFK-Markt im Jahr 2017 um 2 % gegenüber dem Vorjahr auf eine Herstellungsmenge von 1,118 Mio. Tonnen. Damit hat sich das Wachstum in diesem größten Segment der Faserverbundkunststoff- bzw. Composites-Industrie verstetigt. Deutschland ist weiterhin das Land sowohl mit der absolut gesehen größten europäischen GFK-Produktionsmenge als auch mit dem stärksten Wachstum. Der betrachtete Markt Wie in den Vorjahren analysiert der GFK-Marktbericht 2017 die Länder in Europa, deren Produktionsmengen sich valide erfassen lassen sowie die Türkei, die aber separat ausgewiesen wird. Als GFK werden alle Glasfaserverstärkten Kunststoffe mit einer duroplastischen Matrix und im Thermoplast-Markt die Glasmattenverstärkten Thermoplaste (GMT) und die Langfaserverstärkten Thermoplaste (LFT) beschrieben. Die europäische Herstellungsmenge für Kurzfaserverstärkte Thermoplaste liegt nur als Gesamtmenge vor und wird separat ausgewiesen. Die Produktion von GFK 2017: Gesamtentwicklung Die Composites-Industrie wächst jetzt im fünften Jahr in Folge. Die GFK-Produktionsmenge hat sich im Jahr 2017 kontinuierlich weiterentwickelt. Der GFK-Markt Europa wächst wie im Vorjahr um 2 % auf geschätzte 1,118 Millionen Tonnen. Die Entwicklungen sind dabei aber von Land zu Land und auch hinsichtlich der Herstellungsverfahren bzw. Materialien unterschiedlich und die entsprechenden Wachstumsraten unterscheiden sich teils deutlich voneinander. GFK-Produktion in Europa Die auch gesamtwirtschaftlich relevanten Industriebereiche Transport/Mobilität und Bau sind mit jeweils etwa einem Drittel der gesamten Produktionsmenge auch weiterhin die Hauptabnehmer für GFK-Bauteile. Die hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung der beiden bedeutendsten Branchen ist ein Grund dafür, dass die Herstellung von GFK in der langfristigen Betrachtung tendenziell der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes folgt. Wenn sich auch nach wie vor hohe Potenziale für neue Anwendungen ergeben, sind GFK-Materialien heute schon Standardprodukte. Die Heterogenität des Marktes führt dazu, dass Schwankungen in einzelnen Abnehmerindustrien in der Regel durch andere ausgeglichen werden. Die GFK-Menge in Europa bleibt weiterhin auf Wachstumskurs, wird aber voraussichtlich hinter der weltweiten Mengenentwicklung zurückbleiben. Der Anstieg des weltweiten Produktionsvolumens liegt bei deutlich über 2 %. Somit geht der Anteil Europas an der Weltproduktion trotz der aufgezeigten positiven Entwicklung weiter zurück. Tendenzielle Entwicklungen von Verfahren/Teilen Abb. 2: GFK-Produktionsmengen in Europa nach Verfahren/Teilen – aktuelles Jahr und die drei Vorjahre (kt = Kilotonnen, 2017 = geschätzt) SMC/BMC: Die Herstellung von SMC- (Sheet Moulding Compound) und BMC (Bulk Moulding Compound)-Bauteilen ist mit rund einem Viertel der Verarbeitungsmenge das größte Marktsegment in der GFK-Industrie. Die mit Pressverfahren (SMC) bzw. Spritzgießverfahren (BMC) hergestellten Halbzeuge werden zu Bauteilen vor allem für die Elektro- und Elektronikindustrie und den Transport- bzw. insbesondere den Automobilsektor verarbeitet. Das Wachstum von SMC/BMC ist in diesem Jahr mit 2,2 % etwas schwächer als im Vorjahr. Die gesamte Herstellungsmenge beträgt in diesem Jahr 280 Kilotonnen, wovon mit 202 Kilotonnen über zwei Drittel auf SMC entfallen. Offene Verfahren: Das Segment der sogenannten Offenen Verfahren – Handlaminieren und Faserspritzen – ist mit einer Herstellungsmenge von 238 Kilotonnen nach SMC/BMC weiterhin das zweitgrößte im GFK-Markt Europa. Wie in den Vorjahren setzt sich die relativ schwache Entwicklung auch in 2017 mit einem Wachstum von unter einem Prozent fort, wobei das größere Marktsegment des Handlaminierens stagniert. Typische Produkte sind z. B. Gehäuse für Windenergieanlagen, Schwimmbecken, Bootsrümpfe oder An- und Aufbauteile für Sonderfahrzeuge sowie der Protoypen- und Formenbau. Auch im Bereich Bau-/Infrastruktur lassen sich entsprechende Bauteile beispielsweise im Fassadenbereich finden. RTM: Das Segment der Bauteile, die mit dem RTM (Resin Transfer Moulding)-Prozess hergestellt werden, wächst wie in den Vorjahren weiter überdurchschnittlich mit 3,5 % auf eine Gesamtmenge von 146 Kilotonnen. Wie in den Vorjahren beinhaltet diese Zahl alle Verfahren, in denen eine geschlossene Form angewandt wird. Heute finden sich am Markt zahlreiche Varianten dieser Produktionstechnologie. Anwendungsbeispiele sind der Fahrzeugbau, Gehäuse für Windenergieanlagen, der Boots- und Schiffbau sowie der Sport- und Freizeitbereich. Kontinuierliche Verfahren: Die Produktion von GFK-Bauteilen mit den sogenannten Kontinuierlichen Verfahren ist in 2017 mit 5 % am stärksten gestiegen. Damit hat sich die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortgesetzt. Die gesamte Produktionsmenge liegt mittlerweile bei 146 Kilotonnen. Produkte werden seit Jahren vor allem für Fahrzeuge hergestellt, z. B. für Seitenverkleidungen von Lkw, Aufbauten im Caravan-Bereich oder beim Ausbau von Nutzfahrzeugen. Hinzu kommen Anwendungen im Fassadenbereich. Der Markt für pultrudierte GFK-Profile ist mit dem stärksten Wachstum von 6 % in der europäischen GFK-Industrie mittlerweile 53 Kilotonnen groß. Die größten Anwendungssegmente mit jeweils ca. 20 % Marktanteil für Pultrusion-Bauteile sind der Consumer-/Privatbereich und der Baubereich. Typische Einsatzgebiete der GFK-Profile finden sich derzeit z. B. bei der Herstellung von Brückenelementen, als Träger- oder Kabelschachtsysteme, als Geländer, Stufen im Anlagenbau, aber auch in einzelnen Bereichen des Transportbereiches. Rohre und Tanks: Nach einer Stagnation der Produktionsmenge im Vorjahr ist das Marktsegment der GFK-Rohre und Tanks, die mit dem Schleuder- oder dem Wickelverfahren hergestellt werden, das einzig rückläufige im europäischen GFK-Markt. Die Gesamtmenge ging um 2 % auf 145 Kilotonnen zurück. Haupteinsatzgebiete für GFK-Rohre und Tanks sind der Anlagenbau, der öffentliche und private Rohrleitungsbau sowie als Anwender die Öl-/Gas- und Chemie-Industrie. GMT/LFT: Der Markt für Glasmattenverstärkte Thermoplasten (GMT) und Langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT) wächst auch in 2017 überdurchschnittlich mit 3,6 %, wenn auch nicht so stark wie im Vorjahr. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass der Anteil von GMT/LFT am gesamten GFK-Markt von 5 % im Jahr 2000 auf heute 13 % gestiegen ist. Die Herstellungsmenge von 145 Kilotonnen teilt sich etwa im Verhältnis zwei Drittel (LFT) und ein Drittel (GMT) auf, wobei der Anteil an LFT größer wird. Ebenfalls in diesen Daten enthalten sind die endlosfaserverstärkten Materialien wie die sogenannten Organobleche und entsprechende Tapes. Typische Einsatzgebiete sind Produkte für den Unterbodenschutz, Stoßfänger, Instrumententräger oder Sitzstrukturen. Die Anwendungsindustrien im Überblick Trotz der unterschiedlichen Entwicklungen in den Märkten der einzelnen Herstellungsverfahren bleibt der Anteil der großen GFK-Anwendungsindustrien in Europa gegenüber dem Vorjahr erneut konstant. Jeweils ein Drittel der gesamten Produktionsmenge wird für den Transportbereich und für den Baubereich hergestellt. Weitere Anwendungsbereiche sind die Elektro-/Elektronikindustrie sowie die Sport- und Freizeitindustrie (s. Abb. 3). Kurzglasfaserverstärkte Thermoplaste Der europäische Markt für thermoplastische, glasfaserverstärkte Compounds war mit etwa 1.360 Kilotonnen im Jahr 2016 (Quelle: AMAC) etwas größer als der betrachtete GFK-Markt (duroplastische Materialien plus GMT/LFT) im gleichen Zeitraum. Das Wachstum war in 2016 mit 5 % etwas niedriger als im Jahr 2015, ist aber höher als die GFK-Marktentwicklung. Die GFK-Produktion 2017: Länder-Betrachtung In allen betrachteten europäischen Ländern bzw. Ländergruppen ist Wachstum zu verzeichnen. Dabei ist das Wachstum überall relativ ähnlich, zwischen ca. 1-3 %. Das größte GFK- bzw. Composites-Land Europas ist weiterhin Deutschland mit einer Gesamtherstellungsmenge von 226 Kilotonnen und einem leicht überdurchschnittlichen Wachstum von 3 %. Die Marktzahlen der Türkei liegen seit 2011 vor und werden separat ausgewiesen. Das starke Wachstum des Vorjahres setzt sich fort, laut türkischem Composites-Verband TCMA wird in 2017 mit einem Wachstum von über 5 % auf eine Gesamtmenge von 280 Kilotonnen gerechnet. Abb. 4: GFK-Produktionsmengen in Europa und in der Türkei nach Ländern/Ländergruppen (kt = Kilotonnen, 2017 = geschätzt / Osteuropa* = Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Lettland, Litauen, Slowakei und Slowenien / Türkei** = Quelle: TCMA) Weitere Composites-Materialien Auch wenn der Eindruck in der aktuellen medialen Berichterstattung sowie auf vielen Kongressen und Messen ein anderer ist, bleiben GFK in der Composites-Industrie weiterhin die mit Abstand größte Materialgruppe. Die Verstärkungsfasern sind in über 95 % der Composites-Gesamtmenge Glasfasern (Kurz- und Langfasern, Rovings, Gewebe, Gelege …). Von den in 2016 weltweit über zehn Millionen Tonnen hergestellten Composites (Quelle: JEC) wurden in Europa ca. 2,8 Millionen Tonnen Glasfaserverstärkte Kunststoffe (Stand: 2016) hergestellt. Davon machte in 2016 der hier detailliert betrachtete GFK-Markt 1,096 Millionen Tonnen aus und die Kurzfaserverstärkten Thermoplaste 1,360 Millionen Tonnen. Ausblick Vielfach eingestuft als zukünftiger Leichtbau-Werkstoff vorrangig für die Automobil- und Luftfahrtindustrie, werden derzeit – und teilweise schon seit Jahrzehnten – existierende Anwendungsfelder von Composites in existierenden Märkten oftmals übersehen. Hierzu zählen auch bereits zahlreiche Anwendungen im (automobilen) Großserieneinsatz. Leichtbau ist darüber hinaus nicht der einzige Vorteil von Composites gegenüber anderen Konstruktionsmaterialien. Faserverstärkte Kunststoffe weisen zahlreiche weitere positive Eigenschaften auf, die sie für den Einsatz in bestimmten Anwendungsfeldern prädestinieren. Composites sind bei Weitem mehr als „nur“ Leichtbauwerkstoffe. In einigen Fällen wurden diese Potenziale bereits erkannt. Die Materialien sind aber leider nach wie vor vielen Entscheidern zu wenig bekannt. Diese Situation zu verbessern, ist eine der vordringlichsten Aufgaben der gesamten Industrie. Die fortschreitende Automatisierung und Optimierung der Industrieprozesse – und die damit verbundenen Herausforderungen der Industrie 4.0 – sind nach wie vor wichtige Schlagworte. Neben den Schwierigkeiten der Etablierung im Bau-/Infrastrukturbereich zeigen auch sich ständig wandelnde Anforderungen und Entwicklungen im Mobilitätsbereich zahlreiche Herausforderungen, auf die die Industrie zeitnah reagieren muss. Es gilt sich den zahlreichen Anforderungen zu stellen, Herausforderungen anzunehmen und an vermeintlichen Schwachpunkten zu arbeiten. Dann wird die Composites-Industrie weiterhin auf dem erfolgreichen Weg bleiben. Die beteiligten Unternehmen blicken auf jeden Fall positiv in die Zukunft. Weitere Informationen: www.avk-tv.de |
AVK Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V., Frankfurt
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