05.03.2025, 12:00 Uhr | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
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![]() Die bunte Welt des "Plexiglas": Forschende entwickeln ein Verfahren, um diesen Kunststoff komplett in seine Bausteine zu zerlegen und diese wiederzuverwenden - (Bild: Adobe Stock/Generiert mit KI). Mit einer weltweiten Jahresproduktion von rund 3,9 Millionen Tonnen wird „Plexiglas“ als widerstandsfähiges und leichtes Kunststoffglas sehr häufig in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau, für Bildschirme und in der Bauindustrie eingesetzt. Das Verfahren der ETH-Forscher, das in der Fachzeitschrift „Science“ vorgestellt wird, wird beschrieben als äußerst robust. Es funktioniert auch mit sehr langen Polymerketten, die aus 10.000 Bausteinen bestehen. Auch Zusatzstoffe wie Copolymere, Weichmacher oder Farbstoffe und die meisten anderen Kunststoffe sollen die Kettenspaltung kaum stören. Die Ausbeute soll selbst bei verschiedenfarbigem Plexiglas zwischen 94 und 98 Prozent liegen. Denkbar einfaches Verfahren „Unser Verfahren ist denkbar einfach“, betont Anastasaki. „Wir brauchen nur ein chlorhaltiges Lösungsmittel, müssen das gelöste Recyclinggemisch mäßig auf 90 bis 150 Grad Celsius erwärmen und können dann mit Hilfe von sichtbarem oder UV-Licht die Abbaureaktion gezielt starten.“ Die ETH-Professorin ist erstaunt, dass es so einfach funktioniert. Wie viele andere Kunststoffe wie Polyethylen oder Polypropylen bestehen auch Plexiglaspolymere aus einer Polymerkette, die ausschliesslich aus Kohlenstoffatomen aufgebaut ist und von der je nach Kunststofftyp verschiedene Seitengruppen abzweigen. Solche einheitlichen Kohlenstoffketten stellten bisher eine unüberwindbare chemische Hürde für die gezielte Aufspaltung in Monomere dar, da sie keine definierten Angriffspunkte für Spaltungsreaktionen bieten. Die einzige Methode, mit der die homogenen Kohlenstoffketten in der industriellen Praxis vollständig gespalten werden können, gilt die so genannte Pyrolyse. Dabei werden die Kohlenstoffketten bei etwa 400 Grad Celsius thermisch gespalten. Diese Reaktionen sind jedoch unspezifisch und es entsteht ein Gemisch aus vielen verschiedenen Spaltprodukten. Der hohe Energieaufwand und die aufwendige Trennung des Gemisches schränken die Wirtschaftlichkeit der Pyrolyse stark ein. Seit einigen Jahren experimentieren verschiedene Forschungsgruppen mit modifizierten Polymeren. Dabei werden an den Enden der Polymerketten leicht abspaltbare Molekülgruppen eingeführt, die dann einen Abbau der Kette vom Ende her auslösen. Auf diese Weise erreichen die Forschenden zwar Ausbeuten von bis zu über 90 Prozent. Allerdings haben diese Designerpolymere mehrere entscheidende Nachteile: Sie müssen erst in die etablierte Kunststoffproduktion integriert werden. Zudem schränken ihre reaktiven Endgruppen die thermische Stabilität der Polymere und damit ihre Einsatzmöglichkeiten stark ein. Hinzu kommt, dass viele der üblichen Kunststoffadditive die Ausbeute der Reaktionen verringern und selbst bei längeren Polymerketten, wie sie in kommerziellen Kunststoffen häufig vorkommen, der Abbau nur zu einem geringen Teil funktioniert. Lösungsmittel bestimmt die Reaktion Anastasaki erklärt, dass bei der Entdeckung der neuen Methode der Zufall half, wie so oft in der Chemie: „Wir waren eigentlich auf der Suche nach spezifischen Katalysatoren, die die Aufspaltung in die Monomere gezielt fördern. Doch in einem Kontrollexperiment stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass der Katalysator gar nicht nötig war.“ Das chlorierte Lösungsmittel, in dem die zerkleinerte Plexiglasprobe gelöst war, reichte demnach aus, um das Polymer mit Hilfe von UV-Licht fast vollständig zu spalten. Als die Forschenden die Spaltungsreaktion genauer untersuchten, stießen sie auf einen überraschenden Mechanismus. Das chemisch aktive Teilchen der Reaktion ist ein Chlorradikal. Es wird aus dem chlorierten Lösungsmittel abgespalten, wenn es durch UV-Licht angeregt wird. Unerwartet war, dass das langwellige Licht die Bindung des Chlors an das Lösungsmittelmolekül aufbrechen kann. Dies geschieht durch ein photochemisches Phänomen, bei dem ein sehr kleiner Teil der Lösungsmittelmoleküle UV-Licht mit hoher Wellenlänge absorbiert. Um den Mechanismus der Spaltung aufzuklären, konnte Anastasaki auf die Hilfe von Spezialisten aus anderen ETH-Forschungsgruppen zählen. Tae-Lim Choi vom Laboratorium für Polymerchemie berechnete die theoretischen Elektronenzustände der beteiligten Moleküle, und Gunnar Jeschke vom Institut für Molekülphysik führte Elektronenspinresonanz-Messungen durch, um die theoretischen Vorhersagen experimentell zu überprüfen. Zukünftiger Verzicht auf Chlor In Zukunft will die ETH-Forscherin bei ihrem Recyclingverfahren allerdings auf das chlorierte Lösungsmittel verzichten: „Chlorierte chemische Verbindungen schaden der Umwelt. Unser nächstes Ziel ist es deshalb, die Reaktionen so zu modifizieren, dass sie auch ohne das chlorierte Lösungsmittel funktionieren.“ In welcher Form und in welchem Zeitrahmen die ETH-Methode in die Praxis umgesetzt wird, ist noch offen. Auf jeden Fall haben die Forschenden um Anastasaki die Tür zu neuen Recyclingmethoden aufgestoßen, mit denen sich auch die bisher chemisch unzugänglichen Kohlenstoffketten von Kunststoffen gezielt aufspalten lassen. Literaturhinweis Wang HS, Agrachev M, Kim H, Truong NP, Choi T-L, Jeschke G, Anastasaki A: Visible light–triggered depolymerization of commercial polymethacrylates. Science 387,874-880 (2025). DOI: externe Seite10.1126/science.adr1637 Weitere Informationen: ethz.ch Quelle: Autor des Originalbeitrages: Daniel Meierhans, freier Autor |
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