24.08.2023, 15:52 Uhr | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
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![]() Recycelbar, reparierbar und schwer entflammbar: Das neue Epoxidharz kommt für verschiedene Anwendungen in Frage, etwa für faserverstärkte Kunststoffe, die im Fahr- und Flugzeugbau eingesetzt werden - (Bild: Adobe Stock). In Kombination mit Glas- oder Kohlenstofffasern werden Epoxidharze beispielsweise zur Herstellung von Bauteilen für Flugzeuge, Autos, Züge, Schiffe und Windkraftanlagen verwendet. Solche faserverstärkten Kunststoffe auf Epoxidbasis haben ausgezeichnete mechanische und thermische Eigenschaften und sind viel leichter als Metall. Allerdings gelten sie als nicht recycelbar – zumindest noch nicht. Nun haben Forschende vom Empa-Labor „Advanced Fibers“ einen Kunststoff auf Epoxidharzbasis entwickelt, der vollständig recycelbar, reparierbar und zudem schwer entflammbar sein – und dabei die günstigen thermomechanischen Eigenschaften von Epoxidharzen beibehalten soll. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Chemical Engineering Journal veröffentlicht. Das Recyceln von Epoxidharzen ist alles andere als trivial, denn diese Kunststoffe zählen zu den sogenannten Duromeren. Bei dieser Art von Kunststoffen sind die Polymerketten engmaschig miteinander vernetzt. Diese chemischen Verbindungen verunmöglichen das Schmelzen. Ist der Kunststoff einmal ausgehärtet, lässt er sich nicht mehr verformen. Anders verhält es sich bei Thermoplasten, wie beispielsweise PET oder Polyolefine. Ihre Polymerketten liegen eng aneinander, sind aber nicht miteinander verbunden. Unter Hitzeeinwirkung lassen sich diese Kunststoffe schmelzen und in neue Formen bringen. Wegen der fehlenden Vernetzung sind ihre mechanischen Eigenschaften bei erhöhten Temperaturen in der Regel nicht so vorteilhaft wie diejenigen von Duromeren. Neue Art von Kunststoff Das besondere Epoxidharz, das die Empa-Forschenden in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern entwickelt haben, ist eigentlich ein Duromer – lässt sicher aber, im Gegensatz zu anderen Duromeren, wie ein Thermoplast schmelzen. Der Schlüssel dazu ist der Zusatz eines besonderen funktionalen Moleküls aus der Klasse der Phosphonsäureester in die Harzmatrix. „Wir haben dieses Molekül ursprünglich als Flammschutzmittel synthetisiert“, sagt Empa-Wissenschaftlerin Wenyu Wu Klingler, die diese Technologie miterfunden hat. Die Bindung, die das Molekül mit den Polymerketten des Epoxidharzes eingeht, ist aber reversibel, lässt sich also unter bestimmten Bedingungen wieder lösen. Dies lockert die Vernetzung der Polymerketten, sodass sie sich schmelzen und verformen lassen. Solche Werkstoffe, auch Vitrimere genannt, sind erst seit rund zehn Jahren bekannt und gelten als besonders vielversprechend. „Heute sind faserverstärkte Kunststoffe praktisch nicht recycelbar, ausser unter extremen Bedingungen, die die Fasern beschädigen“, erklärt Wu Klingler. „Haben sie einmal ausgedient, werden sie verbrannt oder in Deponien entsorgt. Mit unserem Kunststoff wäre es erstmals möglich, sie erneut in den Stoffkreislauf zu bringen.“ Ihre Vision für die Zukunft, ergänzt Gruppenleiter Sabyasachi Gaan, sei „ein Verbundwerkstoff, bei dem die Fasern und die Kunststoffmatrix komplett voneinander getrennt und wiederverwendet werden können.“ Einen besonderen Vorteil sieht der Forscher beispielsweise bei kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen, wie sie im Bau von Flugzeugen, Zügen, Booten, Autos, Fahrrädern und mehr eingesetzt werden. „Die Herstellung von Kohlenstofffasern benötigt sehr viel Energie und setzt enorm viel CO2 frei“, erklärt er. „Wenn wir sie recyceln könnten, wäre ihr ökologischer Fussabdruck um einiges besser – und der Preis um einiges tiefer.“ Zudem könnten so auch wertvolle Zusatzstoffe wie Phosphor aus der Polymermatrix zurückgewonnen werden. Massgeschneidertes Material Faserverstärkte Kunststoffe sind nicht die einzige Anwendung für den neuen Kunststoff. Beispielsweise könnte er zur Beschichtung von Holzböden eingesetzt werden, als eine transparente, widerstandsfähige Schicht, die gute flammhemmende Eigenschaften aufweist – und bei der sich Kratzer und Beschädigungen mit etwas Druck und Hitze wieder „heilen“ lassen. „Wir haben nicht ein einziges Material für einen spezifischen Zweck entwickelt, sondern vielmehr eine Toolbox“, erklärt Gaan. „Der Flammschutz, die Rezyklierbarkeit und die Reparierbarkeit sind gegeben. Alle weiteren Eigenschaften können wir je nach Verwendungszweck optimieren.“ So seien Fliesseigenschaften besonders wichtig für die Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen, während Holzbeschichtungen im Aussenbereich zusätzlich witterungsfest sein müssen. Um diese und weitere Anwendungen des Materials weiterzuverfolgen, suchen die Forschenden nun nach Industriepartnern. Die Chancen für einen kommerziellen Erfolg würden gut stehen: Denn nebst all seinen anderen vorteilhaften Eigenschaften sei das modifizierte Kunstharz auch noch günstig und einfach in der Herstellung. European Meeting on Fire Retardant Polymeric Materials 2023 Das Empa-Labor „Advanced Fibers“ entwickelt bereits seit 15 Jahren Flammschutzmittel für Textilien, Kunststoffe und Holz. Ende Juli lud das Labor in der Empa-Akademie zum „European Meeting on Fire Retardant Polymeric Materials“ (FRPM) 2023. Rund 250 Experten aus der Wissenschaft und der Industrie trafen zusammen für interdisziplinäre Vorträge und Diskussionen. Auch das vorliegende Projekt wurde während der Konferenz vorgestellt. Weitere Informationen: www.empa.ch |
Empa, Dübendorf, Schweiz
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