13.06.2024, 12:55 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten |
Das Forschungsteam im Labor, v.l.n.r.: Dr. Antje Lieske, Dr. Benjamín Rodríguez, André Gomoll vom Fraunhofer IAP - (Bilder: Piotr Banczerowski). Im Kontext der Nachhaltigkeit von Kunststoffmaterialien spielen Recycling und Defossilisierung eine entscheidende Rolle. Idealerweise können Kunststoffe nach ihrer Nutzung in ihre Grundbausteine zerlegt und daraus neue Kunststoffe mit gleichen Eigenschaften hergestellt werden. Doch im Kreislauf von Herstellung, Nutzung und Wiederverwendung entstehen Materialverluste. „Für eine zunehmend zirkuläre Ökonomie müssen diese durch nicht-fossile Rohstoffe ausgeglichen werden. Dies ist jedoch nicht ganz einfach, denn meist gibt es für fossile Kunststoffe keine biobasierten Analoga mit den gleichen Materialeigenschaften“, erklärt Dr. Antje Lieske, Leiterin der Abteilung Polymersynthese am Fraunhofer IAP im Potsdam Science Park. „Durch Zusatz von verschiedenen Additiven können diese Eigenschaften zwar verbessert werden, die Zuschlagstoffe stören allerdings im weiteren Lebenszyklus das Recycling. Außerdem sind sie nicht immer günstig, zum Teil umweltschädlich und vor allem nicht biobasiert“, so Lieske weiter. Material- und Prozessentwicklung auf der Basis von PLA Der Biopolyester PLA liefert vielversprechende Ansätze zur Lösung dieser Problematik: Er ist biobasiert, bioabbaubar, gut recycelbar und hat im Bereich der Biokunststoffe eines der stärksten Marktpotenziale. Aufgrund seiner hohen Steifigkeit ist er prädestiniert für Hartverpackungen wie Einwegbecher, eignet sich aber nicht für die Herstellung flexibler Einwegverpackungen wie Tragetüten, die zu den Hauptverursachern von Einweg-Kunststoffabfällen gehören. Diesen Konflikt hat Dr. Antje Lieske zusammen mit ihren Kollegen André Gomoll und Dr. Benjamín Rodríguez am Fraunhofer IAP gelöst. „Wir haben Weichmacher, sogenannte Polyether, direkt in die Polymerkette eingefügt, um das Material dauerhaft flexibler zu machen. Polyether sind nicht toxisch, kommerziell verfügbar und können auch biobasiert hergestellt werden. Bislang wurden Weichmacher dem PLA als Additiv beigemischt. Jedoch wandern die Weichmacher-Moleküle mit der Zeit aus dem Material heraus, wodurch das PLA wieder steif und hart wird. Um diese Migration zu verhindern, haben wir den Polyether direkt im Polymer verankert. Dazu haben wir PLA-basierte Blockcopolymere synthetisiert, bei denen das Polyether-Kettensegment an beiden Enden kovalent mit PLA-Kettensegmenten verknüpft ist“, erläutert Dr. Benjamín Rodríguez. Das neuartige PLA-Material lässt sich auf gängigen Verarbeitungsanlagen ähnlich wie LDPE zu Folien verarbeiten. Das Ergebnis ist ein neuartiges, flexibles PLA-Material, das ohne den Einsatz von migrierenden Weichmachern auskommt und im Gegensatz zu LDPE zu mindestens 80 Prozent biobasiert ist – „wobei perspektivisch auch eine nahezu 100-prozentige Biobasiertheit möglich ist“, erklärt André Gomoll. „Außerdem lässt sich unser Material kostengünstig aus kommerziellen Rohstoffen in einem einfachen Syntheseprozess herstellen. Dieser verlangt keine großvolumigen Syntheseanlagen, sondern kann lokal auch durch mittelständische Unternehmen als kontinuierlich betriebener Prozess implementiert werden. Bisher konnte PLA nur in kontinuierlichen Großanlagen rentabel hergestellt werden, was kleinere Unternehmen als Hersteller ausgeschlossen hat. Schließlich ist das neuartige PLA-Material auch auf gängigen Verarbeitungsanlagen ähnlich wie LDPE zu Folien verarbeitbar und kann chemisch mit erheblich geringerem Energieaufwand als LDPE recycelt werden“, so Gomoll weiter. Diese bisher einzigartigen Materialeigenschaften haben die Polymer-Gruppe zur Kommerzialisierung bewogen. Im Jahr 2023 nahm die SoBiCo GmbH, ein Tochterunternehmen der Polymer-Gruppe, in Pferdsfeld eine Produktionsanlage für die neuen PLA-Blockcopolymere in Betrieb. Sie produziert jährlich 2.000 Tonnen des neuartigen Biokunststoffs mit dem Namen „Plactid“. Langfristig sollen dort 10.000 Tonnen des neuartigen flexiblen PLA-Materials pro Jahr hergestellt werden. Diese neue Klasse von Biokunststoffen wird in Zukunft einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei Kunststoffverpackungen leisten. Neben flexiblen Verpackungsfolien können völlig neue Anwendungsfelder erschlossen werden, z.B. im Automobilbereich, in der Textilindustrie und in der additiven Fertigung. <Über den Joseph-von-Fraunhofer-Preis Seit 1978 vergibt die Fraunhofer-Gesellschaft jährlich Preise für herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die anwendungsnahe Probleme lösen. In diesem Jahr werden drei mit jeweils 50.000 Euro dotierte Preise an Forschergruppen aus verschiedenen Instituten vergeben. Weitere Informationen: www.iap.fraunhofer.de |
Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP, Potsdam-Golm
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