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29.09.2008 | Lesedauer: ca. 4 Minuten    

Fachbuch: Runner and Gating Design Handbook – Tools for Successful Injection Molding

Die 2. Auflage dieses Klassikers der spritzgießtechnischen Literatur erscheint in erweiterter und aktualisierter Form mit einer Fülle von Bildmaterial, das in hervorragender Weise der Visualisierung von Theorie und Praxis der Angussgestaltung dient. Im erweiterten Teil des "Troubleshooting" stellt der Koautor John Bozzelli seine Erfahrungen nicht nur in der Angusstechnik, sondern im gesamten Bereich der Spritzgießprobleme zusammen. Dem Untertitel gemäß handelt es sich in beiden Teilen um Arbeitsmittel, die zu praktischen Lösungen führen und nur das notwendige Maß an Theorie enthalten, ja verschiedentlich pragmatische Wege gehen, ohne dass die Theorie vollständig geklärt hat, was dahinter steckt. Der Fundus an abrufbaren Problemlösungen, den ein verantwortlicher Praktiker parat hat, das ist seine berufliche Schatztruhe. Diesen Fundus zu erweitern, ist eine Chance, die das Werk in hervorragender Weise bietet.

Ein Handbuch wird dann seinem Namen gerecht, wenn man es häufig und gern zur Hand nimmt. Das ist der Neugestaltung bestens gelungen, denn die Darstellungen sind optisch ansprechend und bringen ein Gut-Gemacht-Feeling hervor: "So schön kann man das bildlich untermauern, was im Text daneben erarbeitet wird." Techniker sind vorstellungsorientiert, versuchen, sich ein Bild von der Sache zu machen, und sie prägen sich etwas viel eher ein, wenn sie es bildhaft sehen. Dafür, dass er so viele – nahezu ausschließlich farbige – Darstellungen bringt, sei dem Autor besonderes gedankt. Zweifelsohne ist das Buch ein gelungener Extrakt amerikanischen Technologie-Wissens. Vorteilhaft, dass dieser Extrakt durch das mentale Filter eines Altmeisters der Wissensvermittlung und eines erfahrenen Praktikers ging, der über eigene Entwicklungen und Patente verfügt. Es ist dem Autor nicht zu verdenken, dass deren Beschreibungen und Ergebnisse etliche Seiten umfassen.

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Breiten Raum nimmt – ganz mit Recht – das Thema "Schmelzemanagement" ein, also die Auseinandersetzung mit Ungleichmäßigkeiten im Schmelzefluss, insbesondere an Umlenkungen, und zwar sowohl im Kaltkanal als auch im Heißkanal. Die Erfahrungen des Autors zeigen, dass es sich lohnt, mit Akribie diesen Phänomenen nachzuspüren. Es wird viel Überzeugungsarbeit geleistet, indem die Zusammenhänge verständlich und bildhaft gemacht werden. Beispielsweise ist mit wenigen Worten erklärt, weshalb statische Mischer im Heißkanal – obwohl sie ja Strömungshindernisse darstellen und zu höheren Druckverlusten führen – zu einer Verkürzung der Farbwechselzeiten führen können: Weil sie Ungleichheiten in der Scherbeanspruchung einzelner Stromfäden ausgleichen.

Von besonderem Wert für den betrieblich orientierten Leser sind 45 Seiten "Troubleshooting", also Problemanalysen und Behebungsmaßnahmen für rund 40 Spritzgießfehler in tabellarischer Form, die Gesamtheit der Spritzgießtechnik betreffend, nicht nur die Angusstechnik. Selbst wenn der Fachmann viele Praktiken wieder erkennt, findet er beim erfahrenen Kollegen jenseits des großen Teichs eine ganze Reihe von Tipps und Einzelheiten, die ihm ein "Aha, so macht der das!" oder ein "Muss ich mir merken!" abverlangen. Dazu ein Beispiel: Um zu unterscheiden, ob ein Hohlraum im Spritzgussteil eine Vakuole oder ein Gaseinschluss ist, schlägt Bozzelli vor, die Oberfläche über dem Lunker örtlich zu erwärmen, und man wird sehen, ob sie sich aufwölbt oder einfällt. Der Grundsatz "Ursache erkannt, Fehler gebannt!" wird immer wieder durchexerziert, sodass der Leser schnell zu dem Urteil kommt: "Es lohnt sich, das durchzuarbeiten." Und er macht sich vielleicht sogar eine Beaumont-Checkliste, damit er künftig auch an diese Erfahrungen denkt, wenn Probleme auftreten. Das ist eine Arbeit, die ihm handelsübliche Software-Pakete abnehmen können, wie vom Autor angeboten. Ganz abgesehen von dem Gewinn an Fachausdrücken, den man in der globalen Kommunikation zur Verfügung haben muss. Wer würde sich z.B. getrauen, den deutschen Begriff "Dieseleffekt" einfach mit "dieseling" zu übersetzen?

Ein weiterer Koautor – Bradley Johnson – gibt auf zehn Seiten eine bewährte Einstellhilfe beim Anfahren eines Spritzgießwerkzeugs: eine 7-Schritte-Methode mit dem Rat, bei 95% Füllung zu beginnen und auch bei 95% Füllung auf Nachdruck umzuschalten. Das scheint relativ früh zu sein, wird aber sicherlich manchen nicht so zuverlässig schließenden Rückströmsperren gerecht. Hier, wie an anderen Stellen, wird sich eine typische Leserreaktion zeigen: Es gibt durchaus Unterschiede in der Arbeitsweise hüben und drüben. Wir tun aber gut daran, uns damit zu befassen und unsere Praktiken daran zu messen. Engagierte Praktiker wissen, dass man immer voneinander lernen kann.

Insgesamt gesehen ist dies ein wirklich lohnendes Buch, das den Stand der amerikanischen Spritzgießtechnik hervorragend zusammenfasst. Demnach ist es auch ein Muss für alle, die global in der Spritzgießtechnik mitreden wollen, sei es in der Ausbildung, Entwicklung oder in der kontinenteübergreifenden Produktion.

Prof. Dipl.-Ing. Peter Wippenbeck

Leseproben, Inhaltsverzeichnis unter: www.kunststoffe.de/b177

(aus Kunststoffe 09/2008)

Runner and Gating Design Handbook – Tools for Successful Injection Molding
John P. Beaumont
2. Aufl.
Carl Hanser Verlag
München 2007
308 Seiten
unverbindl. Preisempf.: 129,90 EUR (D)
ISBN 978-3-446-40765-7

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München

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