plasticker-News

Anzeige

15.06.2023, 14:22 Uhr | Lesedauer: ca. 6 Minuten    

Polykum: Rund 550 registrierte Teilnehmer beim „Biopolymer Kongress 2023“ - „Biopolymer Innovation Awards 2023“ vergeben

Dr. Stefan Fischer (Mitte) nahm den Hauptpreis 2023 im Namen des TITK Rudolstadt entgegen. Den zweiten Preis entführten Janine Wanke und Felix Wollenhaupt (links) von der Green Elephant GmbH. Über die dritte Trophäe freute sich Dr. Johannes Fuchs (3.v.r.) von der SoBiCo GmbH mit den Moderatoren Dr. Martin Bussmann und Michael Walter (rechts). Die Preise übergab POLYKUM-Vorstand Peter Putsch (3.v.l.) - (Bild: Moritz Geyer).
Dr. Stefan Fischer (Mitte) nahm den Hauptpreis 2023 im Namen des TITK Rudolstadt entgegen. Den zweiten Preis entführten Janine Wanke und Felix Wollenhaupt (links) von der Green Elephant GmbH. Über die dritte Trophäe freute sich Dr. Johannes Fuchs (3.v.r.) von der SoBiCo GmbH mit den Moderatoren Dr. Martin Bussmann und Michael Walter (rechts). Die Preise übergab POLYKUM-Vorstand Peter Putsch (3.v.l.) - (Bild: Moritz Geyer).
Nach zwei Jahren im pandemie­be­dingten „Online-Exil“ konnten die „Biopolymer Innovation Awards 2023“ kürzlich wieder live vor Publikum überreicht werden. Doch nicht nur die geladenen Gäste in der Georg-Friedrich Händel-Halle in Halle (Saale) feierten die Ausgezeichneten mit ihrem Applaus, sondern auch Zuschauer aus aller Welt, die die Tagung wie in den Vorjahren an PCs, Handys und Tablets im Livestream verfolgten den Kongress. Nach der Premiere der Hybridveranstaltung kündigte der ausrichtende Polykum e.V. noch am selben Abend eine Neuauflage des seit 2018 stattfindenden Kongresses in dieser Form für den 11. Juni 2024 an.

Dr. Christian Patermann war am Abend voll des Lobes für die aus seiner Sicht für Deutschland und Europa „unschätzbar wichtige Veranstaltung“. Der Begründer der Bioökonomie in der Europäischen Union, der am Morgen als Keynote Speaker mit aufrüttelnden und auch mahnenden Worten die weltweiten Entwicklungen auf diesem Gebiet mitreißend analysiert hatte, ließ sich keinen der nachfolgenden Vorträge entgehen. In den Pausen war der 80-Jährige ein ebenso begehrter Gesprächspartner wie beim Get-together am Abend.

Anzeige

In mehr als einem Dutzend Vorträgen erhielten etwa 550 registrierte Teilnehmer (davon etwa 50 geladene Gäste in der halleschen Georg-Friedrich-Händel-Halle) anschließend unter anderem Einblicke in den Biokunststoffmarkt Vietnams, das in diesem Jahr als Partnerland des Kongresses im Fokus stand. Darüber hinaus informierten Experten aus mehreren Ländern über ihre Ansätze der Rohstoffgewinnung für Biokunststoffe, neue Wege zur Herstellung und Verarbeitung der Zukunftsmaterialien sowie über Anwendungsbeispiele aus der Praxis.

Ein besonderer Höhepunkt war einmal mehr die Ehrung der Preisträger des Wettbewerbs um die „Biopolymer Innovation Awards“. Die Auszeichnungen wurden in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben. Erstmals gingen dabei alle drei Trophäen an deutsche Bewerber, nachdem in den letzten Jahren unter anderem Innovationen aus Finnland, Italien, Belgien und Brasilien mit Preisen gekrönt wurden. Die Frage, wer 2023 als Erster, Zweiter oder Dritter über die Ziellinie geht, beantwortete die Jury in ihrer Begründung wie folgt:

Die handgefertigten Trophäen aus bioabbaubarem Kunststoff und metallenem Sockel wurden in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben - (Bild: Polykum).
Die handgefertigten Trophäen aus bioabbaubarem Kunststoff und metallenem Sockel wurden in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben - (Bild: Polykum).
Der mit 2.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) e.V. für die Entwicklung des vollständig biobasierten und bioabbaubaren Heißklebers „Caremelt“. Heißkleber finden sich heute in sehr vielen Produkten und haben längst auch den Heimwerkermarkt erobert. Bis zu einem Fünftel aller heutigen Klebstoffe fallen in diese Kategorie. Dennoch war bislang kein vollständig biobasierter und bioabbaubarer Schmelzklebstoff am Markt verfügbar. Was umso bemerkenswerter ist, als Verklebungen sich aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nur höchst selten wieder aus Produkten herauslösen lassen. So enden Klebstoffe – zum Beispiel durch Produktnutzung und Verschleiß, unsachgemäße Entsorgung oder andere Umstände - nicht selten als Mikroplastik in der Umwelt. Die Forscher und Entwickler des TITK haben sich also einem Problem zugewandt, dessen Lösung so überfällig wie technisch herausfordernd ist. Der Mut des TITK-Teams um Projektleiter Andreas Krypczyk, diese Herausforderung anzunehmen und das Ergebnis beeindruckten die Jury gleichermaßen: „Caremelt“ wird, wenn es in die Umwelt gelangt, durch Mikroorganismen und natürliche Abbauprozesse wieder vollständig Teil natürlicher Kreisläufe. Darüber hinaus ist es als komplett biobasierter Klebstoff CO2-neutral. Die Eigenschaften des Klebers und sein Anwendungsprofil lassen sich, unter Beachtung der etwas geringeren thermischen Belastbarkeit, mit denen etablierter Schmelzkleber vergleichen. Die zum Patent angemeldete Komposition aus Polymilchsäure (PLA), Polybernsteinsäure (PBS), Terpen- und Kolophoniumharzen, natürlichen Wachsen und Zitronensäure-Derivaten eignet sich nicht nur für kurzlebige Produkte wie Einkaufstüten, Windeln oder Kartonagen. Auch in Schuhen, Textilien, Holz, Metall- oder Möbelteilen sowie Büchern können Klebeverbindungen dank der Neuentwicklung aus Thüringen künftig bioabbaubar sein - www.titk.de.

Der 2. Preis wird der Green Elephant GmbH aus Gießen zugesprochen für „CellScrew“ - einen neuartigen Bioreaktor zur Vermehrung adhärenter (also an Oberflächen wachsender) Zellkulturen. Denn mit dieser Innovation wird die Bereitstellung lebenden Gewebes beispielsweise für Gen- und Zelltherapien oder für die Erforschung von Kosmetika und Medikamenten nicht nur bedeutend effizienter. Green-Elephant-Kunden können damit obendrein ihre Klimabilanz für Einweg-Labormaterial um bis zu 90 Prozent verbessern! Fakt ist: neben lebensrettenden und für die Forschung unverzichtbaren Zellen produzieren Labore rund um den Globus mittlerweile auch etwa zehn Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr, Tendenz stark steigend. Das Team um die Green-Elephant-Gründer Felix Wollenhaupt und Joel Eichmann setzt diesem Trend mit „CellScrew“ nun ihre revolutionäre Technologie entgegen. Im Gegensatz zu den bisher überwiegend aus erdölbasiertem Polystyrol gefertigten Zellkulturflaschen besteht „CellScrew“ aus vollständig biobasiertem PLA (Polylactid). Darüber hinaus ersetzt ein „CellScrew“-System bis zu 450 übliche Zellkulturflaschen. Möglich wird dies durch ein ausgeklügeltes Design, das auch das Handling im Labor radikal vereinfacht: Eine archimedische Schraube in der Flasche sorgt im Zusammenspiel mit konzentrischen Zylindern bei rollender Lagerung nicht nur für einen kontinuierlichen Transport des Zellkulturmediums, sondern erzeugt auch eine im Vergleich zu bisherigen Systemen riesige interne Oberfläche – bei 80 Prozent weniger Materialeinsatz.

Begeistert hat die Jury besonders die Konsequenz, mit der sich die Gießener Start-up-Gründer, die als Quereinsteiger zu Kunststoffverarbeitern wurden, die Vorzüge des Werkstoffes zunutze machen. Die hohe Biokompatibilität von PLA gehört dazu ebenso wie die Tatsache, dass sich das Material hervorragend im 3D-Druck verarbeiten lässt. Und wenn „CellScrew“ nach der Einmalverwendung wie konventionelle Zellkulturflaschen aus Sterilitätsgründen nicht recycelt oder kompostiert, sondern verbrannt werden, spielt das biobasierte Material einen weiteren Vorzug aus: Anders als bei fossilen Werkstoffen wird dabei kaum mehr Treibhausgas freigesetzt, als die Pflanzen, die als Rohstoffe dienten, unserer heutigen Atmosphäre zuvor entnommen haben - www.greenelephantbiotech.com.

Der 3. Preis geht an die SoBiCo GmbH aus Bad Sobernheim (Rheinland-Pfalz) für ihre Innovation „Plactid“. Die Marke steht für einen wegweisenden Ansatz, um dem weltweit populären Biokunststoff Polymilchsäure (PLA) zahlreiche neue Einsatzfelder zu eröffnen. Vor allem die relativ geringe Bruchdehnung, begrenzte Schlagzähigkeit und die milchige Optik schränken das Einsatzspektrum von PLA bislang ein. Klassische Modifikationsversuche scheitern oft an dem komplexen Migrations- und Kristallisationsverhalten von Weichmachern und anderen Additiven in PLA. Das Team um SoBiCo-Geschäftsführer Johannes Fuchs suchte deshalb nach grundlegend anderen Lösungen. So entstand gemeinsam mit dem Potsdamer Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) das Konzept für „Plactid“: eine PLA-Copolymer-Familie, die in einem neuartigen Verfahren – der reaktiven Compoundierung – hergestellt wird. Neben biobasiertem Lactid kommen dabei verschiedene Polyole zum Einsatz, die je nach Anwendungsfall aus biologischen oder fossilen Quellen stammen können. Die PLA-Copolymere lassen sich gezielt von hart/spröde bis weich/duktil einstellen, in vielen Fällen unter Erhalt der Bioabbaubarkeit. So werden zum Beispiel weiche Folien von hoher Kristallinität möglich. Aber auch Spritzgusstypen mit einer deutlich höheren Kristallisationsgeschwindigkeit und Schlagzähigkeit als Standard-PLA können erzeugt werden. Darüber hinaus eignen sich die PLA-Copolymere auch als Additive zur Modifizierung von Standard-PLA. Neben diesen zukunftsweisenden Ergebnissen würdigt die Jury mit dem Preis ebenso die Ausdauer des SoBiCo-Teams, das bis zur Produktreife sieben Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit investierte - www.sobico.de.

Weitere Informationen: polykum.de

Polykum e.V., Fördergemeinschaft für Polymerentwicklung und Kunststofftechnik in Mitteldeutschland, Merseburg

» insgesamt 36 News über "Polykum" im News-Archiv gefunden

Ihre News im plasticker? Bitte senden Sie Ihre Pressemitteilungen an redaktion@plasticker.de!


» zurück zum Seitenanfang


Top News / Meist gelesen
plasticker Newsletter
Wir informieren Sie schnell, umfassend und kostenlos über das, was in der Branche passiert.

» Jetzt anmelden!

» Weiterempfehlen

Machen Sie Ihre Reste zu Geld!
Sie haben Neuware-Restmengen, Mahlgüter oder Produktionsabfälle?

Dann veräußern Sie diese kostenlos
in der Rohstoffbörse.

Für Ihre ausrangierten Maschinen und Anlagen finden Sie Abnehmer in der Maschinenbörse.
Aktuelle Rohstoffpreise
Neue Fachbücher
Kunststoffchemie für Ingenieure

Mit der bereits fünften Auflage in eineinhalb Jahrzehnten liegt dieses Standardwerk "Kunststoffchemie für Ingenieure" wiederum in gründlich überarbeiteter, aktualisierter Form vor.