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03.11.2023, 08:34 Uhr | Lesedauer: ca. 7 Minuten    

ZWT: Zweiter Recompound-Kongress in Vechta/Diepholz - Zukunft des Kunststoffrecyclings im Fokus

Experten informierten und diskutierten beim Recompound-Kongress, v.l.: Carsten Bye, Dr. Elmar Pöselt, Frank Stammer, Dr. Dirk Textor, Martin Burwinkel - (Bild: Daniel Meier).
Experten informierten und diskutierten beim Recompound-Kongress, v.l.: Carsten Bye, Dr. Elmar Pöselt, Frank Stammer, Dr. Dirk Textor, Martin Burwinkel - (Bild: Daniel Meier).
Neue Lösungen für das Recyclen von Kunststoffen standen auf dem Programm einer Veranstaltung, zu der der Forschungsverbund ZWT e.V. an der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik (PHWT) Vechta/Diepholz kürzlich eingeladen hatte. Bei diesem zweiten Recompound-Kongress ging es um die vielfältigen Innovationen in dieser Branche mit Blick auf Nachhaltigkeit.

Was bei der PET-Kunststoffflasche inzwischen erfolgreich funktioniert, klappt bei anderen Kunststoffprodukten schlecht bis gar nicht: Die Wiederverwertung von Kunststoffen ist nach wie vor eine große Herausforderung, wie beim Kongress deutlich wurde. Hinzu kommen aktuell gesetzliche Anforderungen an das Kunststoffrecycling, bei denen Anspruch und Wirklichkeit teils weit von einender entfernt seien, wie Referenten der Veranstaltung berichteten.

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Anhand verschiedener Kunststoffprodukte und möglicher Wiederverwertungsverfahren zeichneten sie ein Bild der aktuellen Situation und zeigten auf, wo es mangelt und welche Lösungsansätze vorstellbar sind.

Prof. Dr. Carsten Bye (Geschäftsführer Forschungsverbund ZWT e.V.) sagte, das Design for Recycling müsse mehr in die Köpfe. Das habe sich auch bei einem Kongresstag mit über 300 Schülern gezeigt, die zum einen erstaunt gewesen seien, wie groß das Potential noch sei, aber zugleich angetan gewesen seien von den Möglichkeiten, die jeder auch eigenverantwortlich wahrnehmen müsse. Es gehe nämlich nicht nur um Strategien des Recyclens, sondern zuallererst auch um das Vermeiden.

Das machten auch die Referenten klar. Wenn das Design von Kunststoffprodukten von vornherein auf Wiederverwertung ausgelegt sei, dann gäbe es nicht so große Probleme. Bereits bei der Entwicklung von Kunststoffprodukten müsse deren Wiederverwertung in den Blick genommen werden. Bye machte das am Beispiel eines Joghurtbechers deutlich: Der Plastikbecher aus Polypropylen sei zusätzlich mit einer Polyesterfolie versehen sowie mit zwei Alufolien. Das sei ein worst case des Designs für Recycling. Hier müsse dringend etwas geschehen, um Becher von Anfang an für das Recycling zu produzieren.

Die Neuproduktion aus Rohstoffen sei zwar nach wie vor kostengünstiger, sagte auch Martin Burwinkel, Geschäftsführer der Burwinkel Kunststoffwerk GmbH und 1. Vorsitzender Forschungsverbund ZWT, doch das sei künftig nicht mehr verantwortbar. Recyclinggranulat sei die Zukunft, doch es müssten Wege gefunden werden, dieses auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu produzieren. Da liege zur Zeit noch vieles im Argen.

Auch der Gesetzgeber sei noch eher etwas orientierungslos, war von den Referenten zu erfahren. Statt realistische Vorgaben für das recyclebare Design zu machen, stelle er Verordnungen auf, die auf Grundlage der aktuellen Situation nicht einzuhalten seien.

Frank Stammer (TecPart) erläuterte, dass es zwar eine „Ökodesign-Verordnung“ gebe, die aber nicht konsequent durchdacht und zudem sehr ambitioniert sei. Zu dieser gehörten unter anderem eine Verpackungsabfallverordnung, Altfahrzeugverordnung, eine Elekttonikabfallverordnung und eine Bauprodukteverordnung und es kämen immer mehr Verordnungen hinzu. Das sei für die Kunststoffindustrie eine große Herausforderung, denn in die „Ökodesign-Verordnung“ würden immer mehr Stoffe aufgenommen, die die Kunststoffindustrie tangierten.

Er machte das unter anderem an der Altfahrzeugverwertung deutlich, die verlange, alle Kunststoffteile auszubauen, zu recyclen und sie für Neufahrzeuge zu verwerten. Fakt sei, dass künftig mehr Recyclate benötigt würden, da in E-Fahrzeugen deutlich mehr Kunststoff stecke. Es werde einen Kampf um die Recyclate geben, auch weil andere Produzenten, wie zum Beispiel die Verpackungshersteller, diese ebenso benötigten.

Die Referenten des Kongresses stellten verschiedene Recyclingwege vor. Dr. Dirk Textor, Dr. Textor Kunststoff GmbH, sprach über das mechanische Recycling. Ein Problem sei der vorgesehene „closed Loop“, also, dass ein Joghurtbecher auch wieder zu einem Joghurtbecher werden müsse. Diese in sich geschlossenen Kreisläufe funktionierten aus Textors Sicht nicht. Er erläuterte das am Beispiel Gummibärchentüte: Sie bestehe aus zwei Folien mit zwei Schichten. Daraus exakt wieder Neuware herzustellen, sei kaum möglich, da es sich um zwei verschiedene Polypropylen-Folien handele, seien nicht jeweils wieder exakt zwei Folien zum Wiederverwerten herauszubekommen. Deshalb sei es absolut science fiction, dass eine „Haribotüte“ wieder zur „Haribotüte“ werde.

Auch Lebensmittelverpackungen aus Papier würden nie wieder zu Lebensmittelverpackungen aus Papier. Warum das beim Kunststoff allerdings so sein müsse, sei nicht zu verstehen. Beim Kunststoff werde das Kreislaufthema rauf und runter diskutiert, beim Papier spreche da kein Mensch drüber.

Textor sagte, die Kunststoff-Recyclingfähigkeit habe auch mit dem Preis zu tun. Wenn etwas zwar recyclingfähig sei, aber dieses keiner wolle, führe das nicht weiter. Textor spricht daher lieber von Kreislauffähigkeit. Er wies zudem darauf hin, dass nicht lückenlos nachweisbar sei, dass in einem Produkt Recyclate enthalten seien. Dennoch machte er Hoffnung: Es sei immer wieder faszinierend, was aus dem „stinkenden Haufen Kunststoff“ werde, den man in den Recyclinganlagen verarbeite.

Dr. Elmar Pöselt (BASF Polyurethanes GmbH) brachte den Zuhörern die verschiedene Kunststoffarten und die jeweils unterschiedlichen Recyclingtechniken näher. Für die Verwertung von Kunststoffen gebe es drei bedeutende Verfahren. Zum einen das Kunststoffrecycling zu Granulat, auch werkstoffliches Recycling genannt. Das rohstoffliche Recycling beschreibt die Auftrennung der einzelnen Kunststoffe in ihre Einzelteile mittels Pyrolyse. Das dritte Verfahren ist die thermische Verwertung von Kunststoff. Diese Methode ist zur Rückführung von Kunststoffabfällen gedacht, die nicht zu Mahlgütern oder Granulaten verwertet werden können.

In einer Podiumsdiskussion ging es um das mechanische Recycling versus das chemische Recycling und wo der Weg beider hinführt. Was das mechanische Recycling nicht fasse, müsse über das chemische aufgefangen werden, war man sich einig.

Stammer betonte, es würden immer größere Mengen an Recyclaten benötigt. Auch müsse die Effizienz des Kunststoffrecyclings gesteigert werden.

Außerdem gebe es sehr dezidierte Anforderungen an die Inputströme. „Wir brauchen jedesmal ein Stoffstrommangement.“ Es gebe viele Abfallströme, die über das mechanische Recycling nicht zu heben seien. Diese machten allerdings einen großen Anteil aus. Daher müsse man sich stärker auch auf diese konzentrieren. Es müsse zudem geprüft werden, ob die sehr hohen Anforderungen an die Stoffe gesenkt werden könnten, um besser aufgestellt zu sein.

Ein Zuhörer kritisierte, dass Hersteller ihr eigenes Polyprophylen gar nicht recycelten, sondern Recyclate zukauften. Es müsse aber selbstverständlich werden, dass Hersteller sich zunächst einmal um das Recycling ihrer eigenen Produkte kümmerten, das sei der richtige Weg. Gerade die Automobilindustrie sei hier gefordert.

Auch stand die Nachhaltigkeitsbewertung von Kunststoffrecycling durch Prof. Endres (IKK-Hannover) auf dem Kongressprogramm. Anschließend gab es praktische Beispiele zum Kunststoffrecycling bei der Nachhaltigkeitsbewertung durch Dipl.-Ing. Frank. Budde, Akro-Plastic. Es folgte dann das Nachhaltigkeitskonzept der Firma Miele (Frank Dobbertin, Dr. Tatjana Dänzer). Ganz konkret wurde es dann bei Kurzvorträgen aus der Region: Das Konzept Pöppelmann blue stellte Frank Schockemöhle (Bereichsleitung Technologiemanagement bei Pöppelmann Kunststoff-Technik) vor. PCR-Kunststoff mit Lebensmittelzulassung hieß das Thema von Ellen Seyda (Circular Economy Manager bei Berry CPI). Und Tobias Eichhorst (E-Bike Advanced Technologies) präsentierte einen Fahrradrahmen aus Recyclingkunststoff.

Im Rahmen einer Ausstellung präsentierten sich zudem Mitgliedsunternehmen des Forschungsverbundes ZWT e.V. Dieser ist ein offener Verein von Unternehmen der regionalen und überregionalen Kunststoffbranche, der mittlerweile 44 Mitgliedsunternehmen zählt.

Die Tagung hat viele neue Erkenntnisse gebracht und neue Blickwinkel geöffnet, bilanzierte Prof. Dr. Bye. Sie habe zudem den Austausch in der Branche gefördert und sei als ein wichtiger Meilenstein der Arbeit des Forschungsverbundes ZWT zu bewerten. Dabei blickte Bye auch auf den Kongresstag, an dem sich 300 Schüler über Kunststoff-Recycling informiert haben: Es gab interessante Versuche, Aktionen, Spiele sowie Diskussionen mit den Unternehmensvertretern zum verantwortlichen Umgang mit Kunststoff. Geboten wurden spannende Experimente mit Kunststoff. Schüler konnten zudem selber Kunststoff verarbeiten und neue Bauteile an einer Spritzgussmaschine gießen.

Vorgestellt wurden auch Projekte in der Region (zum Beispiel Müll sammeln aus dem Fluss, am Strand, im Wald). Man konnte sich darüber informieren, wie man sich selbst für das Kunststoffrecycling einsetzen kann. Die Teilnehmenden erlebten, dass sogenannte Recompounds durch Recyclingprozesse von Kunststoffabfällen entstehen. Um ein wirklich qualitativ hochwertiges Substitut zu Neuware zu erhalten, müssen die Reinigungs- und Recyclingprozesse mit äußerster Sorgfalt durchgeführt werden. Eine spannende Herausforderung, auf die es beim Infotag Antworten gab. Es standen bei der Veranstaltung Ansprechpartner regionaler Unternehmen aus der Kunststoffbranche zum Gespräch bereit. Hier konnten erste Kontakte in die Arbeitswelt Kunststoff geknüpft werden.

Prof. Dr. Carsten Bye: „Wir wollten über Kunststoff aufklären, denn Kunststoff ist mehr als nur die Flasche am Strand.“ Das sei erfolgreich gelungen. „Wir freuen uns auf die nächste Veranstaltung.“

Weitere Informationen: forschungsverbund-zwt.de

Forschungsverbund ZWT e.V., Diepholz

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