09.02.2021, 12:30 Uhr | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
Der Erfolg der Kunststoffe hängt eng mit der Variantenvielfalt und dem damit einhergehenden breiten Eigenschaftsspektrum zusammen. Diese Eigenschaften sind nicht nur vom Grundpolymer abhängig, sondern können gezielt durch Zusatzstoffe oder auch den Verarbeitungsprozess beeinflusst werden. Daher ist es essenziell, Kunststoffe unter Berücksichtigung ihrer Beeinflussungsmechanismen charakterisieren zu können. An der Universität Stuttgart wird hierzu in verschiedenen Themenfeldern geforscht. Die Charakterisierungsmethoden sind dabei so unterschiedlich, wie die Verarbeitungsverfahren für die Kunststoffe. Ein am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart eingesetztes Nano-AFM-IR, bei dem Rasterkraftelektronenmikroskopie (AFM) mit Infrarot-Spektroskopie (IR) gekoppelt wird, dient beispielsweise der bildgebenden chemischen Analyse mit einer Auflösung von wenigen Nanometern. Das AFM wird am IKT unter anderem zur Charakterisierung von Mikroplastik und zur Analyse der Mischbarkeit von Polymerblends eingesetzt. Letztere Anwendung ermöglicht erstmals die Phasenseparation darzustellen und zu definieren. Laborbedingungen und der spätere Anwendungsfall haben oftmals wenig miteinander gemeinsam. Die Werkstoffeigenschaften werden durch den Kontakt mit äußeren Medien beeinflusst. Speziell Polyamide neigen aufgrund ihrer Polarität beispielsweise dazu, andere Medien aufzunehmen. Die Absorption kann Entschlaufungs- sowie Abgleitvorgänge der Polymerketten begünstigen und im schlimmsten Fall zu einer irreversiblen Schädigung führen, in dem solvolytische Prozesse gestartet werden. Sind die Einflussfaktoren bekannt, so besteht durch gezielt gesteuerte Aufbereitungsprozesse zur optimalen Ausnutzung der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen die Möglichkeit, einen auf die Anwendung maßgeschneiderten Werkstoff zu entwickeln und so einen deutlichen Beitrag zur Steigerung der Materialeffizienz zu leisten. Am IKT werden die Diffusionsprozesse durch gezielte Konditionierung erforscht. Die im Rahmen des 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquiums vorgestellten Ergebnisse erlauben den Nachweis der Abhängigkeit von der Blendmorphologie sowie der molaren Masse des Einlagerungsmediums mithilfe der bruchmechanischen Methode der Essential-Work-of-Fracture zur Beschreibung der Risszähigkeit. Die Werkstoffeigenschaften sind ebenfalls von den Verarbeitungsverfahren und Prozesseinstellungen abhängig. Hierzu wird an der Universität Stuttgart für verschiedene Verarbeitungsverfahren geforscht. Das Thermoformen zählt innerhalb der Kunststofftechnik zu einem der wichtigsten Weiterverarbeitungsverfahren und wird sowohl zur Produktion von kleinflächigen Verpackungsartikeln bis hin zu großflächigen, technischen Bauteilen verwendet. Dabei rückt die Beschreibung der inneren Vorgänge sowie die Simulation des Thermoformprozesses immer mehr in den Fokus, wobei die Vorhersagegenauigkeit der Simulation vor allem durch das verwendete Werkstoffmodell sowie die messtechnische Charakterisierung der Werkstoffkennwerte bestimmt wird. Am IKT wird deshalb an neuen Ansätzen zur Kennwertermittlung für die Beschreibung des Deformationsverhaltens sowie der Reibverhältnisse zwischen Werkzeug/Stempel und Halbzeug geforscht. Die Methode basiert auf einem Reverse-Engineering-Ansatz, bestehend aus dem Thermoform-Material-Charakterisierungsversuch, einem modifizierten Thermoformversuch gekoppelt mit der digitalen Bildkorrelation, einer Simulationssoftware sowie einem Optimierungstool. Durch die Verwendung einer speziellen Stempelgeometrie während der Thermoformversuche werden definierte Bereiche mit und ohne Reibung erzeugt, wodurch eine genauere Ermittlung der Systemkennwerte zwischen Werkzeug/Stempel und Halbzeug und somit eine bessere Vorhersage des Thermoformprozesses durch die Simulation erfolgen kann. Neben einer stetigen Weiterentwicklung der heutigen Hochleistungsextrusion wurde in den vergangenen Jahren unter anderem verstärkt an einem gesteigerten Prozessverständnis unter Verwendung verschiedener Analysemethoden geforscht. Zur umfassenderen Untersuchung der Aufschmelzzone von durchgehend wendelgenuteten Extrusionssystemen wurde hierzu am IKT ein axial teilbarer Versuchszylinder entwickelt, der durch ein abruptes Anhalten und Öffnen des Zylinders einen Einblick in die Aufschmelzzone im Prozess ermöglicht. Neben einer Untersuchung der Aufschmelzzone begünstigt ein geteilter Zylinder zudem neue Untersuchungsmöglichkeiten, wie die Analyse der rheologischen Werkstoffeigenschaften entlang der Verfahrenszonen Zur weiteren Analyse des Aufschmelzverhaltens wurde am IKT außerdem ein neuer Aufschmelzapparat entwickelt, um eine Grundlage zur Validierung neuer Aufschmelzmodelle zu schaffen. Der Aufschmelzapparat stellt die Aufschmelzzone in modernen Extrudern nach, um den Aufschmelzvorgang isoliert zu betrachten, Aufschmelzraten und die Variation der darauf wirkenden Prozessparameter zu untersuchen. Die Beschreibung des spezifischen Volumens unter realen Bedingungen bei der Verarbeitung von Kunststoffen stellt bis heute eine Herausforderung dar. Für die Verarbeitung thermoplastischer Werkstoffe ist dabei insbesondere auch der Abkühlprozess relevant. Da im Realversuch stets Integralwerte für das spezifische Volumen ermittelt werden, ist eine Berücksichtigung der lokalen Temperaturen und Abkühlraten bereits bei der Versuchsauswertung notwendig. Die nicht-isothermen Effekte sind sowohl mit aktuellen Messgeräten und -methoden als auch hinsichtlich der mathematischen Modellbildung, z.B. für die Simulation, schwierig zu erfassen. Am IKT wurde deshalb ein Ansatz basierend auf der Dynamisch Mechanischen Analyse (DMA) entwickelt, mit dem lokale Temperaturen und Abkühlgeschwindigkeiten berücksichtigt werden. Zur Optimierung abkühlratenabhängiger Werkstoffmodelle stellt dies eine Grundvoraussetzung dar. Dieser Ansatz wird mithilfe numerischer Methoden am Beispiel des Kühlvorgangs eines teilkristallinen Thermoplasts umgesetzt. Diese und weitere aktuelle Forschungsaktivitäten und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Werkstoffcharakterisierung sowie weitere Themen der Kunststofftechnik werden im Rahmen des 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquiums vorgestellt. 27. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, 01.-04. März 2021, Stuttgart Weitere Informationen: |
Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT), Stuttgart
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