plasticker-News

Anzeige

24.11.2008 | Lesedauer: ca. 4 Minuten    

Polen: Noch über Jahre auf Kunststoffimporte angewiesen

Bislang nur wenige Zulieferinvestments / Margen werden deutlich sinken

Die Nachfrage nach Kunststoffen ist in Polen in den letzten Jahren um je rund 10% gewachsen. Hatte ihr Absatz 2005 noch bei 2,0 Mio. t gelegen, betrug er 2007 bereits 2,4 Mio. t. Polen kann diesen Bedarf aus eigener Produktion nicht voll decken. Der Importüberhang bei Chemiewaren erreichte 2007 über 8 Mrd. Euro; das sind rund 40% des gesamten Außenhandelsdefizits des Landes. Doch vermehren sich seit Mitte 2008 Anzeichen, dass wichtige Kunststoff verarbeitende Industrien einen Gang zurück schalten werden.

Anzeige

In einigen Branchen gehen die Bestellungen seither zurück. Da die Kunststoffpreise im Spätsommer 2008 zu sinken begonnen haben, verschieben die Abnehmer ihre Einkäufe in Erwartung weiterer Preisrückgänge nach hinten. Fachleute antizipieren zu Jahresbeginn 2009 etwa 30 bis 40% niedrigere Preise für PVC und Kaprolaktam als im September/Oktober 2008. Polens Chemieriese Anwil hat daher bereits im laufenden Jahr die Kunststoffproduktion verringert.

Seit die Finanzkrise im Frühherbst 2008 auch Polen erreicht hat, erwarten Fachleute sogar noch eine deutliche Verstärkung dieses Trends aufgrund von Exportnachfrageeinbrüchen. Denn der gegenüber dem Euro in der zweiten Jahreshälfte schwächer gewordene Zloty kann die Kaufkraftverluste infolge der Turbulenzen an den Aktienmärkten in anderen Teilen Europas nicht kompensieren. Ihre Bestellungen an Kunststoffen dürften wohl alle Unternehmen einschränken, deren Endprodukte vornehmlich für Absatzmärkte in Westeuropa bestimmt sind.

Am stärksten betroffen sind Kfz- und -Teilehersteller, die ihre Produktion teilweise bereits im 4. Quartal 2008 gedrosselt haben, sowie Baufirmen, sofern sie ihr wesentliches Standbein nicht gerade im mithilfe von EU-Fördergeldern kofinanzierten Infrastrukturbau (vor allem Autobahn-, Schnellstraßen- und Umweltprojekte) haben. Neben diesen Bereichen setzen Unternehmen aus der Kunststoffbranche besondere Hoffnungen in Euro-2012-Vorhaben: Allein der Bau beziehungsweise Ausbau der sechs Stadien für die Fußball-EM 2012 wird eine enorme Nachfrage nach Kunststoffen auslösen.

Die BASF-Tochter Elastogran hat im Sommer 2008 Polyurethan-Systemhäuser in Polen und der Slowakei gegründet. Beide Niederlassungen sollen über lokale Produktions-, Vertriebs- und Entwicklungseinheiten verfügen. In Polen erwartete die BASF Anfang Juli noch Wachstumsraten in den nächsten Jahren von bis zu 7%. Doch rechnete der Konzern damals mit Impulsen vor allem aus der Kühlgeräte- sowie der nun teilweise schwächelnden Bau- und Kfz-Industrie. Das neue Systemhaus bei Poznan soll 2010 in Betrieb gehen.

Trotz weiterhin überwiegend optimistischer Prognosen gibt es im Kunststoffbereich aber insgesamt bisher erst wenige Zulieferinvestments. Viele größere Konzerne suchen angesichts dort billigeren Erdöls und -gases eher Standorte in Russland oder wegen niedrigerer Arbeitskosten und laxerer Umweltschutzbestimmungen in China. Das eröffnet deutschen Betrieben auch weiterhin gute Zulieferchancen, was sich vor allem solche mit Firmensitz im Grenzbereich zu Polen auch bereits zunutze machen. Allerdings werden die Margen angesichts der Konjunktureintrübung im Kfz- und Baugewerbe deutlich sinken, was neben Kunststoff- auch Hersteller von Farben und Lacken betrifft.

Die letzte Großinvestition, die Kunststoffverarbeitern in Polen einen besseren Zugang zur benötigten Rohstoffbasis verschafft hat, waren die Kapazitätserweiterungen von Bassell Orlen Polyolefin, wodurch die Polyethylen- und Polypropylenproduktion seit 2006 gestiegen ist. Die Produktivität der neuen Anlage hängt jedoch von der vorhandenen Olefinbasis ab. Um eine ausreichende Menge davon zu sichern, wäre ein neuer Cracker zur Umwandlung schwerer Erdölfraktionen mit einer Kapazität von etwa 1 Mio. jato erforderlich. Damit diese Olefinanlage reibungslos arbeiten könnte, müsste wiederum deren Versorgung mit Erdöl gesichert sein.

Polens Öl- und Gaskonzern, PKN Orlen, will gegen Ende November 2008 seine neue Investitionsstrategie vorstellen. Zwar hat der Vorstand des Unternehmens erklärt, die Produktion petrochemischer Erzeugnisse erhöhen zu wollen, doch dabei offen gelassen, ob es nur um den Abschluss bereits begonnener Projekte (Anlagen zur Erzeugung von Paraxylen und Terephthalsäure) oder auch um neue Investitionen geht.

Über den schon im Mai 2008 angedachten Bau einer Olefin-Produktionsanlage mit einer Jahreskapazität von 660.000 bis 700.000 t Ethylen und Propylen wird Orlen erst in den Jahren 2011 oder 2012 endgültig entscheiden. Laut Prognosen soll der Markt für Olefine in den kommenden Jahren stagnieren. Erst 2014 oder 2015 wird wieder eine höhere Dynamik erwartet. Bis dahin soll die Anlage fertig gestellt sein, sofern sich Orlen überhaupt für ihren Bau entscheidet.

Ob mit oder ohne Anlage - Polen wird bei vielen Kunststoffen wohl noch über Jahre auf Importe angewiesen sein.

Weiterführende Informationen

bfai Bundesagentur für Außenwirtschaft, Köln

» insgesamt 374 News über "bfai" im News-Archiv gefunden

Ihre News im plasticker? Bitte senden Sie Ihre Pressemitteilungen an redaktion@plasticker.de!


» zurück zum Seitenanfang


Aktuelle Geschäftskontakte
Top News / Meist gelesen
plasticker Newsletter
Wir informieren Sie schnell, umfassend und kostenlos über das, was in der Branche passiert.

» Jetzt anmelden!

» Weiterempfehlen

Jetzt Kosten im Einkauf senken!
Neuware-Restmengen, Regranulate oder Mahlgüter für Ihre Produktion erhalten Sie in der Rohstoffbörse.

Neue und gebrauchte Maschinen & Anlagen finden Sie in der großen Maschinenbörse.

Kostenfreie Nutzung aller Börsen! Registrieren Sie sich jetzt!

Aktuelle Rohstoffpreise
Neue Fachbücher
Experimentelle und simulative Analyse der Mischwirkung in Einschneckenextrudern

Eine Vielzahl von Kunststoffen wird zur Produktion von Halbzeugen und Fertigprodukten auf Einschneckenextrudern aufbereitet bzw.