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07.01.2008 | Lesedauer: ca. 5 Minuten    

Battenfeld Kunststoffmaschinen: Insolvenz nach plötzlichem Verkauf

Ex-Eigentümer Adcuram kündigt Rückabwicklung des Verkaufs an – 472 Arbeitsplätze gefährdet

Überraschende Nachrichten über die Battenfeld Kunststoffmaschinen (BKU) um den Jahreswechsel sorgen für großen Wirbel in Niederösterreich. Die österreichische Tagespresse nannte die Vorgänge am Freitag durchweg mysteriös, die regionale Politik spricht von einem Skandal – in Niederösterreich ist gerade Landtagswahlkampf – und versucht zu intervenieren. Landeshauptmann Erwin Pröll ließ sogar mit einer Strafanzeige drohen.

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Die Ereignisse im Überblick
Der bisherige Eigentümer, die Münchner Adcuram Maschinenbau Holding GmbH (www.adcuram.de) gab am 21.12.2007 überraschend den Verkauf der Battenfeld Kunststoffmaschinen GmbH (BKU, www.battenfeld-imt.com) in Kottingbrunn bekannt. Neuer Eigentümer ist die unbekannte Firma OOD Private Equity Ltd. Gleichzeitig kündigte Adcuram an, das Service- und Ersatzteilgeschäft von Battenfeld mit den beiden Gesellschaften in Deutschland und Österreich behalten und sogar ausbauen zu wollen. Die Geschäftsführung der BKU wurde nach eigener Aussage über diesen Schritt vorher nicht informiert.

Zum neuen Eigentümer – über den bei Battenfeld außer der Postanschrift nichts bekannt gewesen sei – habe kein direkter Kontakt bestanden, insbesondere habe der neue Eigentümer das kurzfristig benötigte Kapital nicht zur Verfügung gestellt und sich nicht zur Zukunft des Unternehmens geäußert. Daher meldete die BKU am 3.1.2008 Insolvenz an. Masseverwalter ist der RA Dr. Michael Lentsch (www.kosch-partner.at). Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 18.3.2008 anmelden.

Ebenso überraschend kündigte Adcuram am Freitagnachmittag „zur Beseitigung der entstandenen Verunsicherung“ die Rückabwicklung des Verkaufs an. Dies solle bis spätestens Mitte KW 3 geschehen. An der Insolvenz ändere sich dadurch aber nichts, da Adcuram nicht bereit sei, weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Gründe für die Insolvenz
Nach Aussage des erst seit dem 1.12.2007 amtierenden Geschäftsführers Georg Tinschert (s. plasticker vom 4.12.2007) sei eine "seit einiger Zeit erforderliche Eigenkapitaleinlage" weder vom Vor- noch vom Neueigentümer geleistet worden, weswegen man sich verpflichtet gesehen habe, den Schritt zum Konkursrichter anzutreten. Battenfeld-Anwalt Markus Fellner nannte dabei Verbindlichkeiten in der Größenordnung von 20-30 Mio. Euro, was von einem Sprecher des Kreditschutzverbands (www.ksv.at) bestätigt wurde; außerdem seien die Dezembergehälter für die 472 Mitarbeiter noch nicht ausgezahlt worden. Die Anzahl der Gläubiger wird mit 1.300 angegeben.

Dieser Darstellung widersprach der Vorstand der Adcuram Group AG, Thomas Probst, gegenüber dem plasticker: Die BKU habe keine Bankverbindlichkeiten und nur „normale“ Verbindlichkeiten bei den Lieferanten, keinesfalls jedoch in der genannten Höhe, über die Insolvenz – schon zum jetzigen Zeitpunkt – äußerte Probst Unverständnis.

Ein möglicherweise entscheidender Aspekt, was das Datum der Insolvenz anbetrifft, könnte sein, dass per 3.1.2008 die Abspaltung des rentablen Service-Geschäfts nach der österreichischen Konkurs-Ordnung theoretisch noch rückgängig zu machen ist.

Rätselraten über den aktuellen Eigentümer „OOD Private Equity Limited“
Öffentlich bekannt ist nur, dass es sich bei OOD um eine Gesellschaft in London handelt, die am 20.11.2007 gegründet wurde, offenbar zu dem Zweck, einen Monat später die BKU zu übernehmen. Wer hinter der Firma steht, die scheinbar unter einer klassischen Sammeladresse für so genannte Briefkastenfirmen residiert, wollte Adcuram Vorstand Probst nicht sagen.

Als einziger Director von OOD ist der Münchner Rechtsanwalt Matthias Beer eingetragen, der laut Deutscher Anwaltsauskunft für die Münchner Sozietät Schumacher Lotz Rechtsanwälte (www.schulotz.de) tätig ist. Und Schumacher Lotz nennt Adcuram auf seiner Webseite als Referenz für Projekte im Bereich Mergers & Akquisitions. OOD scheint also (noch) nicht der „strategische Investor“ (s.u.) gewesen zu sein, den Adcuram laut Probst für die BKU sucht.

Die überraschende Kehrtwende
Adcuram hatte das gesamte Spritzguss-Geschäft der Battenfeld-Gruppe im Oktober 2006 von der SMS GmbH übernommen (s. plasticker vom 16.10.2006) und nach eigener Aussage „in den letzten Monaten einen substantiellen Millionenbetrag für die finanzielle Unterstützung zur Verfügung gestellt.“ Ende September 2007 zog Adcuram dann positive Bilanz und zeigte sich außerordentlich zufrieden. Alexander Müller, bis Ende November 2007 Interims-Geschäftsführer bei der BKU und „Head of Performance Improvement“ bei Adcuram, äußerte: „Der Turn-Around ist in erstaunlich kurzer Zeit bereits geschafft und die Zukunft des Unternehmens damit gesichert.“

Offenbar war diese Aussage verfrüht, denn nun sieht man „keine Aussicht auf Besserung“, da sich die Lage „trotz der ergriffenen Maßnahmen dramatisch und unerwartet zugespitzt habe.“

Dem Anschein nach hat sich Adcuram mit der vollständigen Abspaltung des ertragreichen Servicegeschäfts im August 2007 auch schon auf ein alternatives Szenario eingestellt. Für alle anderen kam der Schritt wohl unerwartet, schließlich hatte Battenfeld auch zur K 2007 äußerst positive Signale ausgesendet.

Gründe für den Ausstieg von Adcuram
Laut Adcuram hat die Battenfeld-Gruppe in 2007 mehr als 15 Mio. Euro an liquiden Mitteln verbraucht. Dies trotz einer Umsatzsteigerung um rund 10% auf nunmehr rund 110 Mio. Euro. Es habe unerwartet hohe Preissteigerungen und Versorgungsengpässe auf der Beschaffungsseite gegeben und die Battenfeld habe als kleiner Hersteller ganz besonders unter den Materialengpässen gelitten. Andererseits habe Battenfeld aufgrund des hohen Wettbewerbs die Kostensteigerungen nicht an die Kunden weitergeben können. Hinzu kamen interne Probleme in der Fertigung, die man den Vorbesitzern, der SMS Gruppe, anlastet. Trotz der Hochkonjunktur im Maschinenbau sei das Neumaschinengeschäft so nicht rentabel.

Laut Probst strebte Adcuram daher eine Lösung mit einem strategischen Investor an und will weiterhin nach einer Lösung suchen und dabei mit dem Masseverwalter „selbstverständlich kooperativ zusammen arbeiten“.

Fazit und Ausblick
Adcuram wird das Investment offensichtlich zu teuer und man will jetzt anscheinend die rentablen Schäfchen ins Trockene bringen. Ob dies gelingt, ist offen und ebenfalls, ob die Strategie eines „herstellerunabhängigen Serviveanbieters“ bei schrumpfender installierter Maschinenbasis von Battenfeld langfristig erfolgreich sein kann; schließlich herrscht auch in diesem Markt hoher Wettbewerb.

Noch offener ist die Zukunft der BKU, hier hat jetzt der Masseverwalter das Wort. Erste Investoren sollen schon Interesse angemeldet haben: Die Tageszeitung „Der Standard“ nennt in ihrer Ausgabe vom Wochenende u.a. die burgenländische Industriegruppe HTI, den Investor Josef Taus, den Risikofinanzierer Kurt Stiassny und den Industriellen Hannes Androsch.

Battenfeld Kunststoffmaschinen Ges.m.b.H., Kottingbrunn, Österreich

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