30.01.2025, 12:34 Uhr | Lesedauer: ca. 4 Minuten |
Aus kunststoffhaltigem Abfall wurde im Projekt Polyamid extrahiert, das im Spitzguss zu einer Stuhlschale verarbeitet wurde - (Bild: Fraunhofer IMWS). Leistungsfähige Kunststoffe gehören weltweit zu den wichtigsten Werkstoffen und machen viele Anwendungen erst möglich, die sowohl in der Industrie als auch im Alltag große Vorteile bringen. Allerdings werden sie überwiegend aus fossilen Rohstoffen hergestellt, was mit entsprechenden CO2-Emissionen verbunden ist. Zudem fallen allein in Deutschland jährlich mehr als sechs Millionen Tonnen kunststoffhaltige Abfälle an, von denen derzeit noch etwa die Hälfte verbrannt statt werkstofflich verwertet wird. „Der Ansatz, den im Kunststoff enthaltenen Kohlenstoff als Ressource zu betrachten und weiter zu nutzen, drängt sich deshalb auf. Voraussetzung für die Etablierung einer solchen Kreislaufwirtschaft ist es, kohlenstoffhaltige Bestandteile im Abfall besser zu erkennen, besser zu verwerten und daraus wieder hochwertige Ausgangsmaterialien für die Industrie zu machen. Mit unseren gebündelten Kompetenzen haben wir dafür im Leitprojekt individuelle und innovative Lösungen für sehr unterschiedlich zusammengesetzte Abfallströme gefunden“, sagt Prof. Dr. Erica Lilleodden, Gesamtprojektleiterin „Waste4Future“ und Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, das die Federführung im Projekt hatte. Die Fraunhofer-Fachleute konzentrierten sich insbesondere auf die Nutzung von Kunststoffabfällen, die bisher nicht weiterverwertet werden können. Sie definierten dazu sechs Forschungsschwerpunkte: Bewertungsmodell, Sensortechnik, Sortiertechnik, werkstoffliches Recycling, chemisches Recycling und Fomulierungsentwicklung. Um die neuen Möglichkeiten zu demonstrieren, haben sie eine Stuhlschale aus recyceltem Polyamid hergestellt. Der Kunststoff wurde automatisiert aus einem Abfallstrom heraussortiert, anschließend aufbereitet und dann im Spritzguss verarbeitet. Das Bauteilverhalten wurde mit Neuware sowie anderen verfügbaren Rezyklaten verglichen. Ergebnis: Die Recycling-Sitzschale ist in allen wichtigen Aspekten konkurrenzfähig. „Wir haben den Fokus auf Polyamid gelegt, weil es hier insbesondere eine hohe Nachfrage aus der Automobilindustrie gibt und der Bedarf in den kommenden Jahren durch strenge Regulierung noch steigen wird“, sagt Prof. Dr. Maik Feldmann, Technischer Projektleiter von „Waste4Future“. „Mit dem Demonstrator konnten wir im Konsortium den gesamten Weg vom komplexen Abfallstrom aus einer Schredderleichtfraktion über hochwertige Rezyklate bis zum neuen Produkt nachzeichnen und aufzeigen, in wie vielen Bereichen wir dabei gemeinsam Fortschritte erzielt haben.“ Herauszuheben sei die Entwicklung von Grundlagen für ein ganzheitliches Modell, das eine (Echtzeit)-Bewertung von (Kunststoff-)Recyclingprozessen nach ökologischen und ökonomischen Kriterien erlaubt. Das Modell ermöglicht Aussagen darüber, welche Qualität ein Abfallstrom hat und wie sich seine einzelnen Bestandteile mit möglichst hochwertiger Nutzung weiterverwerten lassen. „Wir haben durch digitale Zwillinge von Prozessen und Materialien eine Interaktionsmöglichkeit zwischen realer und virtueller Welt geschaffen“, sagt Dr. Gert Homm, Leiter des Teilprojekts „Entropiebasiertes Bewertungsmodell“. Dabei wurden auch ein Sortierdemonstrator (Multi-Sensor-System mit KI-basierter Datenauswertung) entwickelt und die grundsätzliche Eignung der THz-Sensortechnologie für die bisher kaum mögliche Sortierung schwarzer Kunststoffe nachgewiesen, die für die Sortierung realer Abfall-Fraktionen allerdings noch weiterentwickelt werden muss. Eine Methode zur Online-Rheologie als schnelles Diagnose-Tool zur Rezepturentwicklung wurde im Projekt entwickelt - (Bild: Fraunhofer LBF / K. Raapke). Für das chemische Recycling (Pyrolyse, Gasifizierung) ermöglicht das neuartige Entropiemodell eine ganzheitliche Bewertung kunststoffhaltiger Abfallströme. „Wir konnten zeigen, dass durch Gasifizierung und Pyrolyse auch Polyamid-haltige Fraktionen verwertet werden können, die nicht mehr mechanisch recycelbar sind“, sagt Dr. Jörg Kleeberg, Leiter des Teilprojekts „Chemisches Recycling“. Die Ergebnisse bilden die Basis für eine „Aspen“-Modellierung, die auch als Grundlage für die Synthese völlig neuer Kunststoffe genutzt werden kann. Bis in den Pilotmaßstab (hier das Großtechnikum am Fraunhofer IVV) haben die Projektpartner ihre Lösungen skaliert - (Bild: Fraunhofer IVV). Die im Leitprojekt beteiligten Institute waren: Weitere Informationen: www.imws.fraunhofer.de |
Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Halle
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