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19.08.2005 | Lesedauer: ca. 3 Minuten    

TASi 2005: Rückschritt, Fortschritt oder Müllnotstand?

Kaum ein umweltpolitisches Thema hat in den letzen Jahren die Fach- und Wirtschaftsmedien so dominiert wie die Deponieschließung zum 1.6.2005. Die Konsequenzen sind allerdings in der Tat weitreichend: Entsorgungsengpässe in der Müllverbrennung, Abfalllager auf Deponien und bei Entsorgungsunternehmen sowie unzählige nicht abgeholte Abfälle in Containern bei Tausenden von Abfallerzeugern der Produzierenden Industrie. Nun werden die ersten Stimmen aus den Reihen der Umweltminister laut, dass das “Aus für Deponien überdacht werden sollte“. Dies sagte Anfang der Woche der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander im Rahmen einer Pressekonferenz in Northeim. Das Abweichen von bestehenden Umweltstandards war lange Zeit ein Tabuthema. Ist dies nun von der niedersächsischen Landesregierung ein wahltaktischer Zug oder gibt es tatsächlich einen Müllnotstand, der zu schnellem Handeln zwingt?

Zur Erinnerung sei erwähnt, dass die so genannte TASi in der EU einzigartig ist. Deutschland hat sich bereits im Jahre 1993 darauf festgelegt, dass ab 1. Juni 2005 kein unbehandelter Abfall mehr abgelagert werden darf. Die EU und sämtliche Mitgliedsstaaten haben sich hierzu deutlich mehr Zeit genommen. Das europäische Deponierecht verlangt, eine schrittweise Verringerung der Ablagerung organik-haltiger Abfälle bis weit über 2005 hinaus. Ist das Vorpreschen Deutschlands nun auf den Prüfstand zu stellen? Warnungen vor einem drohenden Entsorgungsnotstand in Deutschland gibt es bereits seit vielen Jahren. Marktforschungsinstitute haben jedes Jahr die aktuell vorhandenen Kapazitäten den anfallenden Abfallmengen gegenüber gestellt. Ob sie von den Verantwortlichen immer ernst genommen wurden, sei heute dahin gestellt. Fakt ist, dass es einen Überhang gibt von mehreren Millionen Tonnen Abfällen, die verwertet bzw. verbrannt werden sollen. Leider gibt es im Inland nicht ausreichend Kapazitäten, weil zu spät mit dem Bau entsprechender Anlagen begonnen wurde und auf Ausnahmegenehmigungen gesetzt wurde. Zur Zeit behilft man sich noch mit eilig eingerichteten Zwischenlägern auf bestehenden Deponien, aber auch die laufen bereits jetzt voll. Nach der Urlaubszeit, wenn die Unternehmen wieder in Volllast arbeiten, wird sich die Situation - so die Prognosen von Marktkennern - weiter zuspitzen.

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Es ist sicher richtig gewesen, an einem umweltpolitischen Ziel zu arbeiten. Es war auch richtig, Deponien auf den neuesten technischen Stand zu bringen und hochwertige Verbrennungstechniken zu entwickeln. Aber unsere europäischen Nachbarn sind andere Wege gegangen. Italien weigerte sich, Verbrennungsanlagen zu bauen und exportierte lieber nach Deutschland. Die Niederlande (und viele andere EU-Staaten) erließ hohe Deponiesteuern und exportierte dann auch den Müll zu niedrigeren Annahmepreisen zu deutschen Billigdeponien, wohl gemerkt nur bis zum 1.6.2005. Doch was passiert nun in Deutschland, wenn sich der Engpass verschärft? Wollen wir akzeptieren, dass letztendlich die gesamte deutsche Wirtschaft auf die Barrikaden geht?

Es ist dringend notwendig, dass alle Bundesländer die Karten auf den Tisch legen. Die Umweltminister sollten schnellstmöglich in der LAGA zusammen kommen, um den Notstand zu erörtern und nach Lösungen zu suchen. Warum werden stillschweigend Zwischenlager akzeptiert, die sich eher zu Endlagern entwickeln werden, wenn nicht in Kürze weitere Verbrennungs- oder Kraftwerkskapazitäten geöffnet werden? Warum kann – auch wenn das umweltpolitische Ziel einer Beendigung der Deponierung richtig ist – eine anspruchsvolle und TASi-gerechte Deponie nicht etwas länger unbehandelten Abfall annehmen, bis der Notstand behoben ist? Könnte nicht zwischenzeitlich ein ökonomisches Lenkungsinstrument wie eine Deponieabgabe dazu beitragen, dass der Abfall dorthin geht, wo er ordnungsgemäß entsorgt wird? Ungeachtet der bevorstehenden Bundestagswahl sollte sich auch das Bundesumweltministerium um die Interessen der deutschen Wirtschaft kümmern. Dort wird der Notstand noch immer angezweifelt. Es ist niemandem in der jetzigen Situation damit geholfen, an Zielen festzuhalten, die uns durch die Brille eines Nachbarstaates gesehen, eher als kleinkariert und unflexibel erscheinen lassen. Jetzt ist Kreativität und parteiübergreifendes Engagement gefragt, sich zumindest beim „Müllthema“ kooperativ und konstruktiv zu zeigen.

Haase & Naundorf Umweltconsulting GmbH, Bad Honnef

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